Held:innen des Alltags

Oder: im Hintergrund Großartiges leisten

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Vor einigen Tagen kam ich mit einem Menschen ins Gespräch, der in einer Pflegeeinrichtung arbeitet.
Seine Aufgabe ist es, verschiedene ‚Springerdienste‘ zu übernehmen: Essen austeilen, Botengänge machen oder Besucher:innen in Corona-Zeiten am Eingang in Empfang nehmen und dort die Einlassvoraussetzungen (Corona-Schnelltest, Maske, etc.) zu prüfen.

Diese Person erzählte mir, dass sie schon seit 7.00 Uhr morgens Dienst getan hat und der Arbeitstag 10 Stunden dauere.
Ich sagte – recht unbedarft -: „Dann haben Sie aber doch einiges an Überstundenausgleich!“ – Sie aber lächelte mich sympathisch an und sagte: „Nein! Ich arbeite sieben Tage in der Woche. Im Juli werde ich 27 Arbeitstage haben.“



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Ich wurde recht kleinlaut.
Natürlich habe ich auch keinen sieben oder acht-Stunden-Tag, aber ich schaffe es immer wieder, mir auch Freiräume für meine Erholung zu nehmen.

Dieser Mensch aber tat sieben Tage in der Woche und im Juli nur mit vier Tagen frei seinen Dienst.

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Doch das erstaunlichste für mich war: er beschwerte sich gar nicht. Freundlich und sympathisch erklärte er mir, dass es zwar manchmal anstrengend sei, wenn beim Einlass die Menschen nicht verstünden, warum es die Einlasskontrollen und -kriterien gibt. Aber ansonsten habe er einen guten Job, der auch körperlich nicht sehr anstrengend sei, und er sei zufrieden.

BTW:
Natürlich habe ich weiterhin Bedenken, dass Menschen ohne großen Freizeitausgleich ihre Arbeit machen und das auch noch bei dünner Personaldecke (Die Person erklärte mir, dass diese Situation durch den hohen Krankenstand bei anderen Kolleg:innen entstanden sei.).
Und natürlich weiß ich auch, dass die Arbeitnehmerschutzbestimmungen in Gesetzen und/oder Tarifverträgen was anderes vorsehen.
Ich halte die Situation – trotz aller sympathischen Reaktion dieser Person – für äußerst bedenklich und ich erwarte, dass Politik und Unternehmen zügig etwas gegen solche Zustände tun. Solche Zustände dürfen weder ein Dauerzustand sein noch zur Normalität werden!

Aber dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – sind solche Menschen für mich Held:innen des Alltags.

Sie zeigen, was Menschen zu leisten bereit sind.
An den Verantwortlichen liegt es: dieses auch wirklich und glaubhaft zu würdigen.

Und mir nötigen solche Menschen für ihre Dienstleistungsbereitschaft den höchsten Respekt ab.




Nicht nur immer nett sein

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Dieser Beitrag ist einfach genial!
Wie oft versuchen wir einfach immer nur „nett“ zu sein, es anderen Recht zu machen, Fremderwartung zu erfüllen, doch dabei sind wir nicht bei uns und uns gegenüber nicht wahrhaftig. Vielleicht verraten wir dabei sogar unsere eigenen Werte und Sinnhaftigkeiten, zu denen wir stehen wollen.

Wir werden in Strukturen und Konventionen gepresst.
Oft wird uns suggeriert: wenn du einen eigenen Standpunkt hast, dann bis du nicht nett!
Doch wenn wir immer nur nett sind, werden wir auf Dauer nicht wirklich ernst genommen!
Dieses Gespräch kann einem die Augen dafür öffnen, dass es manchmal besser ist, „klare Kante“ zu zeigen, besonders dann, wenn andere meinen, uns einnorden zu können.

Ich kann davon selber ein Lied singen, wie oft man versucht, mich mundtot machen zu wollen mit Sätzen: „Das habe ich von Ihnen nicht gedacht!“ oder sogar noch schlimmer, in dem die moralinsaure Keule geschwungen wird. Das geschieht oft in kirchlichen Kreisen.

