Von ‚unsichtbaren‘ Krankheiten (1)

Seit über 25 Jahren leide ich am Reizdarm-Syndrom und seit über sieben Monaten am Post-Covid-Syndrom: zwei unsichtbare Krankheiten …



Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

… die für viele unsichtbar sind, aber mein Leben dominieren können.


„Nur, wem man die Krankheit ansieht, ist auch krank!“

Dieser provokante Satz ist nicht meine Überzeugung, sondern – leider – eher meine Einsicht, zu der ich in den letzten Jahren gelangt bin und die sich durch mein momentanes Post-Covid noch verstärkt hat.
Deshalb will ich darüber schreiben.

Hier konkrete Beispiele:

Foto: Gerd Wittka, September 2013

Als ich 2013 im September einen schweren Unfall hatte, mir einen Trümmerbruch im Wadenbein und einen Spiralbruch im Unterschenkel zuzog, ich daran operiert wurde, drei Wochen im Krankenhaus lag und noch einige Monate brauchte, um durch Physiotherapie buchstäblich wieder auf die Beine zu kommen, da wurde diese ‚Krankheit‘ in meinem Umfeld akzeptiert. Ich bekam viele Rückmeldungen und auch gute Genesungswünsche.

Symbolbild, Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

Als ich Ende 2019/Anfang 2020 an einer depressiven Episode erkrankte und fast sieben Monate arbeitsunfähig war, sah es ganz anders aus.
Es gab nur wenige Menschen, die nach mir fragten, die mir gute Besserung gewünscht haben.
Selbst aus dem beruflichem Umfeld gab es nur wenige Kolleg:innen, die sich nach mir erkundigten und mich ermutigten.
Besonders enttäuschend war, dass sich mein damaliger ‚Dienstvorgesetzter‘ nie von sich selber aus nach mir erkundigt hatte. Und wenn ich ihm über meine Verlängerung der AU per Email informierte kam von ihm allenfalls eine knappe Email mit „Gute Besserung!“ oder ähnlichen Plattitüden zurück.
Heute bin ich froh und dem Himmel dankbar, dass er seinen Platz als ‚Dienstvorgesetzter‘ geräumt hat; sonst hätte ich meinen Platz verlassen und unseren Bischof um Versetzung gebeten.

Dabei denke ich: wenn jemand so viele Monate ausfällt und nicht arbeitsfähig ist, ist dieser Menschen dann weniger schwer krank, als wenn er sich Gliedmaßen gebrochen hat?!

Aus diesem Grund habe ich den provokanten Satz am Anfang dieses Absatzes gewählt.

Und diese ‚Erkenntnis‘ deckt sich mit den Erfahrungen vieler Menschen, die ich in den letzten vierzehn Jahren in einer psychiatrischen Klinik seelsorglich begleiten durfte.

Psychisch krank zu sein, dass müsse irgendetwas mit einer schwachen Persönlichkeit zu tun haben.
Oder sie wird als mangelnde ‚Belastbarkeit‘ verstanden, die als negative Persönlichkeitseigenschaft gewertet wird. Aber psychisch krank zu sein, sei doch keine ‚richtige‘ Krankheit, die ebenso viel Empathie, Fürsorge und menschlichen Beistand erfordert, wie wenn man körperlich krank ist.

„Da reißt man sich eben halt mehr zusammen!“, denn: „Es ist ja nicht nur alles schwarz-weiß, man muss nicht alles so negativ sehen!“ und „Man muss sich nur mal einen Ruck geben!“, weil „… andere es ja auch schwer haben ….!“

Von solchen oder ähnlichen – wenig hilfreichen – Sätzen wissen gerade psychisch erkrankte Menschen zuhauf zu berichten!

Für Manche sind psychische Erkrankungen halt eher eine Charakterschwäche als eine ‚echte Krankheit‘!

Das bringt psychisch erkrankten Menschen noch zusätzliche Belastungen und Leiden!

