Wo bist du, du Zeit der Stille…?!

Was der Advent für mich meint…

Bild von SplitShire auf Pixabay

Wen würde es wundern, wenn ich von mir sagen würde: dieses Bild ist für mich ein wirklich adventliches Bild? – Sie vielleicht?

Dieses Bild drückt für mich die adventliche Sehnsucht am heutigen dritten Adventssonntag aus. Es steckt so viel darin, was wir eigentlich vom christlichen Ursprung her mit dem Advent verbinden.



Stille

Als Erstes ist es die Stille, die dieses Bild so eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Selbst wenn es ein Bild mit Ton wäre, würden wir ‚Stille‘ spüren und ‚hören‘.
Es scheint paradox, aber Stille ist nicht wirklich klang- und tonlos. Es gibt immer etwas, was auch in der Stille zu hören ist. Stille und Geräuschlosigkeit sind verschieden. Ich muss es Ihnen nicht in Worte fassen.
Sehen Sie sich selbst einmal dieses Bild an, versetzen Sie sich selbst in die Lage, Sie würden da an diesem Pier stehen oder sitzen; in warmer Kleidung oder eine kuschelige Decke eingehüllt …
Was hören Sie nun in der Stille…?

Weite

Als Zweites fällt mir die ‚Weite‘ auf, die von diesem Bild ausgeht.
Auch das ist irgendwie paradox, denn wir sehen nur einen kleinen Ausschnitt einer Realität. Wir sehen vielleicht in der Breite gut 10 Meter. Was direkt daneben ist, wissen wir nicht.
Aber gerade dieser Fokus auf diesen kleinen Ausschnitt ermöglicht uns vor unserem geistigen Auge, Weite und Tiefe zu ahnen.
So ist es auch, wenn wir uns in der Winterzeit z.B. in einen Raum zurück ziehen, der nur schwach erleuchtet ist, vielleicht nur mit einer kleinen Lampe und einer Kerze auf dem Tisch.
Der sonst im Hellen besehene größere Raum verkleinert sich optisch. Dadurch nehmen wir auch weniger wahr und werden auf weniges fokussiert.
Diese ‚Sichtfeldeinschränkung‘ hat auch den angenehmen Nebeneffekt: sie schützt uns vor Reizüberflutung.
Der optisch kleinere Raum kann einer geistigen Weite förderlich sein.
Und eine solche ähnliche Wirkung hat es auch, wenn wir dieses Bild betrachten.

Advent = Weite und Stille durch Fokussierung

Das ist für mich eine wesentliche Seite des Advents; wenn wir durch eine äußere und geistliche Fokussierung uns auf eine spirituelle Erfahrungsreise begeben und Räume wahrnehmbar machen, die uns sonst in den Anstrengungen, der Betriebssamkeit und Hektik des Alltags verschlossen bleiben.

Ich brauche gar nicht mit einer Komsum- Kapitalismus- und Kommerzialisierungskritik zu kommen, um für mich zu erkennen, dass diese Dimension des Advents gerade in der Adventszeit viel zu kurz kommt.

Schauen Sie sich dazu als ein Beispiel nachfolgendes Bild an. (Geht das überhaupt ‚in Ruhe‘?!)

Vergleichen Sie dir Wirkung dieses Bildes mit der Wirkung des ersten Bildes.
Welches Bild tut Ihnen geistig-spirituell mehr gut?

Bild von Gerhard Gellinger auf Pixabay

‚Adventliche‘ Weihnachtszeit

Die Überschrift scheint ebenfalls paradox.
Aber ich selber erlebe die Zeit nach den Weihnachtsfeiertagen mehr als adventlich geprägte Zeit, wo Geist und Sinne zur Ruhe kommen können, als die eigentliche Adventszeit vor ‚Heilig Abend‘.

Da läuft doch was gründlich schief, wenn ich zwischendurch den Gedanken in mir wahrnehme:

Ich bin froh, wenn die Adventszeit mit ihrer reizüberflutenden Geschäftigkeit bald vorbei ist.

Einer meiner Lieblingstexte in dieser Zeit ist ein Gedicht von Joseph von Eichendorff, dass auch als Lied vertont wurde: „Oh du stille Zeit“:

O du stille Zeit,
Kommst, eh wir´s gedacht
über die Berge weit,
über die Berge weit
Gute Nacht!

In der Einsamkeit
rauscht es nun sacht,
über die Berge weit,
über die Berge weit,
Gute Nacht!

Text: Joseph v. Eichendorff (1788-1857)

Ich wünsche Ihnen noch einige besinnliche und gesegnete Adventstage! Machen Sie das Beste draus!