Doch Erlösung heißt auch: sich selber treu zu sein, dafür einstehen zu können, was man selber als gut und richtig erkannt hat.

All die Probleme, die wir in Kirchens haben: Klerikalismus sowohl von Klerikern als auch von Laien; Geschlechterungerechtigkeit; Vertuschungsmentalität; die Doktrin: Die Kirche muss nach außen glänzend erscheinen; eine dogmatische Auslegung der Bibel, bei der es mehr um die Dogmen als um den befreienden Geist des Evangeliums geht; alles das und noch viel mehr wird gefördert von Tendenzen, den einzelnen Menschen in ein Korsett zu stecken, in das er nicht hinein passt.

Wer sich den Inhalt dieses Gespräches zu eigen macht, wird nicht mehr nur nett bleiben können; wer sich das zu eigen macht, wird vielleicht sogar ‚gefährlicher‘ werden für eingefahrene Strukturen, die Menschen unfrei machen oder halten wollen.
Doch war da Jesus anders?! – Hat er nicht selber die Botschaft der Befreiung in den Mittelpunkt seiner Verkündigung gestellt? War er nicht selber unangepasst und ‚gefährlich‘ für bestehende Strukturen?!




Aufstehen, um für sich einzustehen

Textgrundlage: Eine heilsame Begegnung zwischen Jesus und dem blinden Bartimäus

Ich habe meine eigene, persönliche Geschichte mit dem heutigen Evangelium.
Es ist das Evangelium, das wir uns zu unserer Diakonenweihe 1993 ausgesucht haben.
Später, an meiner ersten Kaplanstelle habe ich vertretungsweise Religionsunterricht in der 3. und 4. Klasse gegeben. Da stand dann im dritten Schuljahr auch dieses Evangelium auf dem# Lehrplan und wir arbeiteten damals mit den wirklich sehr prägnanten Bildern aus der Neukirchener Kinderbibel von Kees de Kort.

Irgendwie hat mich dieses Evangelium immer wieder berührt und begleitet. Und erst sehr viel später wurde mir klar, was mich daran so begeistert.

Begegnung – Foto: www.pixabay.com

Es ist diese kurze Geschichte einer Begegnung zwischen Jesus und einem Mann, die das Leben dieses Mannes von Grund auf veränderte. Urplötzlich werden die Ereignisse geschildert, aber sie haben trotz ihrer Radikalität nichts Beunruhigendes. Diese Begegnung verändert zumindest das Leben des Bartimäus von einer Sekunde auf die andere, doch:
Die Radikalität der Ereignisse führt nicht zu einer Krise, sondern zu einer großen heilsamen Wendung im Leben des Mannes.



Ich denke, wir können für uns viel aus diesem Heilungswunder mitnehmen, und zwar, wenn wir uns an die Stelle des blinden Mannes setzen, aber auch, wenn wir an die Stelle Jesu treten.

Es lohnt sich, einige Teile gleichsam wie unter einem Spotlicht zu betrachten.

Wir erfahren von Jesus, dass er mit seinen Jüngern in Jericho war und nun die Stadt verlassen.
Wir können davon ausgehen, dass sie auf dem Weg nach Jerusalem waren, denn in Kapitel 11 erfahren wir, dass sie in Jerusalem angekommen sind.
Die Strecke Jericho – Jerusalem sind über 40 km und führt durch sehr trockene, fast wüstenhafte Gegend; südlich von Jericho beginnt das Tote Meer.

Israel – Wüste – Foto: www.pixabay.com

Wer also Jericho zu Fuß verließ, musste wissen wohin er geht und sich für die Strecke gut vorbereiten.
Will man die Strecke an einem Tag schaffen, muss man schon recht zügig und ohne große Pausen laufen.
Auf dieser Strecke kommt es am Weg zur Begegnung mit dem blinden Bartimäus.

