Im heutigen Tagesevangelium findet sich das Wort aus dem Johannes-Evangelium 3,21:
Wer die Wahrheit tut, der kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.
Joh 3,21
Dieses Wort hat – angesichts des Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine – einen ganz aktuellen Bezug.
Denn wir wissen: im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst!
Dieses zu erkennen, kann uns helfen, kritischer mit den Meldungen umzugehen, die uns tagtäglich erreichen.
Denn schon allein solche Meldungen sind dazu da, um uns zu manipulieren. Sie sollen uns dazu bringen, für die Absicht derer vereinnahmt zu werden, die sich selber einen Vorteil dadurch verschaffen wollen.
Das Wort aus dem heutigen Evangelium nehme ich gerne mit in den Tag, damit es mich schärft in meinem Umgang mit Meldungen und Nachrichten. Sie lassen mich eine kritischere Haltung einnehmen, ohne aber den Anspruch zu verlieren, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.
Und das Wort weist natürlich auch auf mich selber zurück:
Wie ist mein eigener Umgang mit der Wahrheit?
Auf welcher Seite möchte ich stehen?
Was sind die Absichten, wenn ich ‚Meldungen‘ verbreite?
Wie kann ich mir eine kritische und zugleich wertschätzende Distanz bewahren zu dem, was ich an Dingen und Nachrichten erfahre?
Religiöser Missbrauch
Der Fall Putin
In einer groß inszenierten Propagandaveranstaltung zum Jahrestag der Annexion der Krim hat Putin eine Rede gehalten, in der er auch Bezug zu einer Bibelstelle benutzt hat. Er missbrauchte darin zur Begründung der Annexion folgende Bibelstelle:
„Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“
Johannes-Evangelium 15,13
Ich möchte hier nicht auf den inhaltlichen Teil eingehen, sondern darauf hinweisen, dass Putin hier eine Propaganda entfacht, die auch schon andere Kriegstreiber vor ihm immer wieder angewendet haben:
Die religiöse Überhöhung menschenmordender Verbrechen
Dabei handelt es sich um einen schon fast ‚klassischen‘ Missbrauch der Religion und hier um den Missbrauch des Christentums.
Dieser Missbrauch ist – aus der Sicht Putins – nur die logische Fortsetzung eines Bündnisses zwischen der russisch-orthodoxen Kirche in Russland und ihm als Staatspräsident. Putin geriert sich sei einigen Jahren immer mehr als ein Präsident, der eine vermeintlich Nähe zum Christentum zeigt. Wenn alle Kameras laufen, bekreuzigt er sich, küsst Kreuze oder orthoxe Ikonen.
Natürlich kann man als Aussenstehender nicht beurteilen, ob und inwieweit wirklich jemand Christ:in ist. Aber man kann sich ein Bild darüber machen, wie jemand mit dem Christentum umgeht.
Und da steht Putin in der Reihe jener Potentaten, die bewusst die Religion für ihre eigene Macht einsetzen.
Dabei ist die Botschaft Jesu Christi aber im Kern auch eine Botschaft der weltlichen Machtlosigkeit:
Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.
Johannes 18,36
Dieser Einsatz des Religiösen, des Christentums für eigene weltliche Machtansprüche stellt daher für mich – wie leider in vielen anderen Fällen auch – einen Missbrauch des Christentums dar!
Leider sind aber viele religiöse Menschen selber noch nicht so weit und so eigenständig in ihrer religiösen Reflexion, dass sie dieses Propagandainstrument als solches erkennen/durchschauen und deshalb Putin und Konsorten bejubeln, wenn sie zu diesen perfiden Methoden ihres Machterhalt greifen.
Deshalb trifft die Schuld daran, wenn so ein religiöser Missbrauch letztendlich auch ein Kampf gegen den christlichen Friedensgedanken ist, nicht nur Putin selbst und persönlich, sondern auch die russisch-orthodoxe Kirche – hier zuvorderst den Moskauer Patriarchen Kyrill – und alle, die sich zu willfährigen Werkzeugen einer solchen Propaganda machen lassen!
Mich wundert es, dass Christen in aller Welt gegen diesen Missbrauch ihrer eigenen Religion sich nicht deutlicher positionieren.
Mich verletzt jedenfalls solche missbräuchliche Instrumentalisierung des Christentums zutiefst in meinen religiösen Gefühlen.
Auch auf uns selber zeigen einige Finger …
Es zeigt mir aber auch zugleich, dass wir als Christ:innen in aller Welt uns noch viel stärker dafür einsetzen müssen, dass lebendiges und verantwortliches Christentum immer auch persönlich reflektiertes und selbstkritisches Christentum ist. Und wir sehen auch hierzulande in den verschiedenen Bewegungen, den reformatorischen Prozessen und dem damit verbundenen Konfliktpotential, wie wichtig persönliches Christentum ist, dass immer auch selbstverantwortlich ist, damit es zumindest weniger missbraucht werden kann.