Braucht es noch Erntehelfer:innen im Acker Gottes?

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Am 14. Sonntag (2./3.7.2022) hören wir im Evangelium von der Aufforderung Jesu, für Erntehelfer:innen im Acker Gottes zu beten. Doch ist dieses Gebet überhaupt noch nötig in der gegenwärtigen Zeit der Kirche und angesichts massiver Kirchenaustritte?
Dazu meine Predigt an diesem Sonntag, die ich hier etwas mehr mit konkreten Beispielen ‚unterfüttert‘ habe.




„Zeitenwende“ – so nennt Olaf Scholz das, was in mir Erinnerungen der 1970er und 80er Jahre hervorruft: Strategie der Abschreckung, NATO-Doppelbeschluss, Kalter Krieg, Angst vor einem Atomkrieg…

Viele von uns, die wir hier heute sitzen, dürften diese Begriffe bekannt sein.

Diejenigen, denen diese Begriffe nichts mehr sagen, fehlen zumeist auch heute hier in der Kirche, denn auch in unserer Kirche leben wir seit einigen Jahren in einer Zeitenwende. Jüngere Menschen erreichen wir an unseren ‚Pastoralen Standorten‘, wie wir es heute nennen, nur noch sehr schwer.

Erst vor wenigen Tagen kam die Meldung, dass weniger als 50% der Bevölkerung in Deutschland einer der beiden großen Kirchen (römisch-katholisch oder evangelisch) angehören.

Innerhalb unserer eigenen Kirche in Deutschland gibt es eine große Unruhe und viel Bewegung. Wir erleben in unserer Kirche eine historische Phase, die zuletzt wohl nur mit der Zeit der Reformation verglichen werden kann.

Mit einem Unterschied: damals gehörten fast alle Menschen in Deutschland zu einer christlichen Kirche, wenn sie nicht zum Judentum gehörten.

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Wenn wir die aktuellen Kirchenaustrittszahlen sehen, stellen Viele als erstes die Frage, wie das gestoppt werden kann?!

Eine fatale Frage, weil sie versucht, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Viel wichtiger scheint mir, erst einmal zu schauen, warum die Menschen aus der Kirche austreten!

Denn, die schwindende Akzeptanz der Kirche(n) ist Folge einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Kirchen.

Es wäre ein Irrtum, daraus auf eine zunehmende Bedeutungslosigkeit des Glaubens oder des Religiösen zu schließen.

Im Gegenteil: heute suchen die Menschen mehr denn je nach religiösen Angeboten. Die Esoterik hat seit vielen Jahren großen Zulauf.

Ich denke oft, die Menschen sind nicht weniger religiös, sondern weniger kirchlich geworden.

Woran kann das liegen?

Eine vollständige Analyse lässt sich hier nicht liefern.

Aber ich möchte einen Aspekt mal heraus greifen, der symptomatisch für die Situation in unserer Kirche ist.

Wir setzen oft amtskirchliche Lehraussagen mit Glauben gleich. Doch das ist ein Irrtum!

Kritiker, die die heutige Reformbewegungen (z.B. Synodaler Weg) in unserer Kirche ablehnen, sind sehr schnell mit Äußerungen bei der Hand, dass man sich von den Glaubenswahrheiten entferne, die in unserer Kirche gelten.

Dabei geht es den Menschen heute gar nicht um diese Glaubenswahrheiten, sondern es geht ihnen um ihren Glauben, um ihre eigene und persönliche Religiösität.

Ob sie zur Geltung kommen kann, entscheidet oft darüber, ob Menschen in der Kirche bleiben oder nicht. Oder anders ausgedrückt: ob die Menschen in unserer Kirche eine religiöse Heimat finden, ist das oft das Entscheidende, nicht, ob sie den Aussagen des Lehramtes zustimmen.

Vor einigen Tagen habe ich begonnen, ein kleines Büchlein zu lesen. Es trägt den Titel: „Wie werde ich ein Christ?“ – Es gibt auszugsweise Texte des christlichen Philosophen Sören Kierkegaard (aus Dänemark) wider.

