15.08.2024

Meine Beiträge zum Thema „Long-Covid“ tragen nur noch das Datum. Warum? – Erkläre ich.



Anmerkung:
Zukünftig werde ich meine Beiträge zu Long-Covid nur noch mit einen Datum versehen.
Der Grund ist ganz einfach: mir fallen einfach keine signifikant unterscheidenden Überschriften ein.
Aber ich möchte weiter zwischendurch darüber schreiben.


Gestern, am 15.08. war ein richtig ‚guter‘ Tag für mich, denn ich habe mich richtig wohl gefühlt. Ich hatte das Gefühl, Energie zu haben. Meine Stimmung war dadurch aufgehellt und vielleicht auch etwas euphorisch. Diesen Tag wollte ich nutzen, denn so gut wie gestern ging es mir schon lange nicht mehr.

Natürlich hatte ich mir auch wieder einen Plan zurecht gelegt, denn ich will ja etwas tun, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.
Spontan erinnerte ich mich dann aber daran, dass es ja hier oder da noch die eine oder andere ‚Kleinigkeit‘ gibt, die ich dann auch noch erledigen könnte.
Spontane Planänderung in Richtung ‚Mehr‘. (Das muss ich mir hinter die Ohren schreiben; ist vielleicht nicht so eine gute Idee.)

Die Herausforderung im Nachhinein ist aber, dass man nicht ganz klar analysieren kann, was nun später zu den Folgen führen wird (von denen ich gleich auch berichten werde).

Vorgestern (14.08.)

Stutzig war ich ein wenig, dass es mir so gut ging, denn schon an dem Tag zuvor, ging es mir recht ordentlich und ich hatte einige Aktivitäten geplant:
Es war wieder Zeit, Müll zu entsorgen; Müll der Art, die man nur zur WBO (Wirtschaftsbetriebe Oberhausen – Städtischer Wertstoffhof) bringen kann, wie Elektromüll, Schrott, Behälter mit Schadstoffresten, wie Farben …!
Außerdem wollte ich an meinen Einsatzorten in beiden Krankenhäusern nach dem Rechten sehen: Blumen gießen, Kapelle inspizieren.
Ein bestelltes Buch sollte auch noch von der Buchhandlung abgeholt werden, was dort schon über eine Woche lag. Und Tanken war auch noch angesagt (da ich LPG tanke, liegt die Tankstelle etwas außerhalb und konnte gut in meiner kleinen ‚Rundreise‘ integriert werden).
[Dir als Lesender wird das sicherlich langweilig vorkommen, soviel Details zu lesen. Aber es ist wichtig zum Verständnis, wie sehr Long-Covid massiv auf den Alltag einwirkt.]
Die ganz alltäglichen Aktivitäten, die jeden Tag anfallen, will ich hier gar nicht extra nennen. Wobei es Menschen mit Long-Covid gibt, für die schon die alltäglichen Abläufe wie Morgentoilette und Körperpflege, Essen zubereiten, einfachste Haushaltsaufgaben zu viel sind. Gott-sei-Dank ist es bei mir nicht so. Und ich bin dafür wirklich sehr dankbar!

Detail einer Akupressurmatte, www.pixabay.com

Am Mittwoch bin ich dann also gegen 11.00 Uhr ins Auto gestiegen, nachdem ich es mit den Abfällen beladen hatte, und begann meine kleine ‚Rundreise‘ durch Oberhausen. Gegen 13.30 Uhr war ich wieder zurück, konnte noch gut Mittagessen vorbereiten und musste mich dann aber hinlegen. (Das ist nichts besonderes mehr und erwähne ich fast schon nicht mehr. Ich war aber so kaputt, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte.)
Nachmittags stand dann nicht mehr viel auf dem Programm, eher relaxen. Ich habe mir nach der Bettruhe wieder die Akupressurmatte geschnappt und mich gut 30 Minuten darauf gelegt. (An anderer Stelle werde ich extra berichten!) Danach habe ich ein Buch zu Hand genommen, das ich am Mittag aus der Buchhandlung abgeholt hatte. Der Titel: „Entschuldigen Sie bitte, dass ich störe,…“ von Dr. med Natalie Grams. Darin berichtet sie als Ärztin und betroffene Patientin über Long-Covid und ME/CFS. (Literaturhinweis am Ende.)

