Kluge Lebensführung

oder: Wie wir Gottes Willen in diesen Zeiten begreifen können…



Impuls zum 20. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B – 2024
Textgrundlage: Epheser-Brief 5, 15-20

„… die Zeiten sind böse…“

Was bedeutet ‚böse? Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten.

Aber es gibt Anzeichen dafür, was mit ‚böse‘ gemeint sein könnte: alles, was uns von Gott oder seinem Willen entfernt, oder was uns von uns selbst und anderen Menschen trennt.

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Das können zum Beispiel schlechte Nachrichten sein, die uns traurig, ängstlich oder hoffnungslos machen.
Oder Menschen und Situationen, die uns belasten: schwierige Lebensbedingungen, große Herausforderungen, oder der Druck, dem Mainstream zu folgen (das, was gerade „in“ ist).

Sicherlich sind auch die Zeiten, in denen wir leben, herausfordernd.
Der zunehmende Hass gegen andere, gegen Menschen aus fremden Ländern, gegen Menschen mit anderen Religionen oder Ansichten, oder gegen diejenigen, die uns angeblich etwas wegnehmen könnten, ist ein deutliches Zeichen dafür.

Schwierig wird es auch, wenn dieser Hass in echte Gewalt umschlägt, sei es in unserem Land, in Europa oder weltweit.
Das erinnert uns an schlimme Zeiten in der Vergangenheit.

Ich frage mich manchmal: Was könnten uns die Menschen, die solche Zeiten bereits erlebt haben und heute um die 90 Jahre alt sind, dazu sagen?
Was würden sie uns raten, wie man damit umgehen kann?

„Lasst euch nicht vom Wein berauschen!“

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Wir wissen, wie zu viel Wein oder Alkohol wirkt. Er trübt unsere Sinne und nimmt uns die Fähigkeit, Dinge klar und sachlich zu sehen.
Manche greifen zu Alkohol oder Drogen, um sich von den Problemen um sie herum abzulenken oder sich abzuschotten.
Solche Mittel machen manches vordergründig erträglicher, aber wenn der Rausch vorbei ist, holt die Realität uns umso härter ein – oft mit einem unangenehmen Kater.
Eine klare und vernünftige Sicht auf die Dinge kann uns helfen, Herausforderungen besser zu bewältigen.

Der Versuch, sich weder von äußeren Einflüssen manipulieren zu lassen noch sich selbst zu täuschen – sei es durch Verhaltensweisen, die die Realität verdrängen, oder durch eine „rosarote Brille“ – kann ein stabiles Fundament für den geistlichen Umgang mit den Herausforderungen des Lebens sein.

Am letzten Sonntag haben wir darüber gesprochen, wie Stille uns helfen kann, uns selbst und unseren göttlichen Ursprung nachzuspüren und zu finden.

Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte des Mönchs, der von Gästen gefragt wurde, welchen Nutzen er in der Stille, Ruhe und Einsamkeit sieht. Anhand eines Brunnens und des Zustands seines Wassers erklärte er, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn wir zur Ruhe kommen.

Heute wollen wir uns den äußeren Bedingungen widmen, die uns helfen, zur Ruhe zu finden und so mit unserem wahren Selbst in Kontakt zu kommen.

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Am Sonntagmorgen las ich eine Einladung von Bruder Jan zu seinem geistlichen Podcast „barfuß und wild“. In dieser Folge ging es um das Urvertrauen.

Urvertrauen ist entscheidend, damit wir – wie Paulus uns nahelegt – die Zeit sinnvoll nutzen, klug handeln und den Willen Gottes erkennen.

Urvertrauen gibt uns festen Boden unter den Füßen, wenn vieles um uns herum ins Wanken gerät. Es verleiht uns emotionale und geistige Stabilität.

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Der Inhalt zur Einladung von Bruder Jan lässt sich wie folgt zusammen fassen:

Urvertrauen wird oft als etwas angesehen, das in den ersten Lebensjahren entsteht und uns durch Krisen trägt. Es wird diskutiert, ob Urvertrauen später wiederhergestellt werden kann, wenn es früh gestört wurde.