Bartimäus erfährt nur vom Hörensagen, dass da Jesus bei ihm vorbei kommt. Doch was er von Jesus sonst noch gehört hat, lässt in ihm unmittelbar die Hoffnung aufsteigen, hier jetzt die Chance seines Lebens nutzen zu können.
„Jetzt oder nie“, wird er sich vielleicht gedacht haben. Und mit ganzer Kraft ruft er Jesus.

Die Begleiter Jesus wissen, dass man zügig auf dem Weg bleiben sollte, damit das Ziel Jerusalem gut zu erreichen ist. Wollen sie deshalb den Bartimäus abschütteln?

Doch Jesus lässt sich ansprechen, lässt sich unterbrechen und ruft Bartimäus her.

Das erinnert mich manchmal an Situationen im eigenen Leben: da ist was geplant, vorbereitet und auf einmal kommt etwas Unerwartetes, so unerwartet, dass man es vielleicht als Störung empfinden.
Unsere Pläne würden über den Haufen geworfen, wenn wir uns dem Unerwarteten zuwenden würden.
Wie sind wir dann eher drauf? Die Störung vermeiden, das Unerwartete buchstäblich links liegen lassen?

Jesus hat die Freiheit, sich ‚stören‘ zu lassen und so kommt es zu dieser folgenreichen Begegnung.

Vielleicht kennen wir auch so etwas: wir haben geplant, doch etwas Unerwartetes, vielleicht auch eine nicht angekündigte Begegnung, bringt uns von unserem Plan ab. Wir lassen uns ein und erkennen, dass diese Begegnung sehr gut und wichtig war.

Manchmal erlebe ich im Krankenhaus solche Begegnungen, wenn ich unterwegs durchs Haus bin. Da spricht mich eine Mitarbeiterin oder ein Patient an, oder buchstäblich beiläufig kommt es zu einer Begegnung, zu einem kurzen Gespräch, von dem ich den Eindruck habe, es war gut, auch für meinen Gesprächspartner.
Wir nennen das in Seelsorge-Kreisen auch manchmal „Seelsorge zwischen Tür und Angel“.

Bei Jesus hören wir oft von solchen ‚beiläufigen‘ Begegnungen „zwischen Tür und Angel“, die nicht lang, aber oft nachhaltig und folgenreich sind.

Als die Umherstehenden der Intervention Jesu nachgeben, rufen sie dem Bartimäus zu: „Hab Mut! Steh auf! Er ruft dich.“

Das ist schon das erste Wunder in dieser Erzählung. Jene, die auf Planerfüllung drängten werden von Jesus ermutigt, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen.

Ich nehme ihnen ihr „Hab Mut!“ ab. Ich nehme ihnen ab, dass Jesu Verhalten auch sie schon verändert hat und sie offener gemacht hat für diesen Augenblick.

„Hab Mut“ – ich glaube, das ist auch ein wichtiges Wort in dieser Erzählung.
Da gibt es Situationen, die wollen wir beherzt angehen und starten auch den ersten Schritt. Dann kann es geschehen, dass wir auf einmal Angst vor der eigenen Courage bekommen. Wie gut, wenn dann da Umstehende sind und sagen: „Mensch, jetzt geh aber auch den Weg weiter für den du dich entschieden hast“. „Jetzt nicht den Schwanz einziehen und den Rückzug antreten!“
Ich danke für solche Menschen, die mir dann sagen: „Hab Mut!“

Und dann kommt es noch zu einer ganz wichtigen Passage in dieser Begegnung.
Jesus fragt den Bartimäus: „Was willst du, das ich dir tue?“
Hätte Jesus sich das nicht denken können? Die Menschen haben doch von den Heilungswundern Jesu gehört. Da ist es doch naheliegend, dass der BLINDE Bartimäus wieder sehen will, oder?

Foto: www.pixabay.com

Ja, es ist naheliegend.
Und vielleicht ahnte und wusste Jesus schon, was Bartimäus von ihm wollte. So hätte er sich diese Frage eigentlich auch sparen können.

Aber nein! Es geht nicht nur darum, dass Jesus erfährt, was Bartimäus will, sondern es geht vielmehr um Bartimäus selber.
Denn durch die Frage: „Was willst du, das ich dir tue!“ sichert Jesus diesem Mann seine Souveränität und Autonomie zu.

