In der Regel sorgen sich Frauen als werdende Mütter gut neun Monate sehr fürsorglich um das Kind, das in ihnen heran wächst. Sie haben bisweilen bange Ängste, ob das Kind wohlbehalten und gesund zu Welt kommt.
Dann – während der Geburt – bringen sie das Kind unter Schmerzen zu Welt; Schmerzen, die kein Mann der Erde nachvollziehen kann.
Wieviel Sorge und Entbehrungen wenden werdende Mütter auf, in der Sorge um ihr ungeborenes Kind?!
Und dann später, sollen diese Kinder – meist Söhne – als Kanonenfutter und für kriegstreiberische Potentaten ihr Leben geben?!
Wann endlich stehen die Mütter dieser Erde auf und lassen ihre Kinder nicht mehr in den Krieg ziehen?! Wann endlich sollen ihre Sorgen und ihre Schmerzen nicht vergeblich gewesen sein?!
Geförderter Mutterkomplex
oder: „Schwester im Glauben“?!
Heute, am 15. August, feiern wir in der römisch-katholischen Kirche das „Hochfest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ (Maria-Himmelfahrt).
Dieses Fest kann uns Anlass sein, noch einmal genauer hinzuschauen, was es mit der Marienverehrung in unserer Kirche auf sich hat.
Dies vor allem auch deshalb, weil Menschen in und außerhalb unserer Kirche offenbar nicht mehr den Unterschied zwischen „Anbetung“ und „Verehrung“ kennen. So berichtete z.B. gestern ein Sender über die Wallfahrt von Tamilen nach Kevelaer und sprach in dem Beitrag von „Anbetung Mariens“.
Mir als Theologe und Christ sträuben sich dann natürlich ‚die Nackenhaare‘, denn ich würde niemals auf die Idee kommen, Maria ‚anzubeten‘. Allein Gott ist der Anbetung würdig und wert!
Diese Beobachtungen lassen natürlich die Frage aufkommen, welche Rolle Maria, die Mutter Jesu, für unseren Glauben spielen kann?
„Mutter Gottes“, „Mit-Erlöserin“ oder …?
Viele Titel hat Maria im Laufe der Kirchengeschichte in der römisch-katholischen Kirche bekommen:
Mutter Gottes
Gottesgebärerin
Königin des Himmels
Mutter der Christenheit
„Mit-Erlöserin“ (erstmals von Papst Johannes Pauls II.)
‚unsere‘ Mutter
…
Auffällig auch dazu die Attribute, die Maria klar verbinden mit Schutz, Orientierung oder gar Guide auf dem Weg zu Christus, …
Dazu kommen dann noch die unzähligen marianischen Wallfahrtsorte, von denen viele mit vermeintlichen Marien-Erscheinungen verknüpft sind.
Mutterkomplex
Etwas provokant habe ich die Überschrift mit dem Wort „Mutterkomplex“ übetitelt. Ja, es ist provokant. Es soll aber zugleich auch auf eine Problematik hinweisen.
In der Entwicklung eines jungen Menschen vom Kind zum Heranwachsenden, Jugendlichen und gar Erwachsenwerden gehört es, sich peu-a-peu mehr von Vater und Mutter abzunabeln. Das bedeutet, dass Kinder lernen sollen und müssen, sich als eigen-ständige Wesen zu erkennen und auch darin die Notwendigkeit, ihr eigenes Leben zu leben.
Die Abkopplung vom Elternhaus und insbesondere auch von der Mutter ist ein entscheidender Schritt zum Erwachsenwerden.
Doch in der Kirche versucht man krampfhaft, gestandenen Menschen immer wieder einzubläuen, sie bräuchten auch noch im hohen Alter eine Ersatz-Mutter-Gestalt, die sie beschützen muss und soll (-> Schutzmantelmadonna!).