Während einige meinen, dass es nicht möglich ist, betont eine geistliche Haltung, dass Urvertrauen in ihrer ganzen Fülle immer schon vorhanden war.

Dieses Urvertrauen ist Teil des göttlichen Wesens.

Dieses Urvertrauen werde im Laufe des Lebens verschüttet und damit erschüttert, damit wir es auf einer tieferen Ebene neu entdecken können. Das wahre Abenteuer bestehe darin, sich immer wieder an dieses Urvertrauen zu erinnern.

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Bruder Jan glaubt, dass Urvertrauen immer in uns vorhanden sei, da Gott selbst dieses ewige Urvertrauen sei, auf dem alles basiert.
Dieses große Vertrauen Gottes in uns Menschen zeigt sich darin, dass er uns überhaupt erst erschaffen hat. Angesichts der Krisen unserer Zeit ist es beeindruckend, wie grenzenlos dieses göttliche Vertrauen sein muss.

Paulus lädt uns heute dazu ein, regelmäßig innezuhalten und uns zu fragen, wie wir unsere begrenzte Zeit sinnvoll nutzen. Dabei geht es ihm nicht nur darum, Probleme zu lösen, sondern vor allem darum, in Verbindung mit Gott zu bleiben. Bruder Jan würde sagen, es geht darum, unser Urvertrauen wiederzufinden und uns daran zu erinnern.

Für Paulus gehört dazu auch der Gottesdienst, das Singen von Psalmen und Liedern, sowie Dank und Lob an Gott.

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Die Herausforderungen und Schwierigkeiten des Lebens werden nicht gelöst oder kleiner, wenn wir sie durch Aktionismus oder Ablenkung verdrängen.

Aber wir haben eine bessere Chance, sie zu bewältigen, wenn wir uns in Ruhe, Stille und Gebet darauf besinnen, was wirklich in unserem Leben trägt und uns hilft, ein erfülltes Leben zu führen.

       © Gerd Wittka



Verwandelt durch Erneuerung

(Röm 12,2)


Vor 30 Jahren, als wir unsere Exerzitien zur Diakonenweihe hatten, hatte sich mein Weihekurs in ein Kloster zurück gezogen.
Uns wurde damals eine Ordensschwester ans Herz gelegt, die uns auf die Weihe vorbereiten könnte.

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Das Kloster lag in Köln und die Gemeinschaft sind Benediktinerinnen vom heiligsten Sakrament.
Ich hatte bislang von denen nie was gehört. Dann erfuhr ich, dass sie sich auch „Anbetungsbenediktinerinnen“ nennen, die sehr kontemplativ leben.
Sofort dachte ich an ein Kloster, irgendwo abseits gelegen, am Rande von Köln, da, wo „Hase und Igel sich ‚Gute-Nacht‘ sagen“.

Doch als wir nach Köln fuhren, führte uns der Weg Richtung Innenstadt. Zuerst dachte ich, wir hätten uns verfahren, aber wir waren auf dem richtigen Weg.

Das Ziel war die „Brühler Str. 74“, unweit des Raderthalgürtels, in der Nähe des Vorgebirgsparks.
Wer sich in Köln auskennt, weiß, dass das knapp 20 Minuten fußläufig von der Altstadt entfernt ist.

Wir fuhren durch eine zweispurige Straße, dicht bebaut mit Wohnungen, Handwerksbetrieben und Geschäften …

Hier sollte ein kontemplatives Kloster sein?
Und dann sahen wir das Grundstück, eingezäunt mit einer halbhohen Ziegelmauer, die ein hohes Gitter krönte. Das Tor war offen und wir fuhren auf einen asphaltierten Platz, vor uns eine Front des Klosters aus dem 1890er Jahren.
Geradeaus eine alte Holztür, einige Fenster und links eine weitere Holztür, welche der Zugang zur Kapelle war.

