„LSBTIQ* willkommen!“

Zum „Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit“ (IDAHOBIT) am 17. Mai

Das Queere Netzwerk NRW hat in diesem Jahr zum „Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit“ (IDAHOBIT) Communities und Verbündete aufgerufen, ein Zeichen für LSBTIQ*-freundliche Orte und Institutionen (und damit gegen alle Formen der Queerfeindlichkeit) zu setzen.



Collage: Victoria Duckscheidt

Über die Vermittlung des Bistums Essen wurde ich angefragt, ob ich mit anderen Personen aus unserer Pfarrei ein solches Willkommens-Zeichen setzen möchte.
Ich arbeite seit Mitte der 1990er Jahre in einer kirchlichen HIV-Beratungsstelle und bin seit 2019 von unserem Bischof gebeten worden, als röm.-katholischer Partner beim ökumenischen Gottesdienst zum ‚RuhrPride Essen'(CSD) mitzuwirken.

Recht spontan haben sich auf Initiative von Pastoralreferentin Tabea Diek und mir einige Personen aus der Pfarrei gefunden (die Ehepaare Iris und Carsten E. und Malte und Andreas G.; sowie Stephan B., Egbert P., Tabea Diek mit Benjamin und Samuel, sowie Martina D. mit Victoria D. und Vincent D. und Gerd Wittka), mit einer Fotosession ein Zeichen gegen Queerfeindlichkeit zu setzen.

Foto: (c) Gerd Wittka, 2021

Die Fotos entstanden auf dem Außengelände der Gemeindekirche St. Barbara in Oberhausen-Königshardt, welche zur Propsteipfarrei St. Clemens, Oberhausen-Sterkrade gehört.

Eintreten für das, was eine Selbstverständlichkeit ist

Damit unterstreichen sie, dass das Diskriminierungsverbot – schon im Grundgesetz verankert – auch eine Verpflichtung für die eigene Kirche ist und deshalb eine echte, aufrichtige und herzliche Willkommenskultur für ‚Queerpeople‘ in unseren Kirchen, Pfarreien, Gemeinden und Verbänden selbstverständlich sein muss.

Gerd Wittka vor der „Regenbogen-Madonna“ von Mika Springwald -Foto: (c) Gerd Wittka

Diese Aktion wirbt sowohl nach außen, verweist jedoch mindestens genauso in die eigene Kirche; denn auch hier muss eine queere Willkommenskultur, die auf Achtung und Respekt beruht und jeglicher Diskriminierung eine Absage erteilt, weiter ausgebaut und kultiviert werden.

Die in vielen Pfarreien stattgefundenen Partnerschaftssegnungen für Menschen verschiedener Sexualitäten ist in diesen Tagen ein Baustein für eine solche Veränderung der queeren Willkommenskultur in unserer Kirche.


Noch ein Text von Vicky, den sie mir gestern nach unserer Aktion zugeschickt hat und den ich hier veröffentlichen darf!
Danke, Vicky!

Homophobie

Ist die Welt für manche Menschen wirklich so schwarz weiß, dass es nicht in Ordnung ist, wenn gleichgeschlechtliche Paare auf der Straße rumlaufen?
Warum wird Religion genutzt um gegen Homosexualität zu argumentieren, wenn es Gott am meisten darum geht, dass wir uns lieben?

Niemand sucht sich aus, in wen er sich verliebt. Ob Mann, Frau oder kein Geschlecht, das suche nicht ich mir aus, sondern mein Herz.
Liebe ist Liebe und im 21. Jahrhundert sollte das toleriert werden.
Niemand zwingt dich dazu diese Menschen anzustarren oder ähnliches. Genauso, wie dies niemand bei heterosexuellen Paaren macht.
Es ist genauso „normal“.
Denn es ist genau das gleiche.
LIEBE
Egal ob Mann und Frau, Frau und Frau oder Mann und Mann!

( © Victoria Duckscheidt, Oberhausen, 2021)

Danke an alle fürs Mitmachen!

Es war eine tolle Aktion. Und ich durfte in diesen Tagen einige Gespräche führen, die gezeigt haben, dass solche Themen auch in unserer Pfarrei akut sind und manche Leute es nicht hinnehmen, dass es dafür so wenig Raum gibt!




Sexualität und Spiritualität

“ … und diese Liebe auch …“

Quelle: unsplash.com

Am 29. Mai 2003 – also vor gut 18 Jahren – habe ich auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Kirche (HuK) im Rahmen des 1. Ökumenischen Kirchentages in Berlin an einer Podiumsdiskussion der Podienreihe: Und diese Liebe auch! – Homsoexuelle und Kirche, mit dem Titel:
„„… mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ – Über den Zusammenhang zwischen Sexualität und Spiritualität tauschen sich Menschen unterschiedlicher Sexualität und Spiritualität aus“ teilgenommen.

Heute, im Mai 2021, hängen Rainbow-Flags als Zeichen des Protestes gegen das vatikanische Verbot von Segnungen homosexueller Paare an unzähligen Kirchen der römisch-katholischen Kirche in Deutschland.