Ich würde gerne mal wissen, was Psychologen zu diesem Phänomen sagen: Einerseits sollen Menschen erwachsen werden und andererseits will die kirchliche Verkündigung weiter vermitteln, dass wir eine ‚Mutter‘ brauche, die uns vor Gefahren schützt!
Natürlich ist es wichtig, dass auch erwachsene Menschen (vor Gefahren) geschützt werden. Doch meine kritische Anfrage ist, ob es klug ist, dieses an einer Person festzumachen und den Verehrungskult mit dieser Haltung zu überfrachten, die sogar für erwachsene Menschen angemessen ist?
Meines Erachtens ist es nur logisch, dass Papst Johannes Paul II. in diesem Zusammenhang den Begriff der „Mit-Erlöserin“ eingeführt hat, der jedoch für mich theologisch höchst problematisch ist.
Denn: Erlöst sind wir allein aus der Gnade Gottes und durch das Erlösungswerk Jesu Christi. Um vollumfängliche Erlösung zu erreichen, braucht es keine weitere Zugabe oder noch eine Art ’soteriologischen Appendix‘, den ich mit dem Begriff „Miterlöserin“ verbinde.
Wir sind allein durch und in Jesus Christus gerettet!
Marienverehrung
Dennoch gibt es auch für mich einen Grund, Maria (die Mutter Jesu) einen besonderen Platz in der Verehrungskultur einzuräumen. Dazu ist es hilfreich, die biblischen Erzählungen zu berücksichtigen.
In ihnen wird nämlich – angefangen von der Verkündigung bis hin zum Pfingstereignis – beiläufig das Lebens- und Glaubenszeugnis Mariens skizziert, welches auch für uns beispielhaft und motivierend sein kann.
Das Neue Testament stellt uns Maria als einzigartige Glaubenszeugin dar. Darauf allein kann sich eine angemessene Verehrung Mariens ableiten, die aber mit großer Vorsicht und Behutsamkeit Maria ihren Platz in der Heilsgeschichte einräumt, der ihrem Leben und Zeugnis angemessen ist.
Diesen Aspekt zu betonen, auch in einer angemessenen Form der Marienverehrung halte ich für unsere Zeit für viel sinnvoller und wichtig, als zweifelhafte theologische Termini zu verwenden, die Maria gleichsam zu einem vierten Anteil einer ‚Quadrität‘ hochstilisieren, der jedoch mit unserem christlichen Glauben an einen dreifaltigen Gott (Trinität) nicht in Einklang zu bringen sind.
Insofern spreche ich bei Maria gerne von meiner „Schwester im Glauben“, weil dieser Begriff den exemplarischen Vorbildcharakter Mariens hervorhebt und dabei aber das christliche Bild und die christliche Botschaft von einem dreifaltigen Gott nicht relativiert!
„Viel Glück …!“
Geburtstage sind für mich immer so eine Sache: da wird einmal im Jahr ein Datum besonders hervorgehoben, an dem z.B. ich das Licht der Welt erblickt haben soll. Nur weiß ich das nicht so genau, denn ich erinnere mich nicht daran. Vom Hörensagen und aus ‚amtlichen Dokumenten‘ soll ich es wissen. Warum also ein solches Bohei um einen vermeintlich bedeutsamen Tag …?
Wenn ich in diesen Tagen vermehrt auf meinen Geburtstag angesprochen werde, dann merke ich, wie mich das emotional recht wenig interessiert. Mir persönlich bedeutet jedenfalls mein persönlicher Geburtstag nicht viel. Es sei denn …?
Schönes Ritual aus der Jugendzeit
Ich erinnere mich, dass wir in meiner Jugendzeit einen Kaplan in meiner Heimatgemeinde hatten, der sehr regelmäßig Geburtstagsanrufe machte. Das war etwas ganz besonderes, denn er rief an ‚meinem‘ Geburtstag nicht nur mich an, um mir Gottes Segen zu wünschen, sondern er rief auch meine Mutter an (Vater ist ja schon seit Februar 1981 tot!). Unser Kaplan gratulierte dann sehr selbstverständlich meiner Mutter. Und das hat mir imponiert und auch mein Bewusstsein bis zum heutigen Tag über ‚meinen‘ Geburtstag geprägt.