Wir klingelten, eine freundliche Ordensfrau öffnete uns die Tür und bat uns herein.
Wir standen in einer kleinen neugotischen Halle, mit einigen Türen, davon eine doppelflügelige Tür mit der Aufschrift „Klausur“ und eine Treppe, die nach oben führte.

Es roch, wie es in so alten Gebäuden gewohnt ist, zu riechen, etwas auch nach Bohnerwachs.
dann schloss sich hinter uns die Pfortentür … und wir waren in der Stille.

Gerade noch durch eine geschäftige Wohn- und Einkaufsstraße gekommen, schirmte uns diese alte Tür von der Geschäftigkeit da draußen ab.

Für mich war das eine krasse Erfahrung: so sang- und klanglos standen wir buchstäblich in der Stille, nur die einladenden Worte der Klosterfrau war zu vernehmen.

Wir bekamen unsere Zimmerschlüssel und stiegen zwei Stockwerke hinauf.
Gut 30 Ordensschwestern sollen hier in diesem Kloster leben – doch wir hörten nichts, nicht einmal irgendwo Schritte oder Türen. Und von draußen drangen auch keine Geräusche ins Kloster.

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Mein Zimmer – es war eher eine kleine Zelle mit einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl, einem Schrank und einer Waschstelle – lag direkt unter dem Dach. Eine Dachgaube gab den Blick frei in den Innenhof des Klosters, der vom Kreuzgang begrenzt wurde. Spatzen tschirpten und Mauersegler flogen über das Dach.
Wir erfuhren, dass die Kontemplation (Betrachtung) und das Gebet Mitte der Spiritualität dieser Benediktinerinnen sei.

Sie haben dort einen großen Garten, damals noch eine eigene Kuh, bestreiten ihren Unterhalt durch eine Hostienbäckerei und durch Herstellung von Paramenten (liturgische Texitilien) für Gottesdienste.
Dazu bieten sie noch geistliche Begleitungen an.

Ordensfrauen, die mitten in der Welt sich in die Stille zurückziehen.
Ist das Weltflucht?

Auf dem ersten Blick könnte es so aussehen, als wollten sie mit „denen da draußen nichts zu tun haben“, zumal sie auch nicht ohne Erlaubnis der Oberin das Kloster verlassen durften. Nur die Nonne an der Pforte pflegte den Kontakt nach draußen.

Doch ich erfuhr, dass diese Ordensschwestern sehr wohl und sehr gut informiert waren darüber, was da draußen los war. Sie waren vollständig und sehr genau im Bilde, was die Themen der Nachrichten und der Menschen in der Zeit waren.

Das imponierte mich sehr.
Damals begleitete uns durch die Exerzitien Sr. Otgera Krämer OSB. (Und wir entschieden uns, auch ein Jahr später unsere Exerzitien zur Priesterweihe wieder dort zu halten.)
Nach meiner Priesterweihe wurde Otgera für einige Jahre meine geistliche Begleiterin.

Diese Erinnerungen kamen mir in den Sinn, als ich über das Wort des heiligen Paulus in der heutigen Lesung nachdachte.

„Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“ ( Röm 12,2 )

Für mich sind diese Benediktinerinnen von Köln-Raderberg ein Beispiel, wie man die Worte des hl. Paulus ins heutige Leben übertragen kann.

Nun ist es weder mir noch Ihnen gegeben, so klaustriert zu leben, wie die Schwestern in Raderberg.

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Aber dennoch können sie für uns ein ermutigendes Beispiel sein, was es heißt, sich nicht dieser Welt anzupassen, sondern sich verwandeln zu lassen durch die Erneuerung im Denken, um zu erkennen, was der Wille Gottes ist.

Die Herausforderungen der Christ:innen in der Welt

Unsere Herausforderung ist es, mitten in der Hektik des Alltags und den Erfahrungen der Welt um uns herum, in der Welt und auch bei den Menschen zu sein, aber zugleich einen heilsamen Abstand zur Welt zu gewinnen, damit wir immer wieder auch Raum lassen können, um nach dem Willen Gottes zu fragen.