Sören Kierkegaard um 1840.
Bild: gemeinfrei

„Was mir eigentlich fehlt, ist, dass ich mit mir selbst ins reine darüber komme, was ich tun soll, nicht darüber, was ich erkennen soll. (…) Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was die Gottheit eigentlich will, das ich tun solle; es gilt, eine Wahrheit zu finden, die Wahrheit für mich ist, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will. Und was nützte es mir dazu, wenn ich eine sogenannte objektive Wahrheit ausfindig machte; wenn ich mich durch die Systeme der Philosophen hindurcharbeitete (…)
was nützte es mir, dass ich die Bedeutung des Christentums entwickeln und viele einzelne Erscheinungen erklären könnte, wenn es für mich selbst und mein Leben keine tiefere Bedeutung hätte?…“

„Wie werde ich ein Christ – Sören Kierkegaard – Texte vom Glauben, Präsenzverlag 2013, S. 29f. *1

Sören Kierkegaard unterscheidet hier ganz deutlich zwischen religiösen Wahrheiten und einem persönlichen Glauben, der für das ganz persönliche und individuelle Leben bedeutsam ist.

Und genau an dieser Stelle bricht Kirchlichkeit und persönliche Religiosität heutzutage auseinander.

Und in ihrer persönlichen Religiosität sind die Menschen auch heute immer noch Suchende.

Diese Suche nach Gott ist übrigens schon für Benedikt von Nursia das entscheidende Kriterium dafür, zu entscheiden, ob Anwärter in ein Kloster aufgenommen werden können. Die Suche nach Gott geht nämlich einer Sehnsucht nach Gott voraus, die sich konkretisiert in religiösen Fragen und auch praktischem religiösen Tun.

Im Psalm 14 finden wir das Wort: „Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht.“

Suchen wir also in unserer Kirche, in unseren Gemeinschaften, an unseren ‚Standorten kirchlichen Lebens‘ noch die Menschen, die Gott suchen?
Gehen wir dabei über die Kreise der Menschen hinaus, die sowieso immer noch zu uns kommen?

Hier deutet sich schon an: konkrete Nachfolge ist auch das Suchen und Aufsuchen der Menschen, die auf der Gottsuche sind.

Natürlich können wir dabei bei uns selber anfangen, aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben, dürfen keine Nabelschau betreiben.

Die eigene Gottsuche, aber auch die der anderen – teils unbekannten Menschen – ist die Suche nach der Bedeutung und Alltagstauglichkeit meines Glaubens, unseres Glaubens.

Wenn die Kirche und ihr Dienst für die Menschen nicht mehr für deren konkretes Leben bedeutsam sind, dann werden die Kirchen überflüssig und bedeutungslos.

Der französische Bischof Jaques Gaillot hat einmal den Satz getan: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“

Eine Kirche also, die die Lebensrealitäten der Menschen nicht wahrnimmt oder sie sogar nach ihrer eigenen Doktrin umzumodeln versucht, ist fehl am Platze.

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Und da sind wir bei vielen konkreten Beispielen in unserer Gesellschaft.

Wenn es z.B.

  • um die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit geht,
  • wenn es darum geht, wie Menschen heute gut und sinnvoll leben könnten,
  • wenn Angst und Sorgen der Menschen auch Auswirkungen hat auf gegenseitige und gesellschaftliche Solidarität,
  • wenn Menschen versuchen, ihrer Geschlechtlichkeit auf die Spur zu kommen und merken, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern eine große biologische Vielfalt, die für betroffene Menschen zu einer echten Herausforderung wird, sich selber zu finden.*2
  • Wenn es darum geht, das Thema „sexualisierte Gewalt“ konkret vor Ort auch zu behandeln, also in unseren Gemeinschaften offen und ohne Tabus darüber zu sprechen und in der Breite die Verhinderung solcher Verbrechen zum Thema zu machen.
  • Wenn es darum geht, dass Menschen sich die Frage stellen, ob und wie lange sie sich dem unheilbaren Leiden am Leben und an einer Krankheit aussetzen müssen, ohne für sich entscheiden zu dürfen, wann es gut ist.

Allein diese letzte Frage, ist so brandaktuell und ich kann nicht sehen, dass wir uns in unseren kirchlichen Gemeinschaften vor Ort damit beschäftigen.
Dabei geht es überhaupt nicht zuerst um die Frage des „assistierten Suizids“, sondern schon allein um die Frage, ob wir Menschen zur Seite stehen, die durch passive Verhaltensweisen sagen: „Nun ist es genug!“ – Gemeint ist das sogenannte „Sterbefasten“. – Haben Sie schon mal etwas davon gehört?! – Nein?

