Heute Morgen fand ich in der Schriftlesung des Tages ein abschließendes Gebet, aus dem ich gerne zitieren möchte:
“Guter Gott, es fällt uns nicht immer leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. (…) Manchmal stellen wir uns auch die Frage, wie viel an Einsatz uns etwas wert ist oder ob wir doch lieber alles seinen gewohnten Gang gehen lassen (…). Steh du uns mit deinem Heiligen Geist bei, damit wir uns gestärkt spüren und frei handeln. Amen.” (Verfasser*in unbekannt, Quelle: TE DEUM, 12.2020, S. 185)
Dieses Gebet nimmt meines Erachtens genau die missliche Lage auf, in der sich momentan viele Seelsorger*innen befinden, die in diesen Tagen entscheiden müssen, ob nun Präsenzgottesdienste angeboten werden oder mindestens bis zum Ende des staatlichen Lockdowns ausgesetzt werden?
In dieser Phase befinde ich mich persönlich auch, da ich aus einer Gewissensentscheidung heraus die Durchführung von Präsenzgottesdienste für unverantwortlich halte.
Ich habe eine Entscheidung für mich getroffen, die in vielen Gesprächen mit Teamkollegen und Gottesdienstteilnehmer*innen gefallen ist.
Es gibt Entscheidungen, die wir uns nicht abnehmen lassen können, die wir nicht delegieren können und die auch andere für uns nicht entscheiden können, weil diese Entscheidungen zutiefst mit dem eigenen Gewissen verknüpft sind.
Und das Gewissen ist – wie auch kirchliche Dokumente (nicht zuletzt das II. Vatikanische Konzil sagt), die höchste Entscheidungsinstanz. Die höchste Urteilsinstanz aber ist Gott allein. Er schaut auf das Herz, erschaut auf unseren wirklichen Beweggründe und ob sie aus Liebe erwachsen sind.
Ich vertraue deshalb auf die gnädige Beurteilung Gottes. Und das macht mich innerlich frei, wenn auch nicht ohne Konflikt.
” … mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken …”
Impuls zum 30. Sonntag – Lesejahr A – 2020 – Bezugstext: Mt 22, 34 – 40
Wissen Sie eigentlich im Detail, welche Schutzregeln jetzt gerade wegen der Corona-Pandemie im öffentlichen Leben und auch hier in der Kirche gelten? —
Wenn ja, dann haben Sie in den letzten Tagen aufmerksam die Nachrichten aus der Kommune und seitens unseres Bistums und unserer Pfarrei verfolgen können.
Wenn nicht, dann bin ich mir sicher, dass Sie damit nicht allein sein.
Die Herausforderung unserer jetzigen Zeit ist, dass sich immer wieder Regelungen und Empfehlungen im Umgang mit der Corona-Pandemie ändern. Diese Änderungen sind der aktuellen Infektionslage aber auch der besseren wissenschaftlichen Erkenntnis im Umgang mit diesem Virus geschuldet.
Dennoch habe ich Verständnis dafür, dass viele Menschen das als verwirrend empfinden. Hingegen habe ich kein Verständnis dafür, dass manche dahinter irgendwelche Verschwörungen wittern oder diese gefährliche Pandemie mit einer gewöhnlichen Erklärungskrankheit gleichsetzen, wie ich es am vergangenen Donnerstag in einem Forum gelesen habe.
Neben diesen – gefühlt – sich ständig ändernden Schutzregelungen gegen Corona gibt es noch eine Fülle von Gesetzen und Regeln, die wir – so ganz nebenbei und unbewusst – ständig und tagtäglich in unserem Lebensalltag integrieren müssen. Das fängt schon bei den Verkehrsregeln an, die für alle VerkehrsteilnehmerInnen gelten. Das setzt sich fort bei unserem friedvollen gesellschaftlichen Zusammenleben.
Ich könnte Ihnen noch so viele Regeln skizzieren, die für uns ständig gelten und nach denen wir uns zu richten haben.
Welch eine Wohltat ist es dann, wenn wir heute im Evangelium hören, dass Jesus alle Glaubensregeln in diese Worte zusammenfasst:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Wow!
Das war es, liebe Schwestern und Brüder. Mehr brauchen wir als ChristInnen und Christen in der Nachfolge Christi eigentlich nicht ‚beherzigen‘. Ich sage ganz bewusst nicht: „Mehr brauchen wir nicht zu wissen!“
Denn bei den göttlichen Geboten geht es nicht allein darum, sie zu wissen und zu befolgen, sondern sie sich „zu Herzen zu nehmen“.
Das Herz ist der Sitz unserer Liebe. Wenn wir diese Gebote beherzigen oder uns „zu Herzen nehmen“, dann schauen wir auf sie mit Liebe und entdecken darin auch die Liebe Gottes zu uns Menschen.
Es geht also darum, diese wichtigen Gebote der Gottesliebe, der Nächstenliebe und der Selbstliebe gleichsam mit dem Herzen zu ‚lesen‘.
Wie befremdlich ist es dann, wenn es unter uns Christen immer noch welche gibt, die meinen, die Kirche müsste permanent, für alles und jeden bis ins Detail Regeln erlassen?
Alle kirchlichen Verhaltensregeln müssen sich mit der Aussage Jesu aus dem heutigen Evangelium überprüfen lassen und müssen damit in Einklang zu bringen sein. Die Kirche muss eben nicht alles ‚bis ins Schlafzimmer hinein‘ regeln. Es sollte vielmehr selbstverständlich sein, dass die Kirche immer die Regeln des guten Anstands, der Eigenverantwortung und der Freiheit der Kinder Gottes zu achten und zu schützen hat.
Wenn wir heute dieses Evangelium hören, dann darf dies für uns eine Ermutigung sein, sich mit unserem Verstand und unserem Herzen mit diesen Geboten zu beschäftigen und sie in unserer Leben zu integrieren.
Mit Herz und Verstand dieses dreifache Liebesgebot sich zu Herzen zu nehmen und sich zu eigen zu machen: Das ist eigentlich alles und zugleich so anspruchsvoll!
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“