Was die Frauen des Benediktinerinnen-Klosters in strenger Form und Tag für Tag leben, dass können wir auch in unserem Alltag versuchen:

• Inseln des Rückzugs zu finden, wo wir uns Räume und Zeiten schaffen, um Abstand von der Welt zu bekommen.
• Zeiten und Zeiträume zu sichern, um uns ins Gebet oder in die Betrachtung zurück zu ziehen. Dabei können uns auch geistliche Impuls helfen, die wir in Büchern finden oder auch im Internet.
• Rituale zu entwickeln, die wir einzig und allein für diesen Rückzug reservieren: eine Kerze oder ein Räucherstäbchen zu entzünden, ein religiöses Bild hinzustellen oder gar einen festen Platz in unserer Wohnung einzuräumen, meditative Musik einzuschalten, in Familien ein Schild „bitte nicht stören“ aufzuhängen, ein Fenster zu öffnen, um den Gesang der Vögel wahrzunehmen, oder auch ein Fenster bewusst zu schließen, um Geräusche von außen auszuschließen, … und viele andere Rituale mehr, die wir für uns selber finden und die uns gut tun.
• geistliche Schriften oder Bilder zur Hand nehmen, anhand derer wir unsere Gedanken sammeln und unser Gespräch mit Gott starten können …
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Stille und Gebet mitten im Alltag

Stille, Gebet und Kontemplation ist in der Regel nicht anstrengend, sondern sind Räume und Zeiten, der geistigen und geistlichen Regeneration.
Sie ermöglichen uns, uns auf die Beziehung zu Gott zu konzentrieren. Dabei ist es auch hilfreich, sich konkret zu entscheiden, wer genau mein Gegenüber ist. Gott Vater, sein Sohn Jesus Christus oder der Heilige Geist? –
Wir Menschen haben unterschiedliche Zugänge zu einem dieser dreifaltigen Personen. Und das können wir uns zu Nutze machen.

Wenn ich heute die Sätze des heiligen Paulus lese, dann kommt mir als erstes in den Sinn, dass ein Schwerpunkt unserer geistlichen Existenz es ist, meiner Beziehung mit Gott im Alltag Raum zu geben.

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Das kann bedeuten, sich nicht der Welt anzugleichen, in der Zeit für Gott im öffentlichen Raum kaum noch vorkommt.

Mit einer Ermutigung des christlichen Philosophen Sören Kirkegaard möchte ich enden:

Søren Kierkegaard, Quelle: Als sein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte er im… (aphorismen.de)


Zum heutigen Tagesevangelium: Matthäus 16, 21-27

Ich widme diesen Impuls der Gemeinschaft der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament in Köln-Raderberg.




Gott – nicht mehr als …?!

Schriftlesungen: 1 Kön 19,9.11-13 in Verbindung mit Mt 14,22-33

Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einer Witwe, deren Trauer sie ganz krank gemacht hat.
„Ich war als Kind immer in der Kirche und habe auch mein ganzes Leben lang geglaubt. Aber jetzt, wo die Schicksalsschläge mehr werden in meinem Leben, ist er nicht da! Warum hilft er nicht?“

Ich habe keine Antwort gefunden, die die Frau zufrieden gestellt hätte, aber ich spürte auch, dass sie noch sehr stark von einem Glauben an einen Gott geprägt ist, der mit mächtigem Arm drein schlägt, wenn jemand anderen Unrecht tut.
Gott ist dafür da, die Menschen von Krankheit und Tod zu schützen!

Sie konnte es nicht akzeptieren, dass der Tod ihres hochbetagten Mannes durch ihren Glauben nicht verhindert werden konnte.
Solcher Glaube mag auch etwas naiv wirken.

Aber ist diese Glaubensvorstellung von Gott eine Ausnahme?