Wie oft wird Bartimäus erfahren haben, dass andere sich um ihn gekümmert und gesorgt haben. Sie haben es vielleicht oft gut mit ihm gemeint und für ihn gehandelt, in dem Bewusstsein, zu wissen, was ihm guttut oder was er braucht.

Doch dahinter steckt auch eine Gefahr, nämlich die Gefahr der Bevormundung oder gar Entmündigung.

Jesus macht es nicht so. Er sagt Bartimäus nicht, was er braucht, sondern er fragt Bartimäus, was er bräuchte.

Was für einen gewaltigen Unterschied es machen kann, anstelle etwas zu sagen, etwas zu fragen!

Auch hier erfahren wir wieder einmal mehr, wie es Jesus um den Menschen geht: er stellt den Menschen in die Mitte seiner Sorge, er stellt Menschen auf die eigenen Beine, er lässt die Menschen für sich selber spüren und klären, was sie brauchen.
Das alles hat etwas mit Ansehen, Respekt und Würde zu tun.

Und so kann das Wunder geschehen: Menschen werden heil, weil sie erkennen und benennen können, was unheil in ihrem Leben ist.

Menschen stehen für sich ein, weil sie für sich aufzustehen lernen und darin auch noch ermutigt werden.

Was für ein Evangelium und was für eine Botschaft für uns, auch für uns als Kirche!

Nicht Ansagen und Vorschriften oder Regeln sind das Wichtigste, was wir den Menschen unserer Zeit mitgeben können, sondern echte personale Begegnung, die den Menschen in den Blick nimmt, die seine Würde bewahrt, ihnen Achtung und Respekt entgegen bringt und sie sich selber klar werden lässt, was sie brauchen und was ihnen zum Heil und zur Heilung dient.




„… und nahm ein Kind in seine Arme …“

TRIGGER-GEFAHR! – ’sexualisierte Gewalt‘! – TRIGGER-GEFAHR! –

„… Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme …“ (Mk 9, 36)

Wieviele Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder werden – wenn sie an diesem Sonntag diese Schriftstelle hören – innerlich zusammen zucken?!
Wieviele Menschen wird in den Sinn kommen, was an zigtausenden Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen durch kriminielle Verbrechen sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit durch kirchliche Amtsträger an Leid geschehen ist?!

Auch wenn ich als Theologe weiß, dass es bei diesem Beispiel Jesu um was ganz anderes geht, kamen mir an dieser Textstelle die unzähligen Nachrichten von sexualisierter Gewalt und deren Vertuschung in den Sinn.

Symbolbild, Quelle: www.pixabay.com

Dabei war es früher einmal ganz anders.
Als Kind und Jugendlicher – als ich noch nichts wusste von diesen abscheulichen Verbrechen – war diese Textstelle der Inbegriff einer herzlichen und liebevollen Begegnung zwischen dem Kind und Jesus. Hier ging es um Ansehen, Respekt und Würde auch eines noch so kleinen Wesens, das aus gesellschaftlicher Sicht kaum Beachtung fand.

Auch ohne dem Hintergrund von sexualisierter Gewalt würden wir heute wahrscheinlich etwas skeptischer auf ein solches Verhalten Jesu blicken.
Denn heute wissen wir, dass Übergriffigkeit schon sehr schnell geschehen kann.
Sie kann schon geschehen, wenn man ein Kind – ohne dass es damit einverstanden ist – „in ihre Mitte“ stellt und es so ungefragt „in seine Arme“ nimmt.

Ja, ich höre sie schon, jene, die mir unterstellen, man dürfe es auch nicht übertreiben!

Ich finde, die Ereignisse und Nachrichten der letzten Jahre – gerade auch aus dem Umfeld der Kirche, aber auch darüber hinaus – können uns gar nicht sensibel genug werden lassen für das Thema „Übergriffigkeit“.

Quelle: www.pixabay.com

Von Erwachsenen selber gar nicht so empfunden, können sie für Kinder verstörend sein.