Da erinnere ich mich wieder sehr an meine damaligen Ausarbeitungen zum 1. Ökumenischen Kirchentag und an mein Statement bei der Podiumsdiskussion zum Thema:

Sexualität und Spiritualität.

Angesichts der aktuellen Debatte in unserer Kirche möchte ich meine damaligen Abhandlungen heute hier noch einmal dokumentieren.

Sie zeigen nämlich deutlich das Defizit auf, unter dem auch aktuelle Diskussionen über dieses Thema immer noch leiden, nämlich das fehlende Bewusstsein, dass unsere Spiritualität gar nicht ohne unsere je eigene Sexualität möglich ist.



Die Abgrenzung der Sexualität von der Spiritualität hat in der kirchlichen Vergangenheit viel Leid und Diskriminerungen hervorgebracht.

Mit der erneuten Dokumentation meiner damaligen Arbeit möchte ich einen kleinen Beitrag leisten, beide Themenbereiche wieder in den notwendigen und nötigen Zusammenhang zu sehen, zu verstehen und bei allen zukünftigen Überlegungen mit zu berücksichtigen.

Einige Gedanken und Formulierungen, die ich dort vor 18 Jahren getan habe, kann ich heute – nach dem aktuellen Stand der (Gender-)Forschung so nicht mehr aufrechterhalten. Aus historischen Dokumentationszwecken habe ich sie aber beibehalten, doch mit entsprechenden Vermerken versehen.

Quelle: www.pixabay.com

Als erstes dokumentiere ich mein Statement am Beginn der Podiumsdiskussion.
Dann liefere ich die mit wissenschaftlichem Apparat versehener Ausarbeitung nach, die natürlich als Grundlage meines Statements anzusehen sind und welches von dieser geprägt wurde.

  1. Einführungsstatement zur Podiumsdiskussion:
    „… mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ – Über den Zusammenhang zwischen Sexualität und Spiritualität tauschen sich Menschen unterschiedlicher Sexualität und Spiritualität aus
    auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag in Berlin am
    Donnerstag, dem 29.05.2003 in der Marienburg Oberschule, Kranzer Str. 3, 14199 Berlin

2. Spiritualität und Sexualität – Überlegungen zum Statement auf einer Podiumsdiskussion zum Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin


Für Rückmeldungen und Kommentare zu meinen Ausführungen bin ich sehr dankbar.
Alle Rechte dieser Dokumente liegen bei mir: Gerd Wittka 2003 – 2021




Rainbow-Madonna

Diese Darstellung der Madonna von Mika Springwald hat nun einen guten Platz in meiner Wohnung gefunden.

Darauf fällt nun mehrmals täglich mein Blick und erinnert mich an: #LoveIsNoSin

© Gerd Wittka, 2021



Bunt und froh zu sein…

bedarf es wenig…

Foto: Gerd Wittka, 26.03.2021

Wer mich kennt, weiß, dass ich es gerne farbenfroh und bunt mag.

Deshalb habe ich immer schon gerne aus dieser Tasse getrunken.

An Tagen wie diesen: das alles und noch viel mehr!
Guten Start in den Tag!




Love is no sin

(Glaubens-)Bekenntnis eines einfachen Priesters

© Gerd Wittka, 2021

In einem Dekret vom 22. Februar 2021 formuliert die Glaubenskongregation des Vatikans zur Frage der Segnung auch homosexueller Partnerschaften:

„…Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (…) einschließen…“ (…)

Gleichzeitig erinnert die Kirche daran, dass Gott selbst nicht aufhört, jedes seiner Kinder zu segnen, die in dieser Welt pilgern, denn für ihn „sind wir […] wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können“[12]. Aber er segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen: …“

und ziemlich gegen Schluß:
„…Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen, noch kann sie über diese Vollmacht verfügen….“
Vgl.: https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2021/03/15/0157/00330.html

Erwartungsgemäß hat das in den Medien und auch in den sozialen Netzwerken zu einem Sturm der Entrüstung geführt.



Aus meiner mehr als 25-jährigen seelsorglichen Praxis und Erfahrung als Diakon und Priester möchte ich dazu einige Gedanken formulieren, die auch ein Bekenntnis eines Teils meines in der Zeit gewachsenen Glaubens an den Gott und Vater Jesu Christi geworden sind.

„Kann denn Liebe Sünde sein?!“

„Gott ist die Liebe!“ – diesen Satz kennen wir und ich bin fest davon überzeugt, dass er richtig ist.
Daher glaube ich auch daran, dass in allen Lebensbezügen, wo Menschen einander lieben, wo man sich in respektvoller und achtungsvoller Liebe begegnet oder hingibt, die Liebe Gottes in unserer Welt gegenwärtig und sichtbar wird.