Phasenweise – sichtbar – krank

Zu diesen Krankheiten, die wenig sichtbar sind und deshalb auch weniger wahr- und ernstgenommen werden, sind Erkrankungen, wo die Krankheit nur phasenweise ’sichtbar‘ wird.

Mittlerweile darf ich mit zwei unterschiedlichen Erkrankungen diese Erfahrung machen.

Das eine ist meine Reizdarmerkrankung, die ich schon seit über 25 Jahren habe und die meinen Alltag massiv prägt.
Ich weiß nie, ob und wann ich wieder diese fürchterlichen Darmkrämpfe bekomme, die mich noch vor einigen Jahren teilweise einen halben Tag ins Bett getrieben haben, verbunden mit unkontrollierbaren Stuhlgängen, die ich unter Schmerzen auf dem WC erleben musste.
Und dann diese Angst, irgendwo unterwegs zu sein und dann dringend ‚Müssen‘ zu müssen, aber kein WC in der Nähe zu haben.
Die Angst, sich buchstäblich ‚in die Hose zu machen‘ und der psychische Stress, der daraus entsteht.
Damit verbunden, immer wieder Einladungen, Begegnungen oder Unternehmungen nicht wahrzunehmen, weil da immer diese Angst vor irgendwelchen ‚Zwischenfällen‘ mitschwingt.

Da nutzt es dann wenig, wenn ich zu denen gehöre, die immer sehr früh wissen, wo es ein ‚öffentliches WC‘ gibt oder der sogar schon Apps auf seinem Smartphone hat, die öffentliche WC’s anzeigen und der dann – selber bei solchen Toiletten angekommen und sie auch benutzt – ‚Erfahrungsberichte‘ in diesen Apps postet, damit andere Leidensgenoss:innen auch immer auf dem aktuellen Stand sind und ggfs. nicht vor verschlossenen Türen stehen.

Wenn andere von diesem Leiden etwas mitbekommen, dann belastet mich das maximal.
Denn dann sehen sie es meinem Gesicht an, wie ich versuche, mit den Schmerzen zurecht zu kommen; oder wie ich durch die Krämpfe gekrümmt auf einem Stuhl oder im Sessel sitze; manchmal kann ich dann nur noch liegen, mit einer Bauchwickel gewappnet.
Oder wenn ich wimmernd vor Schmerzen auf dem Klo sitze und fürchte, dass jemand mein Wimmern mitbekommt.
Dann ist es für mich besonders schlimm.
Mit meinen RDS leide ich lieber allein, ungesehen und unbemerkt!

Beschwerdefrei hingegen, sieht man es mir nicht an:
Ich führe dann hochkonzentriert seelsorgliche Begleitungsgespräche, sitze in Sitzungen und protokolliere vielleicht sogar recht professionell die Sitzung oder stehe sehr souverän vor Menschen, wenn ich einen Gottesdienst leite.
Dann ist da keine Spur von dem sichtbar, was ich im Verborgenen erleide.

‚Kann dieser Mensch, der da so souverän auftritt und so zuverlässig und empathisch seine Arbeit machen kann, gleichzeitig gesundheitlich so eingeschränkt sein?!‘, werden sich manche fragen.

Deshalb wundert es mich nicht, dass Außenstehende meine Belastungen nicht immer gut nachvollziehen können.

Neu im Portfolio: Post-Covid

‚Fatigue‘ – Symbolbild, www.pixabay.com

Und jetzt habe ich seit über sieben Monaten eine neue solche ‚unsichtbare‘ Krankheit in meinem persönlichen Portfolio: Post-Covid!

