Pharisäer und Zöllner?!

oder: von der Selbstgerechtigkeit zur Erlösungsbedürftigkeit

Diesem Impuls liegt das Evangelium des 30. Sonntags im Lesejahr C zugrunde, nachzulesen hier:
Lukas-Evangelium 18- 9-14

„Jesus erzählte einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis.“
So fängt es an. Und sofort spüre ich: Das wird unangenehm.
Denn wer hört schon gern, dass er vielleicht zu sicher von sich denkt?

Natürlich sind wir nicht gemeint.
Wir sind ja nicht selbstgerecht. Wir verachten niemanden.
Oder doch?

Manchmal – ganz unbemerkt – rutschen wir genau da hinein.
Ein Gedanke, ein Urteil, ein leiser Blick auf andere:
„Ich würde das so nicht machen…“
Und schon stehe ich mitten im Tempel,
neben dem Pharisäer.

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Ich sehe ihn vor mir.
Seine Haltung ist aufrecht, das Gewand sorgfältig geglättet.
Er meint es ernst, ehrlich.
Er will Gott gefallen.
Er hält die Gebote, er betet, er fastet, er gibt den Zehnten.
Ein Mensch, der sich bemüht.

Aber während er betet,
verengt sich etwas in seinem Herzen.
Sein Dank klingt hohl:
„Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen…“

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Er schaut auf andere hinab –
und merkt nicht, dass er damit Gott selbst aus dem Blick verliert.
Sein Glaube wird zum Spiegel,
in dem er sich selbst bewundert.

Und Gott – steht irgendwo am Rand.

Dann, ein paar Schritte weiter hinten,
steht der andere.
Der Zöllner.

Einer, den keiner im Tempel haben will.
Er gehört zu den Leuten, die man lieber übersieht.
Einer, der vom System profitiert hat,
der Geld genommen hat, wo er konnte.

Aber jetzt steht er da –
still, beschämt, mit gesenktem Kopf.
Er hat keine großen Worte, keine frommen Formeln.

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Nur diesen einen Satz:
„Gott, sei mir Sünder gnädig.“

Ein Satz – aber einer, der aus der Tiefe kommt.
Ein Gebet, das mehr Tränen als Worte enthält.
Ein Gebet, das sich traut, ehrlich zu sein.

Und Jesus sagt:
Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück.
Er – nicht der andere.

Ich stelle mir das vor.
Wie der Zöllner den Tempel verlässt,
die Sonne ihn blendet,
und er zum ersten Mal seit langem wieder aufrecht geht.
Nicht, weil er alles richtig gemacht hätte.
Sondern, weil er erfahren hat:
Gott sieht ihn.
Und Gott hat Erbarmen.

Ich denke an Momente,
in denen ich selbst um Verzeihung bitten musste.
Wenn ich jemanden verletzt hatte,
wenn ich nicht weiter wusste.
Wie schwer es war, das auszusprechen.
Aber wenn der andere spürte, dass es mir ernst war,
dann konnte etwas Neues entstehen.
Das Verhältnis veränderte sich.
Da war plötzlich Luft.
Wärme.
Leben.

Vielleicht ist das genau das,
was Jesus uns mit dieser Geschichte schenken will.
Einen neuen Blick.
Auf Gott –
und auf uns selbst.
Denn wir alle stehen irgendwann da
wie der Pharisäer – sicher, überzeugt, stark.
Und wir alle stehen irgendwann da
wie der Zöllner – beschämt, zerbrochen, ehrlich.
Beide Male sieht Gott uns an.
Und sagt:
„Komm. Ich kenne dich. Ich liebe dich. Ich bin dir gnädig.“

Vielleicht ist das am Ende das Schönste an dieser Geschichte:

dass sie gar nicht schwarz-weiß bleibt.
dass Gott weder den einen verdammt noch den anderen verklärt.
sondern dass er beide Seiten in uns sieht –

den Stolzen und den Zerbrochenen –
und diese beiden Seiten in seiner Liebe in uns zusammenführt

und versöhnt!