Diesen Mittwoch habe ich dann ganz gut überstanden. Abends dann die üblichen Einschlafstörungen, bei denen ich bis zu zwei Stunden, obwohl ich ‚hundemüde‘ bin, nicht einschlafen kann. Und dann nachts gut alle zwei Stunden wach werden, und erst nach einer Weile wieder einschlafen können.
Das nehme ich mittlerweile so hin, weil das schon fast die Regel ist (Durchschlafstörungen).
Ich bin schon dankbar, wenn die schlimmen Albträume mit dann nicht auch noch die Nacht vergällen.

Dann der gestrige Tag (15.8.):

Wie wohl habe ich mich da gefühlt!
Die Temperaturen am Morgen waren kühl. Ich habe mich auf meinen Balkon gesetzt und bei einer Tasse Kaffee in aller Ruhe die Laudes gebetet. (Ja, ich weiß, ein nicht ganz übliches Ritual für ein Gebet, aber ich genieße es … und ich hoffe, der HERR auch!)

Anschließend habe ich in aller Ruhe gefrühstückt und mich dann an die Arbeit gemacht: vor einigen Tagen wurde die Holzvertäfelung meiner Balkonbrüstung erneuert und der Maler hatte mir noch den Rest der Holzlasur da gelassen, damit ich auch den oberen Teil des Geländers streichen konnte. Das war ein Programmpunkt des gestrigen Tages. Nachdem also gegen späten Vormittag die Sonne heraus kam, machte ich mich ans Werk. Ich habe die Sonne genossen und fühlte mich gut, dass ich mal wieder etwas (produktives) tun konnte.
Wenn man oft erschöpft und schlapp ist, dann kann man es offenbar noch mehr genießen, wenn man was tun kann.
Danach wieder das Übliche: Mittagessen, sich hinlegen, Akupressurmatte.
Ich spürte immer noch etwas Energie in mir. ‚Dann kann ich ja noch etwas Wäsche machen, aufräumen, Akten und Unterlagen abheften….‘ – dachte ich mir und tat es auch. Eine Ladung in die Waschmaschine und eine Ladung in den Wäschetrockner. (sic! Mehr nicht!)
Bisschen stutzig war ich schon, dass mir das alles so gut ‚von der Hand ging‘. Am Abend saß ich wieder auf dem Balkon, hielt Schriftlesung, betete die Vesper, machte mir mein Abendbrot und hatte die innere Sehnsucht, einen Teil des Abends auf dem Balkon zu verbringen.
Die Luft war am Abend (gegen 20.00 Uhr) so schön frisch. Ein leichter Wind streichelte meine Haut. Es wurde leiser in der Nachbarschaft, ich hörte das leise Plätschern meines Solarbrunnens und genoss diesen Abend mit einem Glas gekühltem Lambrusco.

(c) Gerd Wittka, August 2024

Gegen 22.45 Uhr ging ich dann ins Bett, gut gelaunt, natürlich müde/abendliche Erschöpfung.
Ich machte vorher meinen Knieguss (nach S. Kneipp) und auch meine Einreibung mit Mischung aus ätherischem Lavendel- und Rosenöl in Olivenöl, was mir von meiner Long-Covid-Ambulanz empfohlen wurde.
Ich war wieder müde/erschöpft, konnte aber wieder nicht direkt einschlafen.
In dem Buch von Natalie Grams finde ich auch einen Hinweis auf dieses körperliche Phänomen. Es nennt sich ‚tired but wired‘, was bedeutet ‚müde aber aufgedreht‘.