An ‚meinem‘ Geburtstag erinnere ich mich gerne an meine Mutter, die 2018 starb. Sie hat mich ausgetragen und geboren. Meine Mutter hat das meiste zu meinem Geburtstag beigetragen als irgend ein anderer Mensch. Dafür bin ich dankbar, wenn der Kalender das Datum ‚meiner‘ Geburt aufruft.
Zu ihrem Lebzeiten habe ich meiner Mutter an ‚meinem‘ Geburtstag gratuliert; heute bleibt mir nur, ihr dankbar zu sein.
Jeder Tag ist Geburtstag – oder fast jeder Tag ist ‚Nicht-Geburtstag‘
Seit langem versuche ich, bewusst jeden Tag meines Lebens mit Dank zu beginnen, wenigstens einen kurzen Augenblick, zum Beispiel, wenn der Wecker schellt. Jeder Tag ist für mich ein Geschenk, an dem ich – hoffentlich – abends, wenn ich mich zur Ruhe begebe, auch dankbar sein kann.
Mit meinem fast vollendeten 60. Lebensjahr wurde ich auf ein Lied aufmerksam, dass ich so wunderbar treffend finde und mir ein Freund vorgespielt hat.
Ich möchte es deshalb heute hier zum Nachsehen, -hören und denken von youtube verlinken:
Ich finde diesen Song witzig und treffend, wenn es darum geht, jeden Tag neu als Geschenk anzunehmen … und das möchte ich gerne auch in Zukunft können.
Alle Bilder gefunden bei www.pixabay.com
Remember
Du fehlst, liebe Mama!
Mehr Gott gehorchen
Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Apostelgeschichte 5,29b
Ein starkes Wort, das da heute fast buchstäblich in der Mitte der heutigen Tageslesung (Apg. 5, 27-33) steht.
Nach der Auferstehung Christi werden die Apostel dem Hohen Rat vorgeführt. Der will nicht, dass sich die Botschaft von der Auferstehung Christi weiter verbreitet. Deshalb hatten sie den Aposteln „streng verboten“, weiter in Namen Jesu Christi zu lehren. Die Apostel werden also vorgeführt und sollen durch die Truppe des Tempelhauptmanns und den Hohen Rat eingeschüchtert werden.
Aber nach dem Bericht der Apostelgeschichte machen Petrus und die anderen Aposteln jenen eindeutig klar: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Ich finde, dieses Wort könnte einen Beitrag leisten, um z.B. auch den Krieg in der Ukraine schneller beenden zu können.
Allmählich steigen die Nachrichten an die Hinterbliebenen in Russland und in der Ukraine über die Söhne, die im Krieg als Soldaten – teils grausam – getötet wurden. (Ich vermeide bewusst die Begrifflichkeit vom „gefallenen Soldaten“, weil er so brutal verharmlosend ist! Das finde ich allein schon pervers, einen grausamen Tod so zu bagatellsieren zu wollen.)
Nein, Soldat:innen sterben fast immer eines grausamen und qualvollen Todes!
Mütter und Väter, Eltern, erhalten die Urnen ihrer verstorbenen Kinder zurück, von denen sie meinten, sie würden eher an einer harmlosen „Sonderaktion“ (wie Russland den Angriffs-Krieg! bezeichnen will) teilnehmen. Doch langsam werden sie misstrauisch – hoffentlich. Menschen in Russland spüren Verschlechterungen ihrer wirtschaftlichen Situation und wissen doch eigentlich nicht, wieso, weil die staatliche Propaganda sie in die Irre führt.
Ich kann nur hoffen, dass die Erfahrung, dass da „etwas nicht stimmt“ sie kritischer aufhorchen lässt, dass sie ernsthaft und offen fragen, was da los ist. Ich kann nur wünschen, dass der Tod ihrer Kinder sie nicht ruhen lässt, um die Wahrheit zu erfahren.