Bild von Shahariar Lenin auf Pixabay



Seelsorge in future

Quelle: Bild von Free-Photos auf Pixabay

Heute Morgen, am 07. Dezember 2019 las ich in der Laudes das folgende Schriftwort aus dem Matthäus-Evangelium:

Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen,
denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe,
die keinen Hirten haben.“ (Mt 9, 36)

In selten gekannter Weise hat mich heute dieses Schriftwort angerührt. [Es gibt offensichtlich Zeiten, da einem wohlvertraute Schrifstellen des Evangeliums in ganz neuer Weise ansprechen; dann haben sie mir offenbar Neues zu sagen oder vor Augen zu stellen.]
Wenn so etwas bei mir passiert, dann frage ich mich meist, warum mich gerade jetzt/heute diese Schriftstelle in einer neuen Weise anspricht?



Unverständliche Worthülsen

Ein Auslöser war wohl auch ein Text eines Seelsorgers in einer Gemeindepublikation, den ich in diesen Tagen gelesen habe.
Mir fiel an diesem Text auf, dass er nur so von theologischen Begriffen und Fachsimpeleien stotzte, obwohl es kein theologischer Fachaufsatz, sondern eher ein geistlicher Text für Gemeindemitglieder sein sollte.

'Synodaler Weg' in Deutschland - Wie kann eine glaubwürdige Seelsorge für Morgen aussehen, die bei den Menschen ist und ihre Lebenswirklichkeit aufnimmt?
Quelle: Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

Und ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass mich dieser Text ärgerte.
Es ärgerte mich, weil mein Kollege so an den Menschen vorbei schrieb.
Es ärgerte mich, dass er nicht die Chance nutze, die Menschen anzusprechen: in ihrem ganz konkreten Leben mit einer ganz konkreten und lebensbezogenen Sprache.

… fott domet …!“ (kölsche Mundart)

Ich legte dann aber diesen Text beiseite und beachtete ihn nicht (mehr). [Ich gehe übrigens davon aus, dass viele Gemeindemitglieder ihn auch nicht beachten werden, weil er für sie nicht relevant ist. Dazu aber später mehr!]

… und wenn der Geist (nach-)wirkt …

Als ich also heute Morgen diesen Text aus dem Matthäus-Evangelium las, kam mir wieder der Text aus der Gemeindepublikation in den Sinn. Offenbar gibt es eine innere Verbindung zwischen meinem damaligen Ärger und dem heutigen Wort aus der Heiligen Schrift.

Deshalb ließ ich diesen Text aus dem Matthäus-Evangelium noch einmal auf mich wirken und mir vielen einige Formulierungen auf:

Collage: Gerd Wittka, 2019

Jesus sieht die Menschen

Hier und an anderen Stellen im Evangelium fällt mir immer wieder auf, dass davon berichtet wird, dass Jesus die Menschen ’sieht‘; er sieht sie an und schafft ihnen somit ein AN-SEHEN.

Das Ansehen ist aber nicht nur etwas, was dem Menschen geschenkt wird, der angesehen wird. Es ist auch ein zutiefst akiver Vorgang desjenigen, der ansieht.
Das bedeutet, dass Jesus in der Beziehung zu den Menschen immer sehr aktiv ist. Seine Richtung ist -> ‚auf die Menschen zu‘.

Quelle: Bild von Pamula REEVES-BARKER auf Pixabay

Und damit erreicht Jesus,

  • dass er nah bei den Menschen ist
  • dass er vertraut ist mit dem Leben der Menschen
  • dass er ihre Lebens-Themen kennt
  • dass er ihre Sehnsüchte und Suchbewegungen, auch geistlich wahrnimmt.

Ich stelle mir diesen biblischen Jesus als einen Menschen vor, dem ’nichts Menschliches fremd ist‘. Und da, wo er unbekanntes Terrain betritt, lässt er sich darauf ein; vielleicht lässt er sich auch überraschen von dem, was er selbst auch neu entdecken kann auf seiner ‚Reise zu den Menschen‘.

Jesus hat ‚Mitleid‘

Quelle: www.pixabay.com

Bei den Menschen zu sein, ihnen nahe zu sein und ihre Themen und Bedürfnisse zu kennen oder sie zumindest zu erfahren, das bewirkt Mitleid bei Jesus.
Und dieses Mitleid, diese Empathie, setzt etwas in Bewegung, machmal sogar buchstäblich, wenn Lahme wieder gehen können.
Es setzt – neben der körperlichen Befreiung von Gebrechen – aber immer auch eine umfassendere Befreiung in Gang: Befreiung von den Fesseln des alten Lebens, Befreiung von der Erfahrung nicht verstanden zu werden, Befreiung von erfahrenem Missbrauch und Heilung von Verletzungen.
Und in den Auferweckungsgeschichten wird deutlich: Jesus schafft Möglichkeiten für ein neues Leben, dass sich lösen kann vom Alten und Hergebrachten.

Die Zielrichtung muss stimmen ….

