Selbstgerechtigkeit

“Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.” (Lk 18, 6f)

Predigt zum 30. Sonntag – C – 2019 (27.10.2019)

Textbezug: Lukas 18, 9 – 14
siehe auch: https://www.bibleserver.com/EU/Lukas18,9-14

Liebe Gottesdienstgemeinde,

morgen geht die dreiwöchige sogenannte Amazonas-Synode in Rom zu Ende.

Symbolbild, Foto: sabetheli, www.pixabay.com

Haben Sie davon gehört?
Hier wurde beraten, wie die Kirche in Amazonien neue Wege in die Zukunft gehen kann.
Das Motto lautet: „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“.
Ein Thema war auch, wie die Seelsorge in einem riesigen und schwer zugänglichen Gebiet gesichert werden kann.
Zu diesem Themenkomplex gehört auch die Frage der Priesterweihe von verheirateten Männern, aber auch die Zulassung von Frauen zur Diakonen-Weihe.

Dabei sind sich viele darüber einige, dass die Fragen der Kirche in Amazonien in vielen Teilen deckungsgleich sind mit den Fragen der Kirche im Rest der Welt.
So wären also Antworten hinsichtlich verheirateter Männer zum Priesteramt oder das Diakonat der Frau auch für die gesamte Weltkirche von Bedeutung.



Derweil zieht in Deutschland die Aktion „Maria 2.0“ immer größere Kreise. Was als Fraueninitiative begonnen hat, erreicht mehr Zustimmung auch bei Männern in der Kirche. Selbst Bischöfe äußern sich mehrheitlich verständnisvoll und unterstützen teilweise die Anliegen von Maria 2.0.
Plakativ ausgedrückt geht es dieser Aktion um die Frage nach der Rolle und nach den Rechten der Frau innerhalb der katholischen Kirche. Hier geht es nicht nur – zwar auch – um die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern, sondern um eine Gleichberechtigung der Frauen gegenüber den Männern in der Kirche.
Ein Kirchenstreik im Frühjahr hatte dabei große Aufmerksamkeit gefunden, als Frauen eine Woche lang keine Kirche betraten und auch eine Woche lang ihr ehrenamtliches Engagement in der Kirche niederlegten.

Diese beiden aktuellen kirchenpolitischen Ereignisse und die Frage des Umgangs der Kirche im Missbrauchsskandal führt zu vielfältigen Diskussionen in den unterschiedlichsten Kreisen.
In den verschiedenen Medien bis in die sogenannten sozialen Medien gibt es viele Diskussionen um diese Themen.

Und hier bei uns in der Pfarrei?

Nu: in Teilen unserer Pfarrei werden Antworten gesucht, wenn es z.B. darum geht, wie das Votum des Pfarreientwicklungsprozesses (kurz „PEP“ genannt) konkret umgesetzt werden muss?
Dabei geht es mitunter auch sehr kontrovers zu.

Aber ansonsten habe ich persönlich den Eindruck, dass die gerade skizzierten Fragen z.B. über die Rolle der Frau in der Kirche bei uns in der Pfarrei wenig bis gar nicht vorkommen.

Nur heute Morgen fand – auf Stadtebene – ein ‚gesellschaftspolitisches Frauengespräch‘ statt. Aber auch dort ging es ganz allgemein um die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft. Doch welche Rolle die Frau in der Kirche spielt und auch zukünftig spielen kann, scheint bei uns hier kein Thema zu sein.

Und noch etwas anderes kann man beobachten.

Foto: prettysleepy1/www.pixabay.com

Da, wo die Themen: Zölibat, Zulassung von Verheirateten zum Priesteramt, Diakonen- oder Priesteramt der Frau diskutiert werden, melden sich auch gleich jene zu Wort, die strikt und massiv dagegen sind.
Sie begründen ihre Haltung damit, dass die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern nicht mit dem Willen Jesu übereinstimme;
dass das gegen die Lehre der Kirche stünde;
dass das die Kirche spalten würde.

Manche, die gegen jegliche Veränderung in dieser Hinsicht in der Kirche kämpfen, scheuen sich sogar nicht davor, den anderen vorzuhalten, sie stünden nicht mehr in der Gemeinschaft der katholischen Kirche als Weltkirche; sie seien „nicht mehr katholisch“, sie wollten die Kirche ruinieren.
Diese ganzen Diskussionen hätten nur den Zweck, sich dem Zeitgeist anzupassen, und Frauen, die die Zulassung zu den Weiheämtern fordern „ginge es ja nur um die Macht“.

Ihre eigene Haltung sehen sie hingegen als die einzige Möglichkeit an, wie die Zukunft der katholischen Kirche dauerhaft retten könne.

In dieser Diskussion kann man also sehr leicht eine Einteilung entdecken: „Wir hier!“ und „Die da!“

Die am Bisherigen festhalten wollen, verstehen sich oftmals als jene, denen es wirklich um die katholische Kirche ginge, während es den anderen nur darum ginge, zu spalten.