Ich kann nur wünschen, dass alle, die – mehr oder weniger – unfreiwillig in diesen Krieg hineingezogen wurden, erkennen, dass das nicht ihr Krieg ist: kein Krieg Russland gegen die Ukraine, sondern ein Krieg von einzelnen Menschen, von einzelnen Machtapparaten, die ihre Ideologie verfolgen und dafür bereit sind, buchstäblich über Leichen zu gehen.
Der Weg Putins und seiner Schergen und Speichelleckern ist mit Leichen gepflastert!
Wenn diese (meist noch sehr jungen Menschen) nicht vergeblich gestorben sein sollen, dann hoffe ich, dass jene, die um sie trauern, erwachen und einsehen: Putin und seine Komplizen können diesen Krieg nicht führen, wenn es keine Menschen gibt, die mit machen.
Wenn also Eltern ihre Kinder nicht hergeben und wenn sie lernen, „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“, dann könnte ein wichtiger Grundstein für ein baldiges Ende dieses Krieges und aller Kriege in der Welt gelegt sein.
Ich weiß, dass ist eine Binsenweisheit und galt schon für die vielen Kriege vor dem Ukrainekrieg.
Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass das Leben über den Tod und über alles Todbringendes triumphieren wird – auch das ist Ostern 2022 für mich!
Nicht aus der Furcht vor dem Tode, sondern aus dem Willen zu leben!
Alfred Andersch, in: Die Kirschen der Freiheit – auf einem Denkmal für die Deserteure des 2. Weltkriegs im Schloßpark Wittringen, Gladbeck
Wenn Mütter sterben …
… eine einzigartige Trennungserfahrung
Ich gehöre wohl zu der Generation, die in diesen Jahren gehäuft mit dem Tod der eigenen Mutter konfroniert ist. Viele in meinem Bekanntenkreis und in meinem Alter können diese Erfahrung nun machen.
Mir fällt dabei auf, dass – obwohl unsere Mütter ein hohes Alter erreicht haben – deren Tod uns oft sehr nahe geht.
Warum ist das so?
Ich habe mich gefragt: Warum? – Hatten sie nicht ein gesegnetes Alter? Haben wir nicht immer häufiger den Gedanken in uns gehabt, dass bald die Zeit kommen könnte, wo sie diese Welt verlassen? Waren sie vielleicht nicht schon durch Alter, Gebrechlichkeit und Alter so gezeichnet, dass ihr Tod immer näher kam?
Bei meiner Mutter habe ich es z.B. so erlebt, dass sie sehr gut auf ihren Tod vorbereitet war. Sie hat ganz bewusst eine weitreichende Verfügung erlassen, was in welchem Fall noch medizinisch getan werden soll. Sie hat sogar ihre eigene Beisetzung bis ins Detail klar gehabt; sie hatte entschieden, dass sie in einem „Garten der Erinnerung“ beigesetzt werden wollte und vieles andere mehr.
Als dann aber der Augenblick ihres Todes kam, hat es mich sehr bewegt. Und auch heute, gut drei Jahre nach ihrem Tod, vermisse ich sie immer noch.
Warum ist die Beziehung zur eigenen Mutter so stark?
In den Tagen ihrer Beisetzung sagte mir jemand:
„Die eigene Mutter ist der einzige Menschen, den man am längsten kannte und die dich am längsten kannte. Ihr kanntet euch schon, da warst du noch nicht geboren. Schon vor der Geburt habt ihr eine Verbindung aufgenommen und gehabt. Diese Verbindung ist ganz einzigartig und kann durch keinen anderen Menschen irgendwie erreicht werden.“
Dieser Gedanke begleitet mich seitdem. Und ich kann wegen dieses Gedanken es sehr gut annehmen, dass meine Trauer um die Mutter auch jetzt noch irgendwie anders, intensiver ist, als bei anderen Menschen.