Doch ich erkenne keinen Grund dafür, aufgedreht zu sein. Ich lege mich ins Bett, sehne mich danach endlich einschlafen zu können, aber es geht nicht: ich suche eine günstige Einschlafposition, drehe mich von die eine auf die andere Seite, habe das Gefühl, dass mir frische Luft gut tun könnte, reiße noch etwas mehr das Fenster auf, um dann nach einiger Zeit festzustellen, dass es mir doch zu laut und zu kühl ist, schließe wieder das Dachfenster bis auf die Lüftungsklappe, drehe mich zur anderen Seite, grabe mich in die Kissen ein, nehme eine dünnere Decke, dann gar keine, dann doch wieder die dünnere, schaue gefrustet auf die Uhr … um dann doch irgendwann einzuschlafen.
Gestern vergingen wieder gut 90 Minuten, bis ich das letzte Mal auf die Uhr schaute, und dann offenbar gut einschlief.

Doch die Nacht zu heute (16.8.) verlief dann gar nicht so gut: wirre Träume und um 2.30 Uhr war dann der ‚Ofen wieder aus‘, sprich: ich wurde wach und konnte nicht mehr einschlafen. Bis 4.00 Uhr tat ich kein Auge zu. Doch damit ich mich nicht noch emotional da hineinsteigerte, stand ich auf, setzte mich ins Wohnzimmer und schaute noch belanglose Beiträge im TV (an die ich mich aber auch nicht mehr erinnerte, weil ich wohl nicht voll da war!).
Gegen 4.00 Uhr versuchte ich dann wieder zu schlafen, was mir auch gelang und um 06.00 Uhr war ich dann wieder wach, bis ich dann von ca. 6.45 Uhr bis ca. 08.30 Uhr geschlafen habe. Ich fühlte mich schwer wie Blei, von nächtlicher Erholung keine Spur und ich brauchte gut eine halbe Stunde, um mich angestrengt aus dem Bett zu erheben.
Jetzt bin ich natürlich gefrustet, denn ich habe das Gefühl, wie unter einer Glocke zu leben. Ich bin wach aber doch nicht richtig wach.
Dennoch habe ich mich entschieden, schnell diese Zeilen zu schreiben, weil jetzt alles noch so frisch ist und ich auch meine Befindlichkeit gut nachspüren kann.

Ich bin ernüchtert, weil ich fast zwei Tage erlebt habe, wo ich subjektiv das Gefühl hatte, dass es mir richtig gut geht.
Natürlich weiß ich, dass ich im Vergleich zu gesunden Menschen meines Alters an beiden Tagen nicht übermäßig viel getan hatte. Aber für mich waren es zwei Tage guter Aktivität. Und ich war im Glauben, dass ich es gut schaffen konnte, ohne mich zu überfordern.
Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich muss abwarten, was der heutige Tag bringt und räume mir ein, wieder etwas weniger zu tun.

Was mich immer noch beruhigt, ist, dass ich noch immer gelassen damit umgehe.
Ja, ich bin arbeitsunfähig und kann es mir deshalb ‚erlauben‘ schlechte Nächte zu haben.
Denn wenn es mir heute über Tag mal wieder so schlecht geht, dass ich mich nur noch ins Bett legen kann, dann mache ich es.
Gut, dass ich diese Freiheit habe und gut, dass ich nach über sieben Monaten Long-Covid doch den Mut hatte, mich vom Doc ‚aus dem Verkehr ziehen zu lassen‘.


Literaturhinweis:

Dr. med. Natalie Grams, Entschuldigen Sie bitte, dass ich störe, aber wir müssen über Long-Covid und ME/CFS reden, Books on Demand GmbH, 2024, ISBN: 978-7597-6119-4, € 12,99


PS: Ich musste diesen Beitrag noch mal überarbeiten, denn ich habe logische Widersprüche entdeckt. Denken fällt manchmal auch schwer, besonders nach einer solch anstrengenden Nacht. Auch ein Symptom von Long-Covid.


Weiterführende Infos zu Long-Covid/Post-Covid für Betroffene und Angehörige in einer kurzen Übersicht:

https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/long-covid/hintergrund




Von ‚unsichtbaren‘ Krankheiten (1)

Seit über 25 Jahren leide ich am Reizdarm-Syndrom und seit über sieben Monaten am Post-Covid-Syndrom: zwei unsichtbare Krankheiten …



Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

… die für viele unsichtbar sind, aber mein Leben dominieren können.