Kontoverse und Dialog

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist gar nicht schlimm, dass es auch in unserer Kirche unterschiedliche Positionen gibt.
Es ist nicht schlimm, dass es jene gibt, die meinen, die bestehenden Verhältnisse in der Kirche wären zukunftsfähig, während es auch jene gibt, die die entgegengesetzte Meinung vertreten.

Bild von Iván Tamás auf Pixabay

Schlimm wird es nur, wenn eine Seite beginnt, der anderen ihre Rechtgläubigkeit, ihre Katholizität absprechen zu wollen.
Schlimm wird es, wenn man jene, die ebenfalls aus christlicher Überzeugung und aus Liebe zur Kirche nach neuen Wegen suchen.

Schlimm wird es erst recht, wenn die einen meinen, ihre Ansicht sei rechtgläubiger und entspräche mehr der Katholizität, als die Haltung der anderen.
Dann fehlt es nicht viel und wir sprechen wieder lautstark von „Ketzern“, „Häretikern“ und „Abtrünnigen“, und dies nur, um jene, die eine andere Ansicht habe, zu diskreditieren.

Wenn ich dann das heutige Evangelium lese, habe ich den Eindruck, dass das, was Jesus da kritisiert, gar nicht so weit entfernt ist von dem, wie wir heute manchmal in der katholischen Kirche miteinander umgehen.

• Anstatt andere zu diskreditieren, sollten wir lieber offen und tabulos diskutieren.

• Anstatt andere mundtot machen zu wollen, sollten wir lieber miteinander ins Gespräch kommen.

• Anstatt andere zu verteufeln, sollten wir lieber unsere Ebenbildlichkeit Gottes im anderen suchen und erkennen.

• Anstatt zu meinen, dass wir die Kirche verteidigen und retten müssten, sollten wir uns lieber daran erinnern, dass es immer noch die Kirche Jesu Christi ist, zu der er selbst uns berufen hat, und der er zugesagt hat, sie durch den Heiligen Geist zu leiten, bis zu seiner Wiederkunft.

• Anstatt unsere vermeintliche Rechtgläubigkeit vor uns herzutragen, sollten wir in aller Bescheidenheit dankbar sein, dass wir zu Christus gehören, der uns gesandt hat, SEINE frohe und befreiende Botschaft in die Welt zu tragen und den Menschen von heute verständlich zu machen.

Denn nicht aus eigenem Vermögen oder weil wir so toll sind, sondern aus Gnade und göttlicher Berufung sind wir Teil seines mystischen Leibes, der Kirche.




Welttag der geistlichen Berufe – Predigt

Bayerischer Rundfunk – Meldung:
08.05.2019, 15:26 Uhr
„Papst: Keine schnelle Entscheidung beim Diakonat der Frau
Eine schnelle Entscheidung zur Einführung eines Frauendiakonats in der Katholischen Kirche wird es so bald nicht geben. Das bestätigte Franziskus auf dem Rückflug von seiner dreitägigen Balkan-Reise gegenüber mitreisenden Journalisten.
Die von ihm eingesetzte Kommission, die seit zweieinhalb Jahren den kirchengeschichtlichen Hintergrund aufklären sollte, habe ihre Arbeit beendet, sei aber nicht in allen wichtigen Punkten zu einer einheitlichen Sichtweise gekommen….“

(zitiert nach: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/papst-katholische-frauen-werden-nicht-so-bald-diakonin,RPrXJi4 )

Bild von Andrys Stienstra auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,

ich sehe schon wieder die enttäuschten Gesichter derer vor mir, die sich möglichst schnell und kurzfristig eine Entscheidung des Papstes für das Diakonenamt der Frau in unserer Kirche gewünscht hätten.

Die Frage nach der Zulassung zum Weiheamt in unserer Kirche wird seit Jahrzehnten diskutiert und hat durch das „Basta“ von Papst Johannes Paul II. nur eine kurzfristige Abschwächung erlebt.
Aber in den letzten Monaten brandet dieses Diskussion wieder auf. Und selbst Bischöfe kommen aus ihren Büschen und wagen vorsichtig zustimmende Äußerungen in den Fragen, sei es die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt oder die Abschaffung des Pflicht-Zölibates oder die Zulassung der Frauen zu Diakonen- und sogar Priesteramt.



Und ja, ich wäre einer der Ersten mit, der sich über Veränderungen in diesem Bereich freuen würde. Ich würde mich über verheiratete Priester genauso freuen wie über Frauen im Diakoninnen- und Priesterinnen-Amt.
Ich bin aber nicht dafür, nur weil wir „so wenig Priesternachwuchs“ haben.

Diese „5.-Rad-am-Wagen-Mentalität“ in unserer Kirche muss aufhören. Das habe ich schon damals kritisiert, als es um die Frage der Messdienerinnen ging und das kritisiere ich auch heute wieder.

Was ist das für eine Haltung?! – Damit wird keine grundsätzliche Wertschätzung zum Ausdruck gebracht!

Apropos ‚Wertschätzung‘!
Die Frage nach der mangelnden Wertschätzung dürfen wir auch für andere kirchlichen Ämter in den Blick nehmen.
Noch immer gilt der Dienst eines Priesters – sei es bei Taufe, Trauung oder Beerdigung – mehr als der Dienst eines Diakons oder einer Gemeindereferentin oder eines Pastoralreferenten.