„Zwei Menschen gingen hinauf zum Tempel, um zu beten…“
Einer von ihnen bin ich.
Oder vielleicht – beide?!




Selbstgerechtigkeit

„Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“ (Lk 18, 6f)

Predigt zum 30. Sonntag – C – 2019 (27.10.2019)

Textbezug: Lukas 18, 9 – 14
siehe auch: https://www.bibleserver.com/EU/Lukas18,9-14

Liebe Gottesdienstgemeinde,

morgen geht die dreiwöchige sogenannte Amazonas-Synode in Rom zu Ende.

Symbolbild, Foto: sabetheli, www.pixabay.com

Haben Sie davon gehört?
Hier wurde beraten, wie die Kirche in Amazonien neue Wege in die Zukunft gehen kann.
Das Motto lautet: „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“.
Ein Thema war auch, wie die Seelsorge in einem riesigen und schwer zugänglichen Gebiet gesichert werden kann.
Zu diesem Themenkomplex gehört auch die Frage der Priesterweihe von verheirateten Männern, aber auch die Zulassung von Frauen zur Diakonen-Weihe.

Dabei sind sich viele darüber einige, dass die Fragen der Kirche in Amazonien in vielen Teilen deckungsgleich sind mit den Fragen der Kirche im Rest der Welt.
So wären also Antworten hinsichtlich verheirateter Männer zum Priesteramt oder das Diakonat der Frau auch für die gesamte Weltkirche von Bedeutung.



Derweil zieht in Deutschland die Aktion „Maria 2.0“ immer größere Kreise. Was als Fraueninitiative begonnen hat, erreicht mehr Zustimmung auch bei Männern in der Kirche. Selbst Bischöfe äußern sich mehrheitlich verständnisvoll und unterstützen teilweise die Anliegen von Maria 2.0.
Plakativ ausgedrückt geht es dieser Aktion um die Frage nach der Rolle und nach den Rechten der Frau innerhalb der katholischen Kirche. Hier geht es nicht nur – zwar auch – um die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern, sondern um eine Gleichberechtigung der Frauen gegenüber den Männern in der Kirche.
Ein Kirchenstreik im Frühjahr hatte dabei große Aufmerksamkeit gefunden, als Frauen eine Woche lang keine Kirche betraten und auch eine Woche lang ihr ehrenamtliches Engagement in der Kirche niederlegten.

Diese beiden aktuellen kirchenpolitischen Ereignisse und die Frage des Umgangs der Kirche im Missbrauchsskandal führt zu vielfältigen Diskussionen in den unterschiedlichsten Kreisen.
In den verschiedenen Medien bis in die sogenannten sozialen Medien gibt es viele Diskussionen um diese Themen.

Und hier bei uns in der Pfarrei?

Nu: in Teilen unserer Pfarrei werden Antworten gesucht, wenn es z.B. darum geht, wie das Votum des Pfarreientwicklungsprozesses (kurz „PEP“ genannt) konkret umgesetzt werden muss?
Dabei geht es mitunter auch sehr kontrovers zu.

Aber ansonsten habe ich persönlich den Eindruck, dass die gerade skizzierten Fragen z.B. über die Rolle der Frau in der Kirche bei uns in der Pfarrei wenig bis gar nicht vorkommen.

Nur heute Morgen fand – auf Stadtebene – ein ‚gesellschaftspolitisches Frauengespräch‘ statt. Aber auch dort ging es ganz allgemein um die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft. Doch welche Rolle die Frau in der Kirche spielt und auch zukünftig spielen kann, scheint bei uns hier kein Thema zu sein.

Und noch etwas anderes kann man beobachten.