Hören wir nicht auch die vielen unter uns, die immer wieder gebetsmühlenartig sagen: „Warum lässt Gott das viele Leid zu?!“

Wenn es um Leid geht, das seine Ursachen in uns Menschen und unserem Verhalten hat, sei es Terror, Krieg und Gewalt aber auch die Folgen der Klimakrise, dann möchte ich manchmal – recht genervt – antworten:

„Nicht Gott lässt es zu, sondern WIR lassen es zu!

  • Wir als menschliche Wesen lassen es zu! Wir sind manchmal so gestrickt, dass das Böse und Zerstörerische in uns übermächtig wird!“

Kommen wir aber wieder zurück zur eigentlichen Frage: Unser Missverständnis zwischen unseren Erwartungen und Forderungen an Gott und wie Gott wirklich ist!

Schauen wir uns dazu die Lesung an:

Elija kommt zum Gottesberg Horeb. Was kann man da schon erwarten? Natürlich Gott!
Und dann geschieht das Gewaltige: Sturm, Erdbeben und Feuer.

Man möchte meinen, hier zeigt sich Gott mit all seiner gewaltigen Macht.
Doch: NEIN, sagt die Lesung.
Gott kommt, aber das Gewaltige ist nicht Gott, allenfalls sind es Begleiterscheinungen oder Vorboten Gottes.
Gott – und das erkennt Elija – ist in dem sanften, leisen Säuseln zu finden.

Mir sagt diese Lesung:
Wenn wir Gott und sein Wirken erwarten, dann oft gewaltig und stark, damit wir und andere es bloß nicht überhören oder übersehen.

Gott, der große und starke Gott, kann sich also eigentlich nur groß und stark zeigen, so meinen wir!

Doch Elija macht schon damals die Erfahrung, die auch wir als Christen fest in unserem Glauben integriert haben: Gott kommt leise, klein und unscheinbar. Damals bei Elija und dann später bei Jesus in der Geburt im Stall von Betlehem.

So schlägt die Lesung heute den Bogen zu einer zentralen Glaubensbotschaft des Christentums: Gott ist groß, wie auch Moslems richtig bekennen.
Aber: Gott kommt nicht immer ganz groß heraus. – Das war damals so und das ist auch heute so.

Wenn wir also auf Gottes Gegenwart hoffen und darauf warten, dass er sich uns zeigt, dann könnte es – bezogen auf die trauernde Witwe am Anfang – doch auch sein, dass er sich ihr nicht zeigen will, indem er ihr Leid vermied, sondern darin, dass er ihr im Leiden Stärkung zukommen lassen will.

Ich weiß, dass uns die Vermeidung des eigenen Leidens viel, viel lieber wäre – auch ich bin von diesem tiefsten Wunsch beseelt.
Aber wir wissen es besser: das Leben läuft oft anders, als wir es wollen und erwarten.

Und so ist es dann auch bei Gott: er zeigt sich oft anders, als wir es wollen und erwarten.

Und er zeigt sich uns manchmal selbst dann noch nicht, wenn die Dunkelheit in unserem Leben ihre tiefste Stelle erreicht hat.
Darauf weist uns das Evangelium eindrücklich hin, als es dort hieß: „In der vierten Nachtwache …“

Die „vierte Nachtwache“ ist nämlich ein Begriff aus dem römisch-militärischen Begriffslexikon. Es bezeichnet die Zeit am Ende der Morgendämmerung, kurz vor dem Sonnenaufgang.

Wenn also im Evangelium gesagt wird, dass Jesus in der vierten Nachtwache erschien, dann zu der Zeit, als das Licht zunimmt.

Die Lichtsymbolik kennen wir im christlichen Glauben: Christus ist das Licht der Welt. Mit ihm kommt Licht in die Dunkelheit.

Also kann es heißen: nicht da, wo unsere Lebensdunkelheit am größten ist, dürfen wir Christus erwarten, sondern da, wo uns ein Licht aufgeht, ist er bei uns, auch wenn wir ihn nicht erkennen und es erst noch von ihm erfahren müssen, dass er selber es ist und kein Gespenst, kein Hirngespinst.