Noch immer gibt es Menschen, die die Kommunion in der Eucharistie lieber ‚aus der Hand eines Priesters‘ als aus der Hand einer Kommunionhelferin empfangen.
Da muss man sich doch an den Kopf fassen:
Geht es etwa um meine – diese – Hände hier?
Oder geht es um den Herrn, der in der Form des geweihten Brotes uns allen in die Hände gegeben wird und der zu uns allen gleichermaßen kommen will?!

Wir können also nicht nur eine mangelnde Wertschätzung ‚von oben‘ sondern auch ‚von unten‘ erkennen und beklagen.

Dabei gibt es so viele gute und kompetente Kolleginnen und Kollegen in den verschiedensten Diensten und kirchlichen Berufen, deren Einsatz ich nicht missen möchte, die ich sehr schätze und die ich als eine unschätzbare Bereicherung empfinde.
Aber die Frage nach den Zulassung zu den Weihämtern oder die Frage, welche Aufgaben auch Kolleginnen und Kollegen im Verkündigungsdienst ohne Weihe übernehmen können, ist doch nicht alles entscheidend.

Ich denke da an so manche Situation, in der jemand beklagte, dass die Zahlen der Priester immer weiter zurück gehe.
Im Gegenzug frage ich dann meistens: „Wieviele Priester sind denn aus Ihrer Familie hervorgegangen?“ oder: „Welcher Ihrer Söhne interessiert sich denn für den Priesterberuf?“

Sie können es sich denken: da ist dann meistens Schweigen-im-Walde!

Und genau das ist es, was mich seit Jahren umtreibt:
Wie sieht es bei uns in der Gemeinde, in der Pfarrei aus mit der Atmosphäre, in der geistliche Berufungen wachsen, gefördert und erkannt werden können?

Wie sieht es damit aus, zu begreifen, unter welchen erschwerten Bedingungen heute sich jemand zum priesterlichen Dienst entscheiden muss?

Vor fünfundzwanzig Jahren, als ich zum Priester geweiht wurde, sahen meine Perspektiven noch ganz anders aus.
Hätte ich damals gewusst, was heute auf mich und uns allen im Verkündigungsdienst zugekommen ist, ich hätte meine Entscheidung von ganz anderen Faktoren und Überlegungen abhängig machen müssen.
Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht wieder dazu entschieden hätte.

Heute glaube ich; ich hätte mich wieder dazu entschieden.

Und ich möchte Ihnen auch sagen warum:
• Nicht, weil die Kirche ein so toller Arbeitgeber ist;
• nicht, weil es mir die Menschen in den verschiedenen Gemeinden immer so leicht gemacht haben (wobei es viele gab, die mich gestärkt haben), …

… sondern allein weil ich damals eine Berufung von Christus her gespürt habe und von der ich mich auch heute – mal mehr und mal weniger – getragen fühle.

Heute, am Weltgebetstag um geistliche Berufungen, geht es für mich allein um die entscheidende Frage:

Wo und wie können Menschen heute noch gefördert, ermutigt und bestärkt werden, eine echte, lebendige, tiefgreifende Christusfreundschaft zu entwickeln?

Und allein daraus, wird dann der oder die Einzelne für sich erkennen, wohin ihr/sein Weg geht und wozu er/sie berufen ist:

  • ob zum Dienst in einem Weiheamt oder
  • zu einem Leben im Orden oder
  • zum Verkündigungsdienst ohne Weihe
    aber auch
  • zu einem ehrenamtlichen Dienst der Verkündigung und der Gemeindeleitung und nicht zuletzt auch
  • zu einem Leben in einer christlichen Partnerschaft oder Familie.

Eine liebe Kollegin, eine Gemeindereferentin in der Krankenhaus-Seelsorge, hat in einem geistlichen Wort zu den Pfarrnachrichten ihrer Pfarrei an diesem Sonntag geschrieben:

„Es gilt, füreinander zu sorgen und beim Anderen Fähigkeiten und Talente zu entdecken. In unserem Alltag mit Hektik und Lärm fällt es uns nicht immer leicht, Christus und seinen Ruf zu vernehmen. Eher in der Stille sind wir empfänglich für die Frage: Was ist der Ruf an mich?
Die Berufung des Menschen ist ein Geheimnis, das in der Tiefe seiner Person verborgen ist. Jugendliche und Kinder und auch wir Erwachsene brauchen Offenheit und Vertrauen und sogenannte Türöffner, die uns zum Beispiel in einem Gespräch helfen, den Sinn und die uns gestellte Lebensaufgabe (neu) zu entdecken, die Aufgabe, die uns „voll macht“, damit wir „Leben in Fülle“ haben.“

(aus: Dorothea Bertz, Ruf- Beruf – Berufung, Pfarrnachrichten St. Marien, Oberhausen, Nr. 9/2019 vom 12.05.2019)

Sie hat – meiner Meinung nach – so Recht!