Wenn wir das Beispiel Jesu vor Augen haben, dann kann das nicht ohne Konsequenzen für unsere Seelsorge in dieser Zeit und hier in Deutschland bedeuten.
Seelsorge bedeutet heute, die Themen der Menschen an sich heran zu lassen, sich mit den Fragen der Menschen auseinandersetzen zu wollen und in ihr ganz konkretes Leben hinein, Begleitung anzubieten. Dieses Angebot muss aber auch von der Bereitschaft gestützt sein, die Wege der Menschen mitgehen zu wollen und nicht ihnen sagen zu wollen, wohin sie zu gehen haben.
Seelsorge muss immer eine mitgehende Seelsorge sein.

Quelle: wwwlpixabay.com

Für die grundsätzliche Haltung eines/einer jeden SeelsorgerIn bleibt das nicht ohne grundlegende Erkenntnis. Eine meiner Erkenntnisse daraus (auch angesichts des bevorstehenden Weihnachtsfestes) ist:

Wir müssen eine Seelsorge von den Menschen aus entwickeln, nicht von Gott aus.
Gott kann für sich selber sorgen.
Der Mensch bedarf eines fürsorglichen Gottes.
Nur deshalb war es sinnvoll, dass Gott selber in Jesus von Nazareth Mensch wurde.

In den heutigen Texten des TeDeums finde ich als ‚Ora et Labora‘-Text ein Zitat, das mich noch einmal bestärkt:


„Lehren, mein lieber, junger Mann, das ist kein Spaß. Gottes Wort, das ist glühendes Eisen. Und du willst es lehren, indem du es mit der Zange anfasst, um dir die Finger nicht zu verbrennen?
Du willst nicht mit beiden Händen danach greifen? Dass ich nicht lache.
(George Bernanos, 1888-1948, französischer Schriftsteller, zitiert nach „TeDeum, Dezember 2019, S. 69)


Ja, dieses Wort macht mir Mut, denn auch ich entdecke konkrete Themen, die mich in meinem seelsorglichen Alltag als Krankenhaus-Seelsorger berühren.
Da sind die Themen, die sich durch die Übernahme eines katholischen Trägers zum 01.01.2020 an eine schweizerische Holding ergeben. Es sind Themen und Unsicherheiten der Mitarbeitenden und wie wir uns als Krankenhaus-Seelsorger da positionieren.

Quelle: Bild von Tumisu auf Pixabay

Mit wird deutlich, dass wir in diesen Fragen und in der Begleitung von Mitarbeitenden nicht unkonkret bleiben können. Wir werden uns sicherlich auch dabei mindestens die Hände, wenn nicht sogar ‚das Maul‘ verbrennen und verbrennen müssen.

Quelle: Bild von Mabel Amber, still incognito… auf Pixabay

Und wenn sich andere darüber ärgern, dann ist das für mich nur eine Bestätigung, dass wir in der Sendung und Nachfolge Jesu nicht auf den falschen Weg sind, denn der Weg der Nachfolge Jesu und der Seelsorge für die Menschen heute und ganz konkret, ist ein steiniger Weg, wenn er eine Seelsorge meint, die für die Menschen relevant ist.




Down-Syndrom: Ich habe geschwiegen!

Bild von Ernie Stephens auf Pixabay

Vor einigen Tagen bei einem Arztbesuch:
Ich sitze im Wartezimmer. Es kommt ein älterer Mann, so mindestens Mitte 60 mit seinem Sohn (?), geschätzt um die 40 Jahre ins Wartezimmer. Der Sohn zeigt offensichtlich das Down-Syndrom (Trisomie 21). (Ich schreibe jetzt hier bewusst nicht, dass er an dem Down-Syndrom leidet, denn von Leid ist in seiner Lebendigkeit nichts zu spüren.)



Ja, der Sohn ist lebendig und redselig. – Ich bin zu sehr mit meinem Terminkalender beschäftigt, aber ich habe den Eindruck, dass er mit seinem Begleiter (Ist es der Vater?) darüber sprechen möchte, was er wahrnimmt. Der Sohn spricht normal in ‚Zimmerlautstärke‘, während meine Nachbarin, eine junge Frau so um die Anfang 20 an ihrem Smartphone spielt und im Warteraum auch ein für alle anderen wahrnehmbares Telefonat führt.

Der Vater nimmt seinen Zeigefinger und verschließt damit symbolisch seinen eigenen Mund und wendet sich mit dieser Geste seinem Sohn zu: „Pssst, leiser!“ entnehme ich seiner Äußerung.

Das war’s eigentlich schon!

Heute ärgere ich mich, dass ich geschwiegen habe!

Ich hätte doch auch dem Vater andeuten können, dass mich das Mitteilungsbedürfnis seines Sohnes nicht stört.
Ich hätte deutlich machen können, dass ich es normal finde, wenn man sich im Wartezimmer eines Artzes unterhält.
– Warum sollen wir uns im Wartezimmer eines Artzes nicht unterhalten?
Wir sind doch nicht im Konzert oder in einer Kirche!
Und das gilt doch für uns alle, ob mit oder ohne Trisomie 21!