„Nur, wem man die Krankheit ansieht, ist auch krank!“

Dieser provokante Satz ist nicht meine Überzeugung, sondern – leider – eher meine Einsicht, zu der ich in den letzten Jahren gelangt bin und die sich durch mein momentanes Post-Covid noch verstärkt hat.
Deshalb will ich darüber schreiben.

Hier konkrete Beispiele:

Foto: Gerd Wittka, September 2013

Als ich 2013 im September einen schweren Unfall hatte, mir einen Trümmerbruch im Wadenbein und einen Spiralbruch im Unterschenkel zuzog, ich daran operiert wurde, drei Wochen im Krankenhaus lag und noch einige Monate brauchte, um durch Physiotherapie buchstäblich wieder auf die Beine zu kommen, da wurde diese ‚Krankheit‘ in meinem Umfeld akzeptiert. Ich bekam viele Rückmeldungen und auch gute Genesungswünsche.

Symbolbild, Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

Als ich Ende 2019/Anfang 2020 an einer depressiven Episode erkrankte und fast sieben Monate arbeitsunfähig war, sah es ganz anders aus.
Es gab nur wenige Menschen, die nach mir fragten, die mir gute Besserung gewünscht haben.
Selbst aus dem beruflichem Umfeld gab es nur wenige Kolleg:innen, die sich nach mir erkundigten und mich ermutigten.
Besonders enttäuschend war, dass sich mein damaliger ‚Dienstvorgesetzter‘ nie von sich selber aus nach mir erkundigt hatte. Und wenn ich ihm über meine Verlängerung der AU per Email informierte kam von ihm allenfalls eine knappe Email mit „Gute Besserung!“ oder ähnlichen Plattitüden zurück.
Heute bin ich froh und dem Himmel dankbar, dass er seinen Platz als ‚Dienstvorgesetzter‘ geräumt hat; sonst hätte ich meinen Platz verlassen und unseren Bischof um Versetzung gebeten.

Dabei denke ich: wenn jemand so viele Monate ausfällt und nicht arbeitsfähig ist, ist dieser Menschen dann weniger schwer krank, als wenn er sich Gliedmaßen gebrochen hat?!

Aus diesem Grund habe ich den provokanten Satz am Anfang dieses Absatzes gewählt.

Und diese ‚Erkenntnis‘ deckt sich mit den Erfahrungen vieler Menschen, die ich in den letzten vierzehn Jahren in einer psychiatrischen Klinik seelsorglich begleiten durfte.

Psychisch krank zu sein, dass müsse irgendetwas mit einer schwachen Persönlichkeit zu tun haben.
Oder sie wird als mangelnde ‚Belastbarkeit‘ verstanden, die als negative Persönlichkeitseigenschaft gewertet wird. Aber psychisch krank zu sein, sei doch keine ‚richtige‘ Krankheit, die ebenso viel Empathie, Fürsorge und menschlichen Beistand erfordert, wie wenn man körperlich krank ist.

„Da reißt man sich eben halt mehr zusammen!“, denn: „Es ist ja nicht nur alles schwarz-weiß, man muss nicht alles so negativ sehen!“ und „Man muss sich nur mal einen Ruck geben!“, weil „… andere es ja auch schwer haben ….!“

Von solchen oder ähnlichen – wenig hilfreichen – Sätzen wissen gerade psychisch erkrankte Menschen zuhauf zu berichten!

Für Manche sind psychische Erkrankungen halt eher eine Charakterschwäche als eine ‚echte Krankheit‘!

Das bringt psychisch erkrankten Menschen noch zusätzliche Belastungen und Leiden!

Phasenweise – sichtbar – krank

Zu diesen Krankheiten, die wenig sichtbar sind und deshalb auch weniger wahr- und ernstgenommen werden, sind Erkrankungen, wo die Krankheit nur phasenweise ’sichtbar‘ wird.

Mittlerweile darf ich mit zwei unterschiedlichen Erkrankungen diese Erfahrung machen.