Apropos „Ansehen, Respekt und Würde“: Ich finde mehr und mehr, dass man schon bei Begegnungen mit Kleinkindern und Kindern dem heute eher gerecht wird, wenn ich sensibel darauf achte, welche Signale von Kindern ausgehen, wenn sie anderen Menschen begegnen? Sind sie erfreut und offen, gehen sie vielleicht selber auf Erwachsene zu, oder machen sie hingegen einen verunsicherten oder gar ängstlichen Eindruck? Schauen sie mich musternd und skeptisch an mit versteinerter Miene oder sind sie unbefangen oder gar fröhlich.

Ich jedenfalls würde heute Kinder – so ohne Weiteres – nicht in die Arme nehmen, wie wir es heute von Jesus hören.

Ein Beispiel: Wenn Eltern mit ihren Kindern zur Kommunionempfang kommen aber offensichtlich ist, dass das Kind noch nicht zur Kommunion gegangen ist, dann ist es mittlerweile gute Angewohnheit, diese Kinder an der Hand ihrer Eltern nicht unbeobachtet zu lassen, sondern sie zu segnen.
Manche, die die Kommunion austeilen, tun dies selbstverständlich und ohne großes Fragen, machen dem Kind ein Kreuzzeichen auf die Stirn und … fertig!

Ob das Kind es gewollt hat?!
Sicher ist man sich da nur, wenn man eindeutige Signale von es bekommen hat, dass es das auch möchte.

Seit Jahren habe ich es deshalb bei mir zur Regel gemacht, selber in diesem Augenblick in die Knie und auf Augenhöhe mit dem Kind zu gehen (sofern das noch mein rechtes Kniegelenk einigermaßen geschickt zulässt) und das Kind zu fragen, ob ich es segnen darf. Zumeist verbinde ich damit auch dann die Frage, ob es mir seinen Namen sagen würde? Nennt es mir dann seinen Namen, lege ich dem Kind eine Hand auf und spreche – unter Namensnennung – einen Segen.

Symbolbild, Quelle: www.pixabay.com

Ich habe für mich gefunden, dass das ein respektvoller Umgang mit dem Kind ist. Was denken Sie darüber?

Kommen wir aber zur Schriftstelle dieses Sonntags zurück:

Jesus will ein Beispiel setzen, dass er sich mit den Kleinen und Geringgeachteten solidarisiert.
Er will deutlich machen, wer Menschen aufnimmt, die wenig geschätzt und geachtet werden, der nimmt IHN gleichsam selber auf.

Eine Heiligenlegende eines Volksheiligen, des hl. Martin von Tours, der seinen Mantel mit einem Bettler teilt, weil dieser sonst zu erfrierend droht, ist ein gutes Beispiel für die Übersetzung des heutigen Evangeliums in unseren Alltag.

Doch leider können wir – unter dem Zeichen der Verbrechen sexualisierter Gewalt in den Kirchen – und auch anderswo – so unbefangen auch diese Textstelle nicht mehr lesen, ohne uns darüber Rechenschaft ablegen zu müssen, wie wir die Würde jener zum Recht verhelfen, die klein, hilfsbedürftig, entrechtet werden, um an und mit ihnen ein Beispiel zu geben, wie wir ihnen das Ansehen verschaffen, dass ihnen von Gott gegeben ist und sie in SEINEN Augen groß sein lässt.

Ich finde, wenn uns diese Textstelle des heutigen Sonntags hilft, sensibler mit den Themen „Übergriffigkeit“, „Respekt“, „Missbrauch“ und „sexualisierter Gewalt“ umzugehen, dann kann ich gut damit leben, wenn es auch nicht das zentrale Thema dieser Textstelle ist.

Aber angesichts der Schwere dieser Verbrechen gegen Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlenen darf uns kein Text aus dem Evangelium dafür zu schade sein, diesen Text auch unter diesem Vorzeichen zu lesen, zu interpretieren und zu verstehen!