Bei der Post-Covid-Diagnose handelt es sich – genau so wie beim Reizdarmsyndrom – um eine sogenannte ‚Ausschlussdiagnose‚.
Das bedeutet, dass die Symptome wie „Brainfog“, Konzentrations- und Sprechstörungen, Erschöpfung, Müdigkeit, Schwindel, Schlafstörungen oder -losigkeit, Fatigue, Atembeschwerden und viele andere Symptome, nicht von einer anderen Krankheit herrühren dürfen.
Dementsprechend musste ich verschiedene Fachärzte aufsuchen, von Pneumologen über Kardiologen, etc.!
Nun habe ich die Diagnose und bin damit aber nicht besser dran, weil es keine zuverlässigen Behandlungsmethoden und Therapien gibt, die empirisch eine signifikante Verbesserung oder gar Heilung in Aussicht stellen.
Die Forschung von Post-Covid und der Behandlung steckt noch in den ‚Kinderschuhen‘.

Nachdem ich mich sieben Monate mit den Beschwerden durch meinen beruflichen und privaten Alltag laviert habe und oft nur drei Stunden aktiv sein konnte, weil ich dann unter totaler Erschöpfung litt, musste nun die ‚Reißleine gezogen werden‘ und mein Arzt hat mich aus dem Verkehr gezogen.

Und so erlebe ich weiter die Höhen und Tiefen von Post-Covid.

Für mich habe ich entschieden, erst einmal nur noch meinen Gottesdienst samstags im Krankenhaus zu feiern, denn auch während der AU würde ich ja an einem Gottesdienst teilnehmen wollen.
Mit der Gottesdienstgemeinschaft habe ich den Deal gemacht, dass ich keinen großen Aufwand mit Predigtvorbereitungen etc. leisten könnte, ich aber den Gottesdienst anbieten würde, wenn sie damit einverstanden sind. Sie sind damit einverstanden und so gibt es dann schlichtere Gottesdienste, als man es von mir gewohnt ist.
In dieser Zeit während des Gottesdienstes merkt man mir mein Post-Covid auch wohl kaum an; manchmal verspreche ich mich etwas, weil mir die Konzentration schwer fällt, aber sonst?

Damit das so läuft, habe ich ja auch was dafür getan:
Vor dem Gottesdienst lege ich mich gut eine Stunde ins Bett, um für den Gottesdienst Kräfte zu sammeln.
Und wenn ich dann nach gut zweieinhalb Stunden wieder zuhause bin (mit Vor- und Nachbereitungszeit vor Ort!), dann bin ich wieder reif fürs Bett. Also lege ich mich dann wieder hin, manchmal auch nur auf die Couch.


PPP

… nein, ich habe mich nicht vertippt!
Die drei ‚P‘s, stehen für eine therapeutische Methode, mit der Menschen, die von Post-Covid betroffen sind, einen erträglichen Alltag ermöglichen könnte.

P(acing), P(lanning) und P(riority)

Bild von Nicolae Baltatescu auf Pixabay

Pacing

meint die sensible Wahrnehmung der eigenen Belastungsgrenzen. Wer seine Belastungsgrenzen kennt, kann mit dem ihn eigenem Tempo und Intensität an Aufgaben des Alltags herangehen.
Dabei sind die Belastungsgrenzen nicht statisch und deren Entwicklung geht auch nicht immer nur in eine Richtung -> aufwärts.
Belastungsgrenzen verändern sich in beide Richtungen, und was gestern noch meine Belastungsgrenze war, kann ich heute schon eine deutliche Überschreitung der gestrigen Grenze werden.
Die Folge ist, dass ich jeden Tag neu sensibel auf meine Kräfte schauen muss und nur ausprobieren kann, was gehen könnte.

Ein Beispiel von gestern und heute (19./20. Juni 2024)

Aus meinem Gesundheitstagebuch vom 19. Juni:

Von meinen Brüdern und anderen lieben Menschen, die mir nahestehen, bekam ich ermutigende Rückmeldung, die mich bestärkten.
Doch heute, am 20.06.2024 sieht mein Tagebucheintrag um 13.30 Uhr schon anders aus:

Das ist eine Pacing-Erfahrung, die mich vorsichtig machen kann, aber die mich auch ermutigt, situativ angepasst mit meinem Alltag umzugehen.