Kurzer Exkurs zu „Sterbefasten“

Beim Sterbefasten geht es um ein Verhalten von alten und/oder kranken Menschen, die sich ähnlich – wie Eliah (s.u.!) – sagen: „Nun ist es genug!“ und durch bewussten Verzicht auf Nahrung und Trinken ihren Sterbeprozess unterstützen wollen. Für Zugehörige oft eine krasse Situation, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, weil sie sich nicht die Frage gestellt haben, ob ein solches selbstbestimmtes Sterben auch ethisch und moralisch akzeptabel sein kann. Viel Leid entsteht durch eine solche Verunsicherung auf beiden Seiten.

Ich nenne nur ein Beispiel: eine demenzerkrankte Person verweigert bewusst die Aufnahme von Essen und Trinken. Ist es da wirklich ethisch und moralisch geboten, diese Person gegen ihren eigenen Willen über eine Magensonde mit Nahrung oder über eine Infusion mit Flüssigkeit zu versorgen?

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[1 Kön 19,4-5: Er selbst (Eliah) ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter. Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.]

Selbst für den gottesfürchtigen Propheten Eliah gab es die Option, sein Leben durch Nahrungs- und Getränkeverweigerung ein Ende zu setzen. Allein der Hinweis Gottes, dass ER noch einen Auftrag für ihn habe, durchkreuzte Eliahs Pläne.

An dieser Stelle möchte ich keine voreilige ethische Bewertung zu diesem Themenkomplex vornehmen, sondern möchte dafür sensibilisieren, dass das konkrete Fragen und Herausforderungen heutiger Menschen mitten unter uns sind. Vielleicht stellen Sie sich sogar selber solche Fragen? Wo sind wir also als Kirche bei den Menschen und in solchen Fragestellungen?!


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Und so sehen wir, dass wir in unserem etablierten kirchlichen Leben oft nur Platz haben für ganz bestimmte Vorstellungen und Arten von kirchlichem Leben und Themen und die Frage nach der persönlichen Religiosität quasi keinen adäquaten Platz findet.

Wenn Jesus uns als heute uns also auffordert: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter:innen für seine Ernte auszusenden!“ – dann müssen wir wohl gleichzeitig darum beten, dass wir die Augen dafür geöffnet bekommen, wo die Menschen um uns herum (uns selber eingeschlossen) nach Gott in ihrem Leben suchen und in ihrer konkreten Lebenssituation religiöse Fragen haben und Antworten suchen.


*1: Ursprüngliche Quelle:

Das Zitat stammt aus seinen Tagebüchern Band 1, S. 16f (Tagebucheintrag „Gilleleie, den 1. Aug. 1835“)

erschienen in: Sören Kierkegaard, Gesammelte Werke und Tagebücher, übersetzt und herausgegeben von Emanuel Hirsch, Hayo Gerdes und Hans Martin Junghans, Grevenberg Verlag Dr. Ruff & Co. OHG, Band 28: Die Tagebücher, Erster Band, Simmerath 2003.

*2 Mann-Frau-Schema ist nicht eindeutig.




Eher suchen anstatt finden

Glaube

ist für mich mehr

zu suchen,

als

etwas gefunden zu haben.

(Gerd Wittka, 05.04.2021)




Ostern be-WEG-t

Ein Fest voller lebendiger Dynamik

Teil 1: Maria Magdalena

Ostersonntag – Joh 20, 1-18

Gerade in Zeiten wo vieles in unserem Leben still zu stehen scheint, ist mir das Evangelium vom Ostersonntag besonders unter dem Aspekt der Bewegung aufgefallen.

Ich möchte heute einige Passagen dieses Evangeliums etwas genauer anschauen …



Die Verse Johannes 20, 1-3.11-16 berichten von dem Ostergeschehen, wie es Maria Magdala er-fahren hat.
Fassen wir kurz zusammen:
Maria Magdala macht sich auf dem Weg zum Grab. Dort sieht sie das offene Grab; der Stein ist fort. Sie schaut nicht ins Grab sondern eilt sofort zurück zu Petrus und Johannes (!) und berichtet ihnen, was sie gesehen hat. (Dann laufen Petrus und Johannes zu Grab; was sie erleben: dazu später.)