Das eine ist meine Reizdarmerkrankung, die ich schon seit über 25 Jahren habe und die meinen Alltag massiv prägt.
Ich weiß nie, ob und wann ich wieder diese fürchterlichen Darmkrämpfe bekomme, die mich noch vor einigen Jahren teilweise einen halben Tag ins Bett getrieben haben, verbunden mit unkontrollierbaren Stuhlgängen, die ich unter Schmerzen auf dem WC erleben musste.
Und dann diese Angst, irgendwo unterwegs zu sein und dann dringend ‚Müssen‘ zu müssen, aber kein WC in der Nähe zu haben.
Die Angst, sich buchstäblich ‚in die Hose zu machen‘ und der psychische Stress, der daraus entsteht.
Damit verbunden, immer wieder Einladungen, Begegnungen oder Unternehmungen nicht wahrzunehmen, weil da immer diese Angst vor irgendwelchen ‚Zwischenfällen‘ mitschwingt.

Da nutzt es dann wenig, wenn ich zu denen gehöre, die immer sehr früh wissen, wo es ein ‚öffentliches WC‘ gibt oder der sogar schon Apps auf seinem Smartphone hat, die öffentliche WC’s anzeigen und der dann – selber bei solchen Toiletten angekommen und sie auch benutzt – ‚Erfahrungsberichte‘ in diesen Apps postet, damit andere Leidensgenoss:innen auch immer auf dem aktuellen Stand sind und ggfs. nicht vor verschlossenen Türen stehen.

Wenn andere von diesem Leiden etwas mitbekommen, dann belastet mich das maximal.
Denn dann sehen sie es meinem Gesicht an, wie ich versuche, mit den Schmerzen zurecht zu kommen; oder wie ich durch die Krämpfe gekrümmt auf einem Stuhl oder im Sessel sitze; manchmal kann ich dann nur noch liegen, mit einer Bauchwickel gewappnet.
Oder wenn ich wimmernd vor Schmerzen auf dem Klo sitze und fürchte, dass jemand mein Wimmern mitbekommt.
Dann ist es für mich besonders schlimm.
Mit meinen RDS leide ich lieber allein, ungesehen und unbemerkt!

Beschwerdefrei hingegen, sieht man es mir nicht an:
Ich führe dann hochkonzentriert seelsorgliche Begleitungsgespräche, sitze in Sitzungen und protokolliere vielleicht sogar recht professionell die Sitzung oder stehe sehr souverän vor Menschen, wenn ich einen Gottesdienst leite.
Dann ist da keine Spur von dem sichtbar, was ich im Verborgenen erleide.

‚Kann dieser Mensch, der da so souverän auftritt und so zuverlässig und empathisch seine Arbeit machen kann, gleichzeitig gesundheitlich so eingeschränkt sein?!‘, werden sich manche fragen.

Deshalb wundert es mich nicht, dass Außenstehende meine Belastungen nicht immer gut nachvollziehen können.

Neu im Portfolio: Post-Covid

‚Fatigue‘ – Symbolbild, www.pixabay.com

Und jetzt habe ich seit über sieben Monaten eine neue solche ‚unsichtbare‘ Krankheit in meinem persönlichen Portfolio: Post-Covid!

Bei der Post-Covid-Diagnose handelt es sich – genau so wie beim Reizdarmsyndrom – um eine sogenannte ‚Ausschlussdiagnose‚.
Das bedeutet, dass die Symptome wie „Brainfog“, Konzentrations- und Sprechstörungen, Erschöpfung, Müdigkeit, Schwindel, Schlafstörungen oder -losigkeit, Fatigue, Atembeschwerden und viele andere Symptome, nicht von einer anderen Krankheit herrühren dürfen.
Dementsprechend musste ich verschiedene Fachärzte aufsuchen, von Pneumologen über Kardiologen, etc.!
Nun habe ich die Diagnose und bin damit aber nicht besser dran, weil es keine zuverlässigen Behandlungsmethoden und Therapien gibt, die empirisch eine signifikante Verbesserung oder gar Heilung in Aussicht stellen.
Die Forschung von Post-Covid und der Behandlung steckt noch in den ‚Kinderschuhen‘.

Nachdem ich mich sieben Monate mit den Beschwerden durch meinen beruflichen und privaten Alltag laviert habe und oft nur drei Stunden aktiv sein konnte, weil ich dann unter totaler Erschöpfung litt, musste nun die ‚Reißleine gezogen werden‘ und mein Arzt hat mich aus dem Verkehr gezogen.