Das Evangelium ist insofern unbequem, da es uns nicht die Hoffnung macht, dass Gott in der tiefsten Dunkelheit unbedingt erfahrbar ist.
Aber es macht uns Hoffnung, dass Gott auf uns zukommt, uns aufsucht, auch wenn wir es nicht erwarten und wir ihn auf dem ersten Blick nicht erkennen.

Er sorgt dafür, dass wir uns nicht fürchten müssen.

Das zu glauben, erfordert – auch für mich – ein Umlernen im Glauben, denn mein ‚kindlicher‘ Glaube ist es immer noch, dass ich möchte, dass Gott gefälligst in den tiefsten Dunkelheiten meines Lebens da ist.
Die Botschaft heute steht dem aber in gewisser Weise entgegen.

Und was habe ich dann von meinem Glauben?

Vielleicht heißt Glaube dann eher „hoffen, wider alle Hoffnung, glauben, dass es wirklich weitergeht, …“

Oder wie es Karl Rahner S.J. ausdrückte:

Und wenn Sie das Gefühl haben, dass dieses Verständnis nicht mit ihrem Verständnis von Gott so ganz übereinstimmt: willkommen im Club!

Nur, das ist es genau, was uns die Schriften heute sagen: Gott ist immer ganz anders, als wir es wollen oder es erwarten!
Können wir das aushalten, diese Unbegreiflichkeit Gottes?!




Pfingsten 2023

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Entdecke den Geist

„Es gibt Menschen, die den eigenen Vogel für die Taube des Heiligen Geistes halten.“

Unbekannt

Ein provokanter Satz!

Doch: in der Kürze der Würze bringt dieser so schnodderig daher kommende Satz eine Wahrheit auf den Punkt:

Die Unterscheidung der Geister, oder besser: wie man zu unterscheiden vermag zwischen Wirken des Heiligen Geistes und dem eigenen Spleen, ist kein leichtes Unterfangen.

Vielleicht ist uns das Wort aus der Apostelgeschichte Kapitel 15, Vers 28 bekannt: „… Denn der heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzubürden,…“
Hier ging es um die Frage, ob die frühen Christen nach dem detaillierten Regelwerk des jüdischen Glaubens leben müssten, einschließlich der rituellen Beschneidung der Männer.

„Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen…“ – würden wir uns heute trauen, so etwas zu sagen?!

Zwar glauben wir immer noch, dass sich im Leben und Wirken der Kirche auch das Wirken des Heiligen Geistes findet.
Doch das Zitat am Anfang und auch so manche Witze über das Wirken des Heiligen Geistes im Zusammenhang mit der Kirche zeigen, dass wir etwas vorsichtiger, zurückhaltender und kritischer geworden sind, wenn jemand behauptet oder meint, sich bei seinen Aussagen oder Anschauungen auf den Heiligen Geist berufen zu können.

Diese Skepsis und der Glaube an das Wirken des Heiligen Geistes sind für mich aber kein Widerspruch.

Vielmehr sind sie Folge einer kritischen und vernünftigen Auseinandersetzung mit der Frage, woran man das Wirken oder die Früchte des Heiligen Geistes erkennen kann?

Ja, selbst unsere Kirche weiß um die Gefahr, das Wirken des Heiligen Geistes oder menschlichen Ungeist nicht unterscheiden zu können. Deshalb ist es gute sprituelle Tradition, vor den großen Entscheidungen besonders um die Gaben des Heiligen Geistes zu beten.

Und diese Auseinandersetzung ist nötig – vielleicht nicht nötiger denn je, aber zumindest genau so nötig, wie in früheren Zeiten.

Schon in der Apostelgeschichte ist ein solches Gebet bezeugt, als nämlich der Apostelnachfolger für Judas Iskariot gewählt werden musste. So heißt es dort in Kapitel 1,24: „…Dann beteten sie: Du, Herr, kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast,…“

Ein Wort eines früheren Benediktinerpaters hat in einem kurzen Satz eigentlich ziemlich signifikant zusammen gefasst, wie wir das Wirken des Heiligen Geistes erkennen können:

„Das Wirken des Heiligen Geistes in den Seelen ist Eingießen, Fördern und Vollenden der Liebe.“

(P. Alois Mager OSB)

Wie bei anderen zentralen christlichen Themen dreht sich auch bei der Frage nach dem Heiligen Geist und seinem Wirken in dieser Welt alles um die Liebe!