Planning

Bild von Pexels auf Pixabay

Aus den Erfahrungen anderer Tage und dem sensiblen Hinschauen der momentanen Verfassung kann ich dann gezielt meinen Alltag planen.
Ja, ich muss vorher mehr als sonst überlegen, was will ich an diesem Tag tun?
Wofür werden mir die Kräfte reichen?

Und wenn ich dann einen Wust von Aufgaben sehe, die ich eigentlich noch zu erledigen haben, muss ich den dritten Aspekt der „3-P’s“ berücksichtigen.

Priority

Foto von Brett Jordan auf Unsplash

Ich muss einfach Prioritäten setzen!
Habe ich in den letzten sieben Monaten die Priorität gesetzt, fit für meine Arbeit sein zu wollen, um dann am Tag drei maximal vier Stunden arbeiten zu können, bin ich nach sieben Monaten nun zu einer anderen Priorisierung gekommen:

Mein Leben – mein Leben und mein persönlicher Alltag mit all den Aufgaben, die ich auch bei mir privat zuhause zu erledigen habe -, kann nicht allein zugunsten der Priorität „Dienst“ hinten anstehen!
Mein Leben besteht nicht nur aus meinem Dienst, sondern auch aus anderen Erfordernissen und Aufgaben, die ich entweder erledigen muss (Haushaltsführung, wirtschaftliche Aktivitäten) oder dem dringenden Bedürfnis, zu einer ‚work-life-balance‘ zu kommen.

Das Wort: „Liebe deinen Nächsten, wie DICH selbst!“ ist gerade in solchen Situationen auch eine persönliche Herausforderung an mich als Seelsorger.
Ich kann nicht immer nur versuchen, diese christliche Sichtweise anderen näher zu bringen. Dieses Gebot gilt auch für mich selber!

Wenn ich davon überzeugt bin, muss ich versuchen, es in meinem eigenen Leben zu beherzigen.


Für heute möchte ich mit diesen Zeilen erst einmal Schluss machen, weil ich spüre, dass ich wieder Grenzen erreiche.

Ich möchte mit diesen Zeilen auf das Thema: ‚unsichtbare Krankheiten‘ hinweisen, die zwar schon medizinisch erkannt und diagnostiziert, aber vom Umfeld der Erkrankten nicht oder nur kaum wahr- und ernst genommen werden.

Später mehr dazu …!




So einfach wie möglich …

Predigt zum 31. Sonntag – 2021

Schriftstelle: Mk 12, 28-34

Mezuzah mit dem Schema Jisrael (hebräisch שְׁמַע יִשְׂרָאֵל šma‘ yiśra’el; deutsch ‚Höre, Israel!‘) – www.pixabay.com

Liebe Schwestern und Brüder,

unser Leben und unsere Welt ist ganz schön kompliziert geworden – so jedenfalls erfahren es viele Menschen in unserer Zeit.

So viel Neues wirkt auf uns ein: unterschiedliche Themen, die in Staat, Kirche und Gesellschaft diskutiert werden, wie Klimawandel, Corona-Pandemie, soziale Gerechtigkeit, Digitalisierung, …

Manchen ist das einfach zu viel und sie drängen auf einfache Anworten.



Jeder würde zustimmen, dass es sinnvoll ist, es den Menschen so einfach wie eben möglich zu machen.

Doch die Sehnsucht, es immer besonders einfach und mundgerecht zu bekommen, birgt auch eine Gefahr in sich.
Wir können das insbesondere im politischen Alltag sehen.

Vereinfachung kann zu einer mangelnden Unterscheidung führen.
Vereinfachungen machen aus einer bunten, vielfältigen Welt eine eintönige Schwarz-Weiß-Landschaft.

Eine solche Haltung birgt die Gefahr einer Ideologisierung und messerscharfen Abgrenzung; es gibt starre Grenzen und keine fließenden Übergänge mehr.

Von Albert Einstein soll der kluge Satz stammen:

„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“.

Gilt dieses Anliegen auch in religiösen Dingen?

Ich denke, in gewisser Weise schon.

