Schwarze Nacht
Was heute, am 20.01.2022, durch das sogenannte „Münchener Gutachten“ an Fehlverhalten in meiner Kirche zutage tritt, auch insbesondere der Umgang des Papst em. Benedikt XVI., alias Joseph Kard. Ratzinger (seinerzeit Erzbischof von München-Freising), dass kann ich – voller Erschütterung – nicht anders benennen, als „Schwarze Nacht“.
Dieses Gutachten bestätigt das System der Vertuschung und auch noch die offenbare Realitätsverzerrung oder den Realitätsverlust von kirchlichen Würdenträgern auch bei der Frage, was „sexualisierte Gewalt“ bzw. „sexueller Missbrauch“ ist.
Das Gutachten, so Berichterstatter, verwendet nicht das Wort „Lüge“, aber macht deutlich, dass offenbar auch heute noch die früheren Verantwortungsträger weiterhin die Wahrheit leugnen und sie abstreiten.
Als Bild zu diesem Beitrag habe ich ein dunkles Bild gewählt, aber mit einem hellen Spalt einer sich öffnenden Tür.
Ja, ich bin sprachlos – bisweilen verzweifelt – aber in erster Linie daran, was den Opfern und Betroffenen an unsäglichem Leid weiter zugemutet wird!
Allein aus deren Sicht muss die Frage gestellt werden, wie es weiter gehen kann?
Der öffentliche Druck trägt sicherlich einen großen Teil dazu bei, dass Vieles nun in der Öffentlichkeit und auch in der Kirche sichtbar wird und diskutiert wird.
Eine Vielzahl von Katholik:innen verlassen aber auch die Kirche – wer würde es ihnen verdenken können.
Matthias Katsch, der Sprecher der Opfer-Initiative „Eckigen Tisch“ hat heute bei Phönix TV im Tagesgespräch einen wichtigen Aspekt benannt, warum die hohen Austrittszahlen in der Kirche aber auch kontraproduktiv sein könnten.
Hören wir da mal rein:
Das ist nämlich die Crux, dass die Kräfte, die in der Kirche – aufgrund ihrer berechtigten kritischen Haltung – von innen heraus die Flammen für nötige Veränderungen brennen lassen könnten – diesen Flammen den Sauerstoff nehmen, damit von innen her sich auch was bewegt.
Ich weiß von einigen Menschen, die bereit sind, trotz allen Leidens an und in der Kirche, dabei zu bleiben und von innen her an einer Veränderung zu arbeiten.
Solche Menschen brauchen wir; solche Menschen brauche auch ich, als amtlicher Vertreter meiner Kirche.
Ich würde gerne alle jene bitten, die überlegen zu gehen, ob sie nicht vielleicht doch bleiben können?
Ich möchte sie gerne ermutigen: vernetzt euch mit Euresgleichen, vernetzen wir uns untereinander und sehen diesen inneren Kampf auch als eine Herausforderung unseres Glaubens an.
Denn ich bin davon überzeugt, wer sich in dieser Frage auf die Seite der Opfer stellt, an dessen Seite steht Christus selber.
Haben wir den Mut, in Christi Namen diesen Weg der inneren Erneuerung und Reformation zu gehen?!
Nachtrag vom 20.01.2022, 19.48 Uhr:
Das ganze Gutachten ist auch online gestellt und kann heruntergeladen werden.
Besonders lesenswert ist für unser Bistum Essen der „Sonderband Fall H.“ in diesem Gutachten. Aber hier ist ein ganz dicker „TRIGGER“-Vermerk angebracht. Für Betroffene und Opfer sicherlich unerträglich zu lesen.
https://westpfahl-spilker.de/wp-content/uploads/2022/01/WSW-Gutachten-Erzdioezese-Muenchen-und-Freising-vom-20.-Januar-2022.pdf
Über drei Stunden lang habe ich das Gutachten studiert, insbesondere den Sonderband zu dem Essener Priester H.!
Es zeigt, wie sich damals Verantwortliche verhalten haben; es zeigt aber auch, wie damals Verantwortliche sich heute dazu noch positionieren.
Ein besonderes Schlaglicht liegt natürlich auch auf den damaligen Erzbischof von München-Freising, Kard. Joseph Ratzinger, nachfolgend Benedikt XVI.!
Er kommt nicht gut weg. Seine Einlassungen sind für mich nicht wirklich glaubwürdig, er widerspricht sich und macht Ausflüchte formaler Art.
Mir hat dieser Sonderband aber auch gezeigt, dass ab 2010 das Bistum Essen und auch unser Bischof eine klare Linie gefahren haben; dass es zum Beispiel darum ging, den Priester H. aus dem Klerikerstand zu entlassen, was aber leider wegen Formalitäten von Rom aus verhindert wurde.