Und so erlebe ich weiter die Höhen und Tiefen von Post-Covid.

Für mich habe ich entschieden, erst einmal nur noch meinen Gottesdienst samstags im Krankenhaus zu feiern, denn auch während der AU würde ich ja an einem Gottesdienst teilnehmen wollen.
Mit der Gottesdienstgemeinschaft habe ich den Deal gemacht, dass ich keinen großen Aufwand mit Predigtvorbereitungen etc. leisten könnte, ich aber den Gottesdienst anbieten würde, wenn sie damit einverstanden sind. Sie sind damit einverstanden und so gibt es dann schlichtere Gottesdienste, als man es von mir gewohnt ist.
In dieser Zeit während des Gottesdienstes merkt man mir mein Post-Covid auch wohl kaum an; manchmal verspreche ich mich etwas, weil mir die Konzentration schwer fällt, aber sonst?

Damit das so läuft, habe ich ja auch was dafür getan:
Vor dem Gottesdienst lege ich mich gut eine Stunde ins Bett, um für den Gottesdienst Kräfte zu sammeln.
Und wenn ich dann nach gut zweieinhalb Stunden wieder zuhause bin (mit Vor- und Nachbereitungszeit vor Ort!), dann bin ich wieder reif fürs Bett. Also lege ich mich dann wieder hin, manchmal auch nur auf die Couch.


PPP

… nein, ich habe mich nicht vertippt!
Die drei ‚P‘s, stehen für eine therapeutische Methode, mit der Menschen, die von Post-Covid betroffen sind, einen erträglichen Alltag ermöglichen könnte.

P(acing), P(lanning) und P(riority)

Bild von Nicolae Baltatescu auf Pixabay

Pacing

meint die sensible Wahrnehmung der eigenen Belastungsgrenzen. Wer seine Belastungsgrenzen kennt, kann mit dem ihn eigenem Tempo und Intensität an Aufgaben des Alltags herangehen.
Dabei sind die Belastungsgrenzen nicht statisch und deren Entwicklung geht auch nicht immer nur in eine Richtung -> aufwärts.
Belastungsgrenzen verändern sich in beide Richtungen, und was gestern noch meine Belastungsgrenze war, kann ich heute schon eine deutliche Überschreitung der gestrigen Grenze werden.
Die Folge ist, dass ich jeden Tag neu sensibel auf meine Kräfte schauen muss und nur ausprobieren kann, was gehen könnte.

Ein Beispiel von gestern und heute (19./20. Juni 2024)

Aus meinem Gesundheitstagebuch vom 19. Juni:

Von meinen Brüdern und anderen lieben Menschen, die mir nahestehen, bekam ich ermutigende Rückmeldung, die mich bestärkten.
Doch heute, am 20.06.2024 sieht mein Tagebucheintrag um 13.30 Uhr schon anders aus:

Das ist eine Pacing-Erfahrung, die mich vorsichtig machen kann, aber die mich auch ermutigt, situativ angepasst mit meinem Alltag umzugehen.

Planning

Bild von Pexels auf Pixabay

Aus den Erfahrungen anderer Tage und dem sensiblen Hinschauen der momentanen Verfassung kann ich dann gezielt meinen Alltag planen.
Ja, ich muss vorher mehr als sonst überlegen, was will ich an diesem Tag tun?
Wofür werden mir die Kräfte reichen?

Und wenn ich dann einen Wust von Aufgaben sehe, die ich eigentlich noch zu erledigen haben, muss ich den dritten Aspekt der „3-P’s“ berücksichtigen.

Priority

Foto von Brett Jordan auf Unsplash

Ich muss einfach Prioritäten setzen!
Habe ich in den letzten sieben Monaten die Priorität gesetzt, fit für meine Arbeit sein zu wollen, um dann am Tag drei maximal vier Stunden arbeiten zu können, bin ich nach sieben Monaten nun zu einer anderen Priorisierung gekommen:

Mein Leben – mein Leben und mein persönlicher Alltag mit all den Aufgaben, die ich auch bei mir privat zuhause zu erledigen habe -, kann nicht allein zugunsten der Priorität „Dienst“ hinten anstehen!
Mein Leben besteht nicht nur aus meinem Dienst, sondern auch aus anderen Erfordernissen und Aufgaben, die ich entweder erledigen muss (Haushaltsführung, wirtschaftliche Aktivitäten) oder dem dringenden Bedürfnis, zu einer ‚work-life-balance‘ zu kommen.