Im Laufe der beiden letzten Jahrtausende haben sich im Christentum, und hier insbesondere in der römisch-katholischen Kirche eine Fülle von Regelungen und Vorschriften eingeschlichen.
Ursprünglich entstanden aus sehr konkreten Alltagsfragen, wurden Antworten niedergeschrieben, Konzilien abgehalten, Dekrete erlassen und nicht zuletzt auch verschiedene Katechismen bis hin zum sogenannten Lasterkatalog.

Die Menschen – so meinte man – bräuchten eher klare Ansagen, als irgendwelche grundlegenden Aussagen, die sie dann mit ihrem Verstand und dem Wirken des Heiligen Geistes in ihr konkretes Leben übersetzen können.

Nicht selten wurden und werden immer noch deshalb manche Katholik:innen zu Skrupulant:innen, in der Sorge, sich nicht ausreichend genug nach den vielen verschiedenen Regeln gehalten zu haben.

Es scheint einen Zusammenhang zu geben, zwischen der Komplexität unserer Umwelt, die wir tagtäglich erfahren und dem Wunsch nach klaren Regeln, damit man sich nicht länger als nötig mit bestimmten Fragen des Christseins auseinander setzen muss.

„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“, so könnte man das vielleicht umschreiben, wir Jesus sich im heutigen Evangelium verhält.

Als Jesus heute von einem Schriftgelehrten nach dem ersten Gebot gefragt wurde, antwortet Jesus – ganz aus jüdischer Tradition heraus – mit dem „schema Israel“: „Höre, Israels, der Herr, unser Gott ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele…“.
Und dann fügt er hinzu:
„Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“

Quelle: www.pixabay.com

Wenn wir diese Aussage Jesu vergleichen mit den Traktaten von Vorschriften und Verordnungen aus der Kirche, dann erkennen wir einen gravierenden Unterschied.

Nicht die bis ins kleinste Detail erörterten Fragen und deren Antworten sind es, worauf es beim Christsein ankommt.
Das wäre so einfach: aufschlagen, lesen, verinnerlichen und danach handeln.

Mit seiner Antwort liegt Jesus eigentlich ganz im Gedankengang von Albert Einstein.
Seine Antwort ist so einfach; aber zugleich ist es sie auch nicht.

Denn seine Antwort muss von den Menschen mit gläubigen Herzen aufgenommen und verstanden werden.
Nur dann kann eine solche allgemeine Aussage auf unseren Lebensalltag herunter gebrochen werden. Nur dann müssen wir uns selber immer wieder mit konkreten und neuen Sachverhalten auseinander setzen und dort auch eine christliche Position einnehmen.

Dies geht aber nur, wenn wir uns immer wieder neugierig und staunend mit den Fragen beschäftigen: wie konkret wird Gottesliebe und Nächstenliebe in meinem Leben umgesetzt?
Genau so wichtig ist auch die Beantwortung der Frage: In wieweit liebe ich mich selber so, dass ich andere Menschen lieben kann?

„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“.

Ich denke, das ist ein Gedanke, den wir aus dem heutigen Evangelium mitnehmen können:

Wenn das Leben um uns herum zu kompliziert und vielschichtig wird, können wir uns auf das Wesentliche besinnen, um dann davon unser Christsein und Handeln abzuleiten.




Impfen – Ein Gebot der Nächstenliebe

Was vor einem Jahr noch undenkbar war, nun ist es Realität: Deutschland verfügt über genügend Impfstoffe, damit alle, die geimpft werden können auch eine Impfung erhalten können.
Doch die Impfbereitschaft stagniert.
Erstgeimpfte nehmen ihre zweite Impfung nicht wahr. Manche sagen den Termin noch nicht einmal ab, so dass Gefahr besteht, den bereitstehenden Impfstoff vernichten zu müssen, weil er so kurzfristig nicht verimpft werden kann.