„LSBTIQ* willkommen!“

Zum „Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit“ (IDAHOBIT) am 17. Mai

Das Queere Netzwerk NRW hat in diesem Jahr zum „Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit“ (IDAHOBIT) Communities und Verbündete aufgerufen, ein Zeichen für LSBTIQ*-freundliche Orte und Institutionen (und damit gegen alle Formen der Queerfeindlichkeit) zu setzen.



Collage: Victoria Duckscheidt

Über die Vermittlung des Bistums Essen wurde ich angefragt, ob ich mit anderen Personen aus unserer Pfarrei ein solches Willkommens-Zeichen setzen möchte.
Ich arbeite seit Mitte der 1990er Jahre in einer kirchlichen HIV-Beratungsstelle und bin seit 2019 von unserem Bischof gebeten worden, als röm.-katholischer Partner beim ökumenischen Gottesdienst zum ‚RuhrPride Essen'(CSD) mitzuwirken.

Recht spontan haben sich auf Initiative von Pastoralreferentin Tabea Diek und mir einige Personen aus der Pfarrei gefunden (die Ehepaare Iris und Carsten E. und Malte und Andreas G.; sowie Stephan B., Egbert P., Tabea Diek mit Benjamin und Samuel, sowie Martina D. mit Victoria D. und Vincent D. und Gerd Wittka), mit einer Fotosession ein Zeichen gegen Queerfeindlichkeit zu setzen.

Foto: (c) Gerd Wittka, 2021

Die Fotos entstanden auf dem Außengelände der Gemeindekirche St. Barbara in Oberhausen-Königshardt, welche zur Propsteipfarrei St. Clemens, Oberhausen-Sterkrade gehört.

Eintreten für das, was eine Selbstverständlichkeit ist

Damit unterstreichen sie, dass das Diskriminierungsverbot – schon im Grundgesetz verankert – auch eine Verpflichtung für die eigene Kirche ist und deshalb eine echte, aufrichtige und herzliche Willkommenskultur für ‚Queerpeople‘ in unseren Kirchen, Pfarreien, Gemeinden und Verbänden selbstverständlich sein muss.

Gerd Wittka vor der „Regenbogen-Madonna“ von Mika Springwald -Foto: (c) Gerd Wittka

Diese Aktion wirbt sowohl nach außen, verweist jedoch mindestens genauso in die eigene Kirche; denn auch hier muss eine queere Willkommenskultur, die auf Achtung und Respekt beruht und jeglicher Diskriminierung eine Absage erteilt, weiter ausgebaut und kultiviert werden.

Die in vielen Pfarreien stattgefundenen Partnerschaftssegnungen für Menschen verschiedener Sexualitäten ist in diesen Tagen ein Baustein für eine solche Veränderung der queeren Willkommenskultur in unserer Kirche.


Noch ein Text von Vicky, den sie mir gestern nach unserer Aktion zugeschickt hat und den ich hier veröffentlichen darf!
Danke, Vicky!

Homophobie

Ist die Welt für manche Menschen wirklich so schwarz weiß, dass es nicht in Ordnung ist, wenn gleichgeschlechtliche Paare auf der Straße rumlaufen?
Warum wird Religion genutzt um gegen Homosexualität zu argumentieren, wenn es Gott am meisten darum geht, dass wir uns lieben?

Niemand sucht sich aus, in wen er sich verliebt. Ob Mann, Frau oder kein Geschlecht, das suche nicht ich mir aus, sondern mein Herz.
Liebe ist Liebe und im 21. Jahrhundert sollte das toleriert werden.
Niemand zwingt dich dazu diese Menschen anzustarren oder ähnliches. Genauso, wie dies niemand bei heterosexuellen Paaren macht.
Es ist genauso „normal“.
Denn es ist genau das gleiche.
LIEBE
Egal ob Mann und Frau, Frau und Frau oder Mann und Mann!

( © Victoria Duckscheidt, Oberhausen, 2021)

Danke an alle fürs Mitmachen!

Es war eine tolle Aktion. Und ich durfte in diesen Tagen einige Gespräche führen, die gezeigt haben, dass solche Themen auch in unserer Pfarrei akut sind und manche Leute es nicht hinnehmen, dass es dafür so wenig Raum gibt!