Kein Wunder! Denn die Liebe ist der Dreh- und Angelpunkt unseres christlichen Glaubens.

Wirken des Heiligen Geistes ist das Eingießen der Liebe

Wenn wir also in Situationen kommen, wo wir uns fragen, ob hier das Wirken des Heiligen Geistes am Werk ist, brauchen wir nur zu fragen, ob in allem Denken, Glauben und Handeln Liebe mit eingeflossen ist.
An anderer Stelle habe ich schon deutlich gemacht, dass dies keine ganz einfach Frage ist. Denn nicht alles, was aus vermeintlicher Liebe geschieht, ist wirkliche Liebe. Da bedürfen wir einer sorgfältigen Prüfung, ob Liebe am Werk ist.
Wo aber Liebe am Werk ist, da wird das Wirken des Heiligen Geistes offenbar.

Wirken des Heiligen Geistes ist das Fördern der Liebe

Wenn wir uns selber oder andere ermutigen können, manche Dinge oder Widerfahrnisse unter dem Vorzeichen der Liebe zu setzen, wo wir gestärkt werden oder andere stärken, der Liebe Raum im Denken und Handeln zu geben, da ist das Wirken des Heiligen Geistes sichtbar.
Ich erlebe aktuell dies in der innerkirchlichen Diskussion um die Haltung gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen.
Es ist wichtig und notwendig, unsere Haltung dazu unter dem Primat der Liebe zu stellen.
Und dies ganz besonders unter dem Aspekt der Liebe Gottes, der alle Menschen liebt, die er geschaffen hat und nichts geschaffen hätte, wenn er es gehasst hätte, wie es im Buch der Weisheit heißt. (vgl. Weisheit 11,24 f.: „Du liebst alles, was ist, / und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; / denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen.
Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben / oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre?…“)

Zugleich dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass es sich bei unzähligen Beziehungen zwischen Menschen um liebende Beziehungen handelt. Es ist deshalb nach meiner theologischen Erkenntnis ein Irrglaube, dort Sünde zu unterstellen, wo Liebe ist!
Wenn wir also in Beziehungen, gleich welcher Art, das Primat der Liebe fördern, können wir daran schon das Wirken des Heiligen Geistes erkennen.

Wo Liebe vollendet wird, spüren wir das Wirken des Heiligen Geistes

Auch hier hilft uns eine bessere Aufmerksamkeit auf das Leben, nah und fern.

Wenn wir genau hinsehen oder -hören, können wir Menschen entdecken, die sich für andere einsetzen, sei es in der häuslichen Pflege, in der Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Aber auch in der großen Weltpolitik. Da denke ich an Initiativen und Vereine, die sich ehrenamtlich für den Schutz von Flüchtenden einsetzen und dabei selber Probleme auch mit staatlichen Stellen und Gesetzen in Kauf nehmen.
Wir könnten viele weitere Beispiel finden…

Ja, ich bin überzeugt davon, dass wir das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit erkennen können, Gott sei Dank!

Sehnsucht nach Einsamkeit als Zeichen des Heiligen Geistes

Einen Aspekt möchte ich aber noch zum Schluss erwähnen: Die Apostelgeschichte berichtet uns von der Geistsendung mit großem Getöse: Sturmesbraus und Zungen wie von Feuer.
Doch sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass dies auch in unserer Zeit immer so markant in Erscheinung tritt.
Denn auch in gegensätzlicher Weise kann Gottes Geist in unserer Welt in Erscheinung treten, nämlich in dem ganz Unscheinbaren und Stillen.