Quelle: www.pixabay.com

Das ist ein großer Skandal und zeugt von einer Verantwortungslosigkeit, die nicht entschuldbar ist, wenn es keine gravierenden Gründe gibt, die zweite Impfung nicht wahrzunehmen und den Termin nicht abzusagen.

Jene, die sich impfen lassen können, aber noch nicht geimpft sind, erinnere ich gerne daran, dass das Gebot der Nächstenliebe kein theoretisches Gebot ist, sondern sich in aktivem, verantwortlichen Tun zeigt.

Ich habe deshalb eine ganz klare Meinung dazu: wer sich impfen lässt, lebt das Gebot der Nächstenliebe ganz aktiv.

Und es gibt kaum eine leichtere Möglichkeit, dieses Gebot zu leben und zugleich selber davon zu profitieren.




ER.MACHT.MUT

Quelle: www.pixabay.com

Tages-Evangelium vom 30.01.2021

Mk 4, 35-40

35 Am Abend dieses Tages sagte er zu ihnen: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren.
36 Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn.
37 Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann.
38 Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?
39 Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.
40 Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?

Quelle: https://www.bibleserver.com/EU/Markus4%2C35-40

Zurechtweisung oder Ermutigung? …



Was hörst du zuerst heraus?

Je nachdem, wie wir persönlich gestrickt sind, werden wir dieses Tagesevangelium ‚anders‘ hören.

Manche berichten davon, dass sie in erster Linie die Zurechtweisung heraushören, die Jesus gegenüber seinen Jüngern vornimmt. Andere wiederum hören mehr die Ermutigung heraus?

Zu welchem Schlag gehörst du?
Was wir am stärksten heraushören, kann auch viel über uns selber aussagen.
Sehe ich mich eher als Menschen, der sich eher abhängig davon macht, was andere über mich denken? Oder gehöre ich eher zu den Menschen, die sich weniger darum scheren, was andere über mich denken?

Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass wir – je nachdem zu welchem Menschenschlag wir gehören – dieses oder jenes deutlicher heraushören können.
Das will ich hier nicht weiter vertiefen, aber es lohnt sich, auch einmal darüber nach zu denken. Und vielleicht wird es auch eine spannende Ent-deckungs-reise, wenn wir uns fragen, worin der Grund liegen kann, dass wir das Evangelium eher so oder so lesen und hören?

„Jede Leistung beginnt mit der Entscheidung, es zu versuchen.“ Quelle: www.pixabay.com

[ Exkurs: Ich gestehe, dass ich wohl eher zu den Menschen gehöre, die als erstes die Zurechtweisung heraus hören. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich mich immer wieder zu sehr darum kümmere, was andere von mir denken. Das mag darin liegen, dass ich wohl eher darauf bedacht bin, dass andere nicht über mich urteilen und ich mich darum sorge, dass sie mir nicht gerecht werden.
Dabei versuche ich zu lernen, mich immer weniger davon abhängig zu machen. Denn: wie kann ich mir wünschen, von anderen ‚verstanden‘ zu werden, wenn es in meinem Leben nur eine Person, maximal zwei Personen gibt, die MICH KENNEN?

Meine erste geistliche Begleiterin hat mich mal auf die Spur gesetzt, mir bewusst zu werden, dass nur Gott allein mich kennt und um meine Wahrheit weiß. Und: dass, je mehr ich mich meiner Wahrheit öffnen kann, ich auch mehr und mehr zur Selbst-Erkenntnis komme. Was also, fragte sie mich, scherst du dich immer wieder darum, von anderen verstanden zu werden? Was scherst du dich darum, von anderen im richtigen Licht gesehen zu werden? – Und ja, sie hat ja so Recht! GOTT allein kennt mich so, wie ich bin. Und ER liebt mich so wie ich bin.
Deshalb nutzt es nicht viel, sich von der Sichtweise anderer auf mich oder gar von ihr Urteil über mich abhängig zu machen! Das raubt nur die Energie, die ich sinnvoller woanders einsetzen kann!
Lebe im Einklang mit Gott! – Das ist der Impuls, den ich für mich persönlich daraus ziehe.]