Auch Maria Magdala geht in ihrer Trauer zum Grab zurück. Petrus und Johannes waren nicht mehr dort. Jetzt schaut auch Maria weinend ins Grab, findet den Leichnam nicht. Stattdessen sieht sie einen Engel, der sie nach dem Grund ihrer Trauer fragt. Sie erklärt, dass sie den Leichnam Jesu vermisst und ihn sucht, dann schaut sie sich um und sieht Jesus, erkennt ihn aber nicht.

Auch von ihm gefragt, was sie suche, bekennt sie auch ihm ihre SEHN-SUCHT. Sie öffnet in ihrer Trauer ihr Herz – vermeintlich gegenüber einem Fremden – und gesteht ihm ihre Sehnsucht.
Und der UNERKANNTE antwortet ihr, indem ER sie nur bei ihrem Namen nennt.
Sie wird von ihm mit ihrem Namen angesprochen, was ihre ‚Identität‘ ist, SIE ist gemeint.

Quelle: Von Giotto di Bondone – Web Gallery of Art: Abbild Info about artwork, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15883958

In dieser vertrauten Ansprache erkennt sie nun Jesus, ihren Herrn und Meister.
Als sie IHM ihr Innerstes offenbart, ihren Schmerz, ihre Trauer, ihr Erschrecken, da offenbart ER SICH ihr.

Welche Aspekte scheinen mir auf?

Nach dem Tod Jesu verfällt Maria nicht in Lethargie, sie verkriecht sich nicht. Sie weiß, was zu tun ist. Uns so geht sie zum Grab. Dort ist auch für sie der Ort, wo sie mit ihrer Trauer sein kann, in der Nähe ihres geliebten Herrn. Doch sie findet ihn nicht mehr. Konsterniert berichtet sie den Jüngern Petrus und Johannes.
Aber das reicht ihr nicht; sie gibt sich mit dem offenen Grab nicht zufrieden. Es kann nicht sein, dass von ihrem Herrn gar nichts mehr geblieben ist. Wohin nun mit ihrer Trauer. Sie muss selber Einblick haben in diese unfassbaren Geschehnisse. Sie will sich damit nicht abfinden, dass ER nun weg sein sollte, ganz und gar.

Quelle: Bild von Free-Photos auf Pixabay

Und sie folgt ihrer Sehn-sucht; sie sucht IHN zu sehen.

Doch die Trauer und die Sehnsucht zeigen ihr nur ein verschwommenes Bild, sie sieht nicht klar. Aber sie nimmt dennoch was wahr: sie ist nicht allein mit ihrer Trauer. Ein Engel zeigt sich ihr, ein himmlischer Bote, dem sie ihre Botschaft der Trauer und Sehnsucht sagt. Gesagt – getan: Nachdem sie ihre Trauer ausgedrückt hat, kann sie von sich absehen, sich umdrehen, ihre Blickrichtung wieder ändern.

Und da geschieht nun das unglaubliche und unbegreifliche: sie begegnet Jesus, den sich aber noch nicht erkennt.
Es ist noch einer weiterer Schritt nötig, heraus aus ihrem Schneckenhaus der Trauer und der Sorge.
Ihr Coming-out gegenüber dem vermeintlich ‚Fremden‘ stellen die Basis für eine Begegnung dar, die so tief ist, dass sie vom vermeintlichen Gärtner erkannt und in ihrer Sehnsucht wahrgenommen wird.

So wird sie von IHM mit der vertrauten Anrede „Maria“ angesprochen.
So kann sie nur jemand ansprechen, der sie durch und durch erkennt. So kann sie nur jemand ansprechen, der ihr doch so vertraut geworden ist; so vertraut, dass der Schmerz der Trauer über seinen Tod so unerträglich ist.

Da erkennt Maria ihren Meister und Herrn und sie begreift, was da geschehen ist, der Tote ist nicht mehr tot, der Tod ist tot, das Leben lebt, ihr Herr und Meister ist auferstanden.

Marias Verhalten ist so ermutigend: sie überlässt sich ihrer Trauer und ihrem Schmerz, aber sie vergräbt sich nicht; sie versucht, ihr Leben weiterzuleben, irgendwie, mit ihrer Trauer.