Ihn dort wahrzunehmen, erfordert eine andere geistliche Haltung, die in unserer Zeit Vielen schwer fällt: das Aufsuchen der Einsamkeit.
Sie wird für viele beängstigend oder gar bedrohlich wahrgenommen.
Denn in der Einsamkeit können wir mit Macht auf Themen in unserem Leben aufmerksam gemacht werden, die zu einer Bedrohung für unsere eingerichtetes Leben werden können.
Darin aber kann sich die Dynamik des Heiligen Geistes ausdrücken, der wir Sturmesbraus unsere bisherige Welt durchpflügen kann.
Wenn wir Menschen aber – zumindest hin und wieder – das Bedürfnis nach Einsamkeit haben, dann kann sich darin auch das Wirken des Heiligen Geistes ausdrücken, der in dieser Stille und Einsamkeit zu uns sprechen möchte.

Nur so kann ich das Wort des dänischen Philosophen Søren Kierkegaards verstehen, der formuliert hat:

„Überhaupt ist Bedürfnis nach Einsamkeit ein Zeichen dafür, dass in einem Menschen Geist ist und der Maßstab dafür, was an Geist da ist.“

(Søren Kierkegaard)


Ich wünsche uns allen, dass wir das Wehen und Wirken des Heiligen Geistes immer wieder in unserem Alltag und ihn als Hilfe in den Herausforderungen unseres Lebens erfahren.




Karsamstag

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Nebel
hüllt die Gegend
wie in Watte

Die Sicht
nicht weit

wir abgeschirmt

Weite
Offenheit:
Fehlanzeige




„Wenn sich die Stille nun
tief um sich breitet, …“

kommt mir in den Sinn.

Stille
setzt
Schweigen
voraus

Schweigen
ist
Sprachlosigkeit;
gewollt
oder
nicht gewollt.

Karsamstag –
für mich:
sich dieser Sprachlosigkeit
auszusetzen

Nichts reden
nichts sagen
nichts zerreden
und zerfaseln

Stille
Schweigen
totenstill

Ruhe

Ewige Ruhe?

Warten wir’s ab!

(Gerd Wittka, 08.04.2023)




Es ist Karfreitag-Nacht …

… und ich komme zur Ruhe

Was waren das für anstrengende Tage, seit Anfang der Woche.



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Viele Begegnungen mit Menschen, mit Patient:innen, mit Mitarbeitenden des Krankenhauses.
Viele Worte wurden gewechselt.
Ich erfuhr von Sorgen, Enttäuschungen, von Herausforderungen und Frustrationen.
Menschen, die ihren letzten Lebensweg auf Erden gingen, durfte ich Gast sein und mit und für sie beten: Krankensalbung, Segnung, Sündenvergebung …
Menschen, die lange Zeit nicht mehr lachen konnten, sah ich lächeln. – Gänsehaut überfiel mich.
Was moderne Medizin und weise Therapeut:innen alles zu leisten vermögen!

Viele ernsthafte und traurige, aber auch viele erfüllende und beglückende Momente.

Einiges musste organisiert werden, denn die Karwoche ist die Woche im Jahr, wo sich liturgisch auch viel tut.
Und unsere Kapellen sollten dieses etwas widerspiegeln, selbst wenn in ihnen nicht alle Gottesdienste der Karwoche gefeiert werden.

Jene, die kommen, sollen spüren können, was die Zeit ist.

Dabei bin ich selber an meine Grenzen gekommen,
war abends so schachmatt, dass ich selbst fürs Essen zu müde war.

Aber nun harre ich aus,
lausche hinaus,
höre das eine oder andere Auto.

Ansonsten:
Stille,
Ruhe,
Frieden.

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Das ist jetzt für mich die ‚leere Zeit‘,
jetzt kann sie sich auch in mir ausbreiten:
die Sehnsucht nach Erlösung,
nach Befreiung
und Errettung.

Jetzt darf ich mich ‚fertig machen‘
für das große und großartigste Fest,
das ich morgen in einer liebenswürdigen Gemeinschaft
feiern darf:

Ostern!

Dieser Augenblick, jetzt
eine
gnadenreiche Zeit für mich.

Danke, G’tt!