Foto: prettysleepy1/www.pixabay.com

Da, wo die Themen: Zölibat, Zulassung von Verheirateten zum Priesteramt, Diakonen- oder Priesteramt der Frau diskutiert werden, melden sich auch gleich jene zu Wort, die strikt und massiv dagegen sind.
Sie begründen ihre Haltung damit, dass die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern nicht mit dem Willen Jesu übereinstimme;
dass das gegen die Lehre der Kirche stünde;
dass das die Kirche spalten würde.

Manche, die gegen jegliche Veränderung in dieser Hinsicht in der Kirche kämpfen, scheuen sich sogar nicht davor, den anderen vorzuhalten, sie stünden nicht mehr in der Gemeinschaft der katholischen Kirche als Weltkirche; sie seien „nicht mehr katholisch“, sie wollten die Kirche ruinieren.
Diese ganzen Diskussionen hätten nur den Zweck, sich dem Zeitgeist anzupassen, und Frauen, die die Zulassung zu den Weiheämtern fordern „ginge es ja nur um die Macht“.

Ihre eigene Haltung sehen sie hingegen als die einzige Möglichkeit an, wie die Zukunft der katholischen Kirche dauerhaft retten könne.

In dieser Diskussion kann man also sehr leicht eine Einteilung entdecken: „Wir hier!“ und „Die da!“

Die am Bisherigen festhalten wollen, verstehen sich oftmals als jene, denen es wirklich um die katholische Kirche ginge, während es den anderen nur darum ginge, zu spalten.

Kontoverse und Dialog

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist gar nicht schlimm, dass es auch in unserer Kirche unterschiedliche Positionen gibt.
Es ist nicht schlimm, dass es jene gibt, die meinen, die bestehenden Verhältnisse in der Kirche wären zukunftsfähig, während es auch jene gibt, die die entgegengesetzte Meinung vertreten.

Bild von Iván Tamás auf Pixabay

Schlimm wird es nur, wenn eine Seite beginnt, der anderen ihre Rechtgläubigkeit, ihre Katholizität absprechen zu wollen.
Schlimm wird es, wenn man jene, die ebenfalls aus christlicher Überzeugung und aus Liebe zur Kirche nach neuen Wegen suchen.

Schlimm wird es erst recht, wenn die einen meinen, ihre Ansicht sei rechtgläubiger und entspräche mehr der Katholizität, als die Haltung der anderen.
Dann fehlt es nicht viel und wir sprechen wieder lautstark von „Ketzern“, „Häretikern“ und „Abtrünnigen“, und dies nur, um jene, die eine andere Ansicht habe, zu diskreditieren.

Wenn ich dann das heutige Evangelium lese, habe ich den Eindruck, dass das, was Jesus da kritisiert, gar nicht so weit entfernt ist von dem, wie wir heute manchmal in der katholischen Kirche miteinander umgehen.

• Anstatt andere zu diskreditieren, sollten wir lieber offen und tabulos diskutieren.

• Anstatt andere mundtot machen zu wollen, sollten wir lieber miteinander ins Gespräch kommen.

• Anstatt andere zu verteufeln, sollten wir lieber unsere Ebenbildlichkeit Gottes im anderen suchen und erkennen.

• Anstatt zu meinen, dass wir die Kirche verteidigen und retten müssten, sollten wir uns lieber daran erinnern, dass es immer noch die Kirche Jesu Christi ist, zu der er selbst uns berufen hat, und der er zugesagt hat, sie durch den Heiligen Geist zu leiten, bis zu seiner Wiederkunft.

• Anstatt unsere vermeintliche Rechtgläubigkeit vor uns herzutragen, sollten wir in aller Bescheidenheit dankbar sein, dass wir zu Christus gehören, der uns gesandt hat, SEINE frohe und befreiende Botschaft in die Welt zu tragen und den Menschen von heute verständlich zu machen.

Denn nicht aus eigenem Vermögen oder weil wir so toll sind, sondern aus Gnade und göttlicher Berufung sind wir Teil seines mystischen Leibes, der Kirche.