Und sie steht zu ihrer Trauer, zu ihren Gefühlen, die der Tod des geliebten Jesus bei ihr hinterlässt. Sie schließt sie nicht ein in ihrem Trauerprozess und scheut sich nicht davor.

Hier, wo das intimste der Trauer offenbar wird, hier wo die Sehnsucht keine oberflächliche ist, da ist die Begegnung mit dem Auferstandenen erfahrbar.

Mir macht dieses Evangelium Mut; es macht mir Mut, in diesem Jahr, wo wir zum zweiten Mal so ungewöhnlich Ostern feiern, das auch scheinbar unsere Sehnsucht nicht stillen kann, den Schmerz und die Trauer offen zu zeigen, sie nicht zu verstecken, nicht zu ignorieren, weil sie eine wesentliche Quelle unseres eigenen Lebens offenbart: die Liebe.

Ich wünsche uns allen, dass gerade in Zeiten der Trauer unsere Sehnsucht nach Christus nicht erlischt; dass wir weiterhin suchen. Und dass ER auch uns dann begegnet, uns ganz persönlich anspricht und uns damit zutiefst berührt und uns zur Erkenntnis führt:

ER lebt, und auch wir sollen leben!




Selbstgerechtigkeit

„Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“ (Lk 18, 6f)

Predigt zum 30. Sonntag – C – 2019 (27.10.2019)

Textbezug: Lukas 18, 9 – 14
siehe auch: https://www.bibleserver.com/EU/Lukas18,9-14

Liebe Gottesdienstgemeinde,

morgen geht die dreiwöchige sogenannte Amazonas-Synode in Rom zu Ende.

Symbolbild, Foto: sabetheli, www.pixabay.com

Haben Sie davon gehört?
Hier wurde beraten, wie die Kirche in Amazonien neue Wege in die Zukunft gehen kann.
Das Motto lautet: „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“.
Ein Thema war auch, wie die Seelsorge in einem riesigen und schwer zugänglichen Gebiet gesichert werden kann.
Zu diesem Themenkomplex gehört auch die Frage der Priesterweihe von verheirateten Männern, aber auch die Zulassung von Frauen zur Diakonen-Weihe.

Dabei sind sich viele darüber einige, dass die Fragen der Kirche in Amazonien in vielen Teilen deckungsgleich sind mit den Fragen der Kirche im Rest der Welt.
So wären also Antworten hinsichtlich verheirateter Männer zum Priesteramt oder das Diakonat der Frau auch für die gesamte Weltkirche von Bedeutung.



Derweil zieht in Deutschland die Aktion „Maria 2.0“ immer größere Kreise. Was als Fraueninitiative begonnen hat, erreicht mehr Zustimmung auch bei Männern in der Kirche. Selbst Bischöfe äußern sich mehrheitlich verständnisvoll und unterstützen teilweise die Anliegen von Maria 2.0.
Plakativ ausgedrückt geht es dieser Aktion um die Frage nach der Rolle und nach den Rechten der Frau innerhalb der katholischen Kirche. Hier geht es nicht nur – zwar auch – um die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern, sondern um eine Gleichberechtigung der Frauen gegenüber den Männern in der Kirche.
Ein Kirchenstreik im Frühjahr hatte dabei große Aufmerksamkeit gefunden, als Frauen eine Woche lang keine Kirche betraten und auch eine Woche lang ihr ehrenamtliches Engagement in der Kirche niederlegten.

Diese beiden aktuellen kirchenpolitischen Ereignisse und die Frage des Umgangs der Kirche im Missbrauchsskandal führt zu vielfältigen Diskussionen in den unterschiedlichsten Kreisen.
In den verschiedenen Medien bis in die sogenannten sozialen Medien gibt es viele Diskussionen um diese Themen.

Und hier bei uns in der Pfarrei?

Nu: in Teilen unserer Pfarrei werden Antworten gesucht, wenn es z.B. darum geht, wie das Votum des Pfarreientwicklungsprozesses (kurz „PEP“ genannt) konkret umgesetzt werden muss?
Dabei geht es mitunter auch sehr kontrovers zu.

Aber ansonsten habe ich persönlich den Eindruck, dass die gerade skizzierten Fragen z.B. über die Rolle der Frau in der Kirche bei uns in der Pfarrei wenig bis gar nicht vorkommen.