Das Wort: „Liebe deinen Nächsten, wie DICH selbst!“ ist gerade in solchen Situationen auch eine persönliche Herausforderung an mich als Seelsorger.
Ich kann nicht immer nur versuchen, diese christliche Sichtweise anderen näher zu bringen. Dieses Gebot gilt auch für mich selber!

Wenn ich davon überzeugt bin, muss ich versuchen, es in meinem eigenen Leben zu beherzigen.


Für heute möchte ich mit diesen Zeilen erst einmal Schluss machen, weil ich spüre, dass ich wieder Grenzen erreiche.

Ich möchte mit diesen Zeilen auf das Thema: ‚unsichtbare Krankheiten‘ hinweisen, die zwar schon medizinisch erkannt und diagnostiziert, aber vom Umfeld der Erkrankten nicht oder nur kaum wahr- und ernst genommen werden.

Später mehr dazu …!




Post-Covid: Crash

‚Crash‘, so nennt man es, wenn man sich während Post-Covid überfordert und dann die Quittung erhält.



Das habe ich wohl gestern erlebt, als ich mir vorgenommen habe, zum „Tag der pastoralen Dienste“ des Bistums Essen zu fahren.

Ja, ich hatte mir schon die Option freigehalten, früher von dort wieder weg zu gehen, was ich auch getan habe. Doch leider bin ich nicht früh genug gegangen.

Der Grund liegt auf der Hand:
Dieser „Tag der pastoralen Dienste“ war einfach zu interessant.
Ausgehend vom „Haus der Veränderungen“ haben wir uns ausgetauscht über die vielen Fragen und Phänomene, die uns bei Veränderungsprozessen begegnen können.
Die Begegnung mit Kolleginnen und Kollegen fand ich so inspirierend, dass ich mich dazu durchgerungen haben, auch noch bei der zweiten Arbeitsgruppe zu bleiben.
Danach ging es wieder ins Plenum. Doch bevor es anfing, merkte ich, wie meine Konzentration schlechter wurde, der ganze Körper müde und irgendwie schwerer wurde. So entschied ich, doch schon zu fahren, denn es lag ja noch der Heimweg mit dem Auto vor mir und das während der ‚rush hour‘.
Bevor ich zum Auto ging, noch kurz zur Toilette. Dafür ein paar Treppen in das Untergeschoss. Da merkte ich schon leichte Schwindelanfälle.
Für mich ein klares Zeichen: jetzt wird es höchste Zeit, zu gehen.

Einmal im Auto gesessen, ging es mit der Autofahrt. Ich hatte mir vorgenommen, es entspannt angehen zu lassen, mich nicht treiben oder stressen zu lassen: ‚Du hast keine Eile!‘, schoss es mir durch den Kopf.
So ging die Autofahrt noch recht gut und ich konnte noch einen Zwischenstopp beim Johanniter-Krankenhaus einrichten, um dort Unterlagen für heute zu sichten.
Als ich dann gegen 17.00 Uhr zuhause war, ging gar nichts mehr.
Ich war erschöpft und kraftlos, konnte mich kaum auf den Beinen halten.

Also legte ich mich ins Bett, fühlte mich schwer wie Blei; doch einschlafen konnte ich nicht. Ich bleib eine Stunde lang liegen, quälte mich dann aus dem Bett.
Aber ich war bis ich dann gegen 22.00 Uhr ins Bett ging, nicht fähig, irgendetwas Produktives zu tun.

Heute, am Mittwoch Morgen, fühle ich mich zwar nicht schlapp, aber ausgepowert und habe nur den Wunsch, diesen Tage irgendwie gut zu überstehen!


Alle Bilder: Gerd Wittka mit Hilfe von KI