Beispiele dieser sichtbaren Liebe Gottes sind für mich:

  • die Liebe, die Eltern ihren Kindern schenken, oft gezeichnet von Sorge, Fürsorge und Selbstlosigkeit
  • die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich in inniger Freundschaft zugetan sind. Manchmal sprechen wir auch von ‚Seelenverwandtschaft‘ bei solchen Freundschaften
  • die Liebe, die Menschen in ihrem Dienst für andere zeigen, sei es in Sozial- und Pflegeberufen, im ehrenamtlichen Engagement in Gesellschaft und Gemeinschaften
  • die Liebe und Fürsorge für den Schutz und die Bewahrung der Schöpfung Gottes, die uns als Menschen anvertraut wurde
  • und ‚last but not least‘ in der liebenden Beziehung zwischen zwei Menschen, die ein Stück gemeinsamen Lebensweges leben und verbringen wollen in gegenseitiger Achtung und Fürsorge; in welcher auch beide Glück, Freude, Zufriedenheit und Unterstützung erfahren. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Beziehungen staatlich, gesellschaftlich oder auch von Seiten der Kirche(n) anerkannt und gefördert werden. Das Geschenk der Liebe braucht erst einmal nicht diese Anerkennung, weil sie sich selbst Anerkennung genug ist. Daher braucht diese Liebe auch keine Erlaubnis, keine Genehmigung.

Das Geschenk der Liebe ist letztlich also ein Akt der völligen menschlichen Freiheit. Sie ist selbst da noch frei, wo der Mensch in äußere oder innere Unfreiheit gedrängt wird. Liebe kennt also keine Grenzen und überwindet alle Grenzen.

Dieser Überzeugung liegt zugrunde, dass die Liebe Gottes selber grenzen-los ist!

Love is no sin!

Wenn also Gott die Liebe ist und seine Liebe grenzenlos ist, dann ist Liebe niemals Sünde.

Der Mensch – und das weiß ich selber am Besten – sündigt immer wieder.
Aber da, wo er liebt kann er schlechterdings nicht zugleich sündigen.

Dieser Überzeugung ist auch der heilige Augustinus, wenn er den Satz tun konnte: „Liebe! Und tue, was du willst!“ – Dieser Satz wäre nicht wahr, würde Augustinus meinen, dass Liebe sündig sein könnte.

Auf die Frage: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ kann ich heute ganz klar antworten: NEIN!

Gott segnet, was ein Segen ist

In dem oben zitierten Dekret heißt es: „…Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen…“

Hier wird meines Erachtens ein falsches Verständnis von „Segen“ genutzt.

Der Blick in die liturgischen Bücher unserer Kirche (Messbuch, Benedictionale, …) zeigt, dass innerhalb gottesdienstlichen Tuns, wo es um den „Segen“ geht, es sich hierbei genau genommen um eine

Segensbitte

handelt!

Die Teilnehmer:innen von Gottesdiensten wissen um die Formulierung am Ende eines Gottesdienstes, wie z.B. „So segne euch der dreifaltige Gott, der Vater und der Sohn (+) und der Heilige Geist.“

Der vermeintliche Segen in der Kirche ist also immer eine Segensbitte!

Und in diesem wohlverstandenen Sinne stimme ich dem Dekret zu, wenn es sagt: …Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, (…) zu segnen…“, denn die Kirche oder kirchliche Amtsträger:innen segnen nie, sondern allein Gott!

Bild von s-ms_1989 auf Pixabay

Gott segnet, was ein Segen ist

Die Frage lautet deshalb eher für mich: Wen oder was segnet Gott?

Und meine Überzeugung ist: Gott segnet, was ein Segen ist!

Im segensvollen Handeln und Tun der Menschen, sei es allein, in der Zweisamkeit oder in einer größeren Gruppe erkenne ich das, was mit dem Segen Gottes bedacht ist.

Um zu erkennen, was von Gott gesegnet ist, bedarf es deshalb keiner kultischen Handlung der Kirche in Form von „Segensfeiern“, denn solche Segensfeiern fügen keinen Segen hinzu, der nicht schon längst da ist.

Segensfeiern sind Bekenntnis und Annahme des göttlichen Segens

Aber dennoch sind öffentliche und gemeinschaftliche Segensfeiern nötig.
Denn in dem Glauben, dass wir auf den Segen Gottes angewiesen sind und Gott SEINEN Segen gibt, sind wir in der Glaubensgemeinschaft verbunden.

Diese Verbundenheit zeichnet sich auch darin aus, dass wir füreinander den SEGEN GOTTES erbitten, besonders dort, wo Menschen für sich selbst und konkret bejahen, dass sie auf diesen Segen Gottes angewiesen sind, damit ihr Leben segens-reich sein kann.

Segens-bitt-feiern zu versagen heißt, die Nächstenliebe vorzuenthalten

Segens-bitt-feiern durchzuführen, ist also dann ein Akt geschwisterlicher Verbundenheit und Fürsorge, die jene, die um diesen Segen bitten, in ihrem Glauben darin bekräftigen wollen.

Wer also solche Segensfeiern verweigert, versagt den Segensbedürftigen die gläubige Solidarität, dass wir alle und in jeder Lage auf den Segen Gottes angewiesen sind.

Segens-bitte-feiern also denen zu versagen, die ihre Beziehung auf das Fundament gemeinsamer Liebe gründen wollen, ist für mich somit ein Versagen gegen die gebotene und nötige Nächstenliebe.

Gerd Wittka, 16.03.2021