Kommen wir aber zurück auf das Evangelium.

Ich sagte es bereits: je nachdem, wie wir gestrickt sind, werden wir als erstes Zurechtweisung oder Ermutigung in diesem Text sehen.
Wenn wir unseren Blick aber darauf trainieren wollen, das Evangelium als „frohe Botschaft“ zu lesen, dann wäre es doch logisch, auch diesen Text eher als Ermutigungstext zu verstehen, oder?

Vertrauen in Jesus – Vertrauen in Gott

Ohne Vertrauen – unmöglich! Quelle: Bild von Ulf Berner auf Pixabay

Also lasst uns diesen Aspekt in den Blick nehmen.
Jesus bekümmern die Naturgewalten nicht. Er lebt in einem Gottvertrauen, dass seine Jünger offenbar in dieser Weise noch nicht besitzen.
Wir sollten nicht glauben, sie hätten überhaupt kein Gottvertrauen! Denn: hätten sie keines, wie konnten sie sich dann so radikal in die Nachfolge Jesu Christi begeben.
Wer Christus nachfolgt, der hat auch Gottvertrauen mit im Gepäck.

Wie bei vielen anderen Dingen gibt es aber auch vom Gottvertrauen manchmal etwas weniger oder manchmal ganz viel.

Ich meine, Jesus hatte ganz viel Gottvertrauen, seine Jünger*innen aber wohl eher weniger. Deshalb werden sie auch nervös, als Wind und Wellen am Boot rüttelten.
Zumindest zeigt sich aber auch in dieser Situation ihr „Gott“-Vertrauen, in dem sie sich an Jesus wenden, ihn aus seinem Schlaf reißen und von IHM Hilfe erwarten.
Ihr Gott-Vertrauen geht den Weg über das Vertrauen in ihren Meister (Rabbi). Sie spüren intuitiv, dass er in einer direkten Verbindung zu Gott steht.

Jesus erkennt das und enttäuscht die Seinen nicht; er gebietet dem Sturm und der Sturm gehorcht ihm.

Ja, das ist die Stelle, die die Macht Jesu offenbart als den einzigen Sohn des Vaters.

Ermutigung zuerst …

Ich möchte diesen Text immer mehr und zuerst als Ermutigung an mich lesen und verstehen.

Jesus zeigt uns, dass er aus einem unmittelbaren Gottvertrauen lebt. Und er hilft auch mir auf die Sprünge. ER enttäuscht mich nicht in meiner Hoffnung IHM gegenüber, aber er ermutigt mich, zu einem gleichen direkten Gottvertrauen, wie er es hat.

Jesus ist in diesem Evangelium für mich nicht nur der Retter, sondern auch der Ermutiger.
Auch ich kann ruhiger schlafen, wenn die Stürme des Lebens über mich hereinbrechen. Auch ich kann gelassener durchs Leben gehen, wenn ich lerne, mehr und mehr Gott in meinem Leben zu vertrauen, IHM mehr zu zu muten, als bisher.

Und natürlich – das weiß ich aus meiner über fünfzigjährigen Lebensgeschichte – wird es immer wieder Situationen und Gelegenheiten geben, wo mein Gottvertrauen Risse bekommt, wo Zweifel subtil ihren Einfluß auf mich ausüben.
Aber wenn diese Zweifel und Mutlosigkeiten mich dazu bringen, den Herrn um Hilfe zu bitten, dann zeigt sich – erstaunlicherweise – darin auch etwas von meinem Gottvertrauen.

Denn: hätte ich überhaupt kein Gottvertrauen, dann würde ich von ihm auch keine Rettung und kein Heil erwarten.

Wie denkst du darüber?




“ … mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken …“

Impuls zum 30. Sonntag – Lesejahr A – 2020 –
Bezugstext: Mt 22, 34 – 40

https://www.bibleserver.com/EU/Matth%C3%A4us22,34-40


Wissen Sie eigentlich im Detail, welche Schutzregeln jetzt gerade wegen der Corona-Pandemie im öffentlichen Leben und auch hier in der Kirche gelten? —

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn ja, dann haben Sie in den letzten Tagen aufmerksam die Nachrichten aus der Kommune und seitens unseres Bistums und unserer Pfarrei verfolgen können.

Wenn nicht, dann bin ich mir sicher, dass Sie damit nicht allein sein.

Die Herausforderung unserer jetzigen Zeit ist, dass sich immer wieder Regelungen und Empfehlungen im Umgang mit der Corona-Pandemie ändern. Diese Änderungen sind der aktuellen Infektionslage aber auch der besseren wissenschaftlichen Erkenntnis im Umgang mit diesem Virus geschuldet.

Dennoch habe ich Verständnis dafür, dass viele Menschen das als verwirrend empfinden.
Hingegen habe ich kein Verständnis dafür, dass manche dahinter irgendwelche Verschwörungen wittern oder diese gefährliche Pandemie mit einer gewöhnlichen Erklärungskrankheit gleichsetzen, wie ich es am vergangenen Donnerstag in einem Forum gelesen habe.

Neben diesen – gefühlt – sich ständig ändernden Schutzregelungen gegen Corona gibt es noch eine Fülle von Gesetzen und Regeln, die wir – so ganz nebenbei und unbewusst – ständig und tagtäglich in unserem Lebensalltag integrieren müssen. Das fängt schon bei den Verkehrsregeln an, die für alle VerkehrsteilnehmerInnen gelten. Das setzt sich fort bei unserem friedvollen gesellschaftlichen Zusammenleben.

Ich könnte Ihnen noch so viele Regeln skizzieren, die für uns ständig gelten und nach denen wir uns zu richten haben.



Welch eine Wohltat ist es dann, wenn wir heute im Evangelium hören, dass Jesus alle Glaubensregeln in diese Worte zusammenfasst:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

Wow!

Das war es, liebe Schwestern und Brüder.
Mehr brauchen wir als ChristInnen und Christen in der Nachfolge Christi eigentlich nicht ‚beherzigen‘.
Ich sage ganz bewusst nicht: „Mehr brauchen wir nicht zu wissen!“

Denn bei den göttlichen Geboten geht es nicht allein darum, sie zu wissen und zu befolgen, sondern sie sich „zu Herzen zu nehmen“.

Das Herz ist der Sitz unserer Liebe.
Wenn wir diese Gebote beherzigen oder uns „zu Herzen nehmen“, dann schauen wir auf sie mit Liebe und entdecken darin auch die Liebe Gottes zu uns Menschen.

Es geht also darum, diese wichtigen Gebote der Gottesliebe, der Nächstenliebe und der Selbstliebe gleichsam mit dem Herzen zu ‚lesen‘.

Wie befremdlich ist es dann, wenn es unter uns Christen immer noch welche gibt, die meinen, die Kirche müsste permanent, für alles und jeden bis ins Detail Regeln erlassen?

Alle kirchlichen Verhaltensregeln müssen sich mit der Aussage Jesu aus dem heutigen Evangelium überprüfen lassen und müssen damit in Einklang zu bringen sein. Die Kirche muss eben nicht alles ‚bis ins Schlafzimmer hinein‘ regeln.
Es sollte vielmehr selbstverständlich sein, dass die Kirche immer die Regeln des guten Anstands, der Eigenverantwortung und der Freiheit der Kinder Gottes zu achten und zu schützen hat.

Wenn wir heute dieses Evangelium hören, dann darf dies für uns eine Ermutigung sein, sich mit unserem Verstand und unserem Herzen mit diesen Geboten zu beschäftigen und sie in unserer Leben zu integrieren.

Mit Herz und Verstand dieses dreifache Liebesgebot sich zu Herzen zu nehmen und sich zu eigen zu machen: Das ist eigentlich alles und zugleich so anspruchsvoll!

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“