Nur heute Morgen fand – auf Stadtebene – ein ‚gesellschaftspolitisches Frauengespräch‘ statt. Aber auch dort ging es ganz allgemein um die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft. Doch welche Rolle die Frau in der Kirche spielt und auch zukünftig spielen kann, scheint bei uns hier kein Thema zu sein.

Und noch etwas anderes kann man beobachten.

Foto: prettysleepy1/www.pixabay.com

Da, wo die Themen: Zölibat, Zulassung von Verheirateten zum Priesteramt, Diakonen- oder Priesteramt der Frau diskutiert werden, melden sich auch gleich jene zu Wort, die strikt und massiv dagegen sind.
Sie begründen ihre Haltung damit, dass die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern nicht mit dem Willen Jesu übereinstimme;
dass das gegen die Lehre der Kirche stünde;
dass das die Kirche spalten würde.

Manche, die gegen jegliche Veränderung in dieser Hinsicht in der Kirche kämpfen, scheuen sich sogar nicht davor, den anderen vorzuhalten, sie stünden nicht mehr in der Gemeinschaft der katholischen Kirche als Weltkirche; sie seien „nicht mehr katholisch“, sie wollten die Kirche ruinieren.
Diese ganzen Diskussionen hätten nur den Zweck, sich dem Zeitgeist anzupassen, und Frauen, die die Zulassung zu den Weiheämtern fordern „ginge es ja nur um die Macht“.

Ihre eigene Haltung sehen sie hingegen als die einzige Möglichkeit an, wie die Zukunft der katholischen Kirche dauerhaft retten könne.

In dieser Diskussion kann man also sehr leicht eine Einteilung entdecken: „Wir hier!“ und „Die da!“

Die am Bisherigen festhalten wollen, verstehen sich oftmals als jene, denen es wirklich um die katholische Kirche ginge, während es den anderen nur darum ginge, zu spalten.

Kontoverse und Dialog

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist gar nicht schlimm, dass es auch in unserer Kirche unterschiedliche Positionen gibt.
Es ist nicht schlimm, dass es jene gibt, die meinen, die bestehenden Verhältnisse in der Kirche wären zukunftsfähig, während es auch jene gibt, die die entgegengesetzte Meinung vertreten.

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Schlimm wird es nur, wenn eine Seite beginnt, der anderen ihre Rechtgläubigkeit, ihre Katholizität absprechen zu wollen.
Schlimm wird es, wenn man jene, die ebenfalls aus christlicher Überzeugung und aus Liebe zur Kirche nach neuen Wegen suchen.

Schlimm wird es erst recht, wenn die einen meinen, ihre Ansicht sei rechtgläubiger und entspräche mehr der Katholizität, als die Haltung der anderen.
Dann fehlt es nicht viel und wir sprechen wieder lautstark von „Ketzern“, „Häretikern“ und „Abtrünnigen“, und dies nur, um jene, die eine andere Ansicht habe, zu diskreditieren.

Wenn ich dann das heutige Evangelium lese, habe ich den Eindruck, dass das, was Jesus da kritisiert, gar nicht so weit entfernt ist von dem, wie wir heute manchmal in der katholischen Kirche miteinander umgehen.

• Anstatt andere zu diskreditieren, sollten wir lieber offen und tabulos diskutieren.

• Anstatt andere mundtot machen zu wollen, sollten wir lieber miteinander ins Gespräch kommen.

• Anstatt andere zu verteufeln, sollten wir lieber unsere Ebenbildlichkeit Gottes im anderen suchen und erkennen.

• Anstatt zu meinen, dass wir die Kirche verteidigen und retten müssten, sollten wir uns lieber daran erinnern, dass es immer noch die Kirche Jesu Christi ist, zu der er selbst uns berufen hat, und der er zugesagt hat, sie durch den Heiligen Geist zu leiten, bis zu seiner Wiederkunft.

• Anstatt unsere vermeintliche Rechtgläubigkeit vor uns herzutragen, sollten wir in aller Bescheidenheit dankbar sein, dass wir zu Christus gehören, der uns gesandt hat, SEINE frohe und befreiende Botschaft in die Welt zu tragen und den Menschen von heute verständlich zu machen.

Denn nicht aus eigenem Vermögen oder weil wir so toll sind, sondern aus Gnade und göttlicher Berufung sind wir Teil seines mystischen Leibes, der Kirche.