„Was ich dir hätt‘ sagen wollen …“

Gedanken über Ungesagtes

Bild von Zoltan auf Pixabay

Was ich dir hätt’ sagen wollen …

ist weit mehr als
„eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh’n“,
wie Reinhard Mey einst sang.

Ich möchte dir meinen Dank sagen
für deine Fürsorge
für deine Liebe
für deine Ausdauer und Geduld
für deine Offenheit, mich an dich heranzulassen
für deine Ehrlichkeit
dafür, dass du mir ein Zuhause gegeben hast
und mich akzeptierst, wie ich bin

Ich möchte dir meinen Dank sagen
für die Zeit, die wir gemeinsam hatten, die mir so kostbar war
für die Welt, die du mir gezeigt und eröffnet hast
und für deine Grenzen und Verletzlichkeit, die du mit mir geteilt hast

Ich möchte dir meine Bitte äußern,
mir zu vergeben, wo ich dir Unrecht getan habe
oder ungeduldig war;
wo meine Aufmerksamkeit für dich nicht ausreichte,
um zu erkennen, was dich wirklich bewegt,

Ich möchte dir meine Ängste offenbaren,
dass ich mich ohne dich einsam fühle
und verlassen
und dass du eine Lücke hinterlässt,
die nichts und niemand füllen könnte.

Ich möchte dir sagen,
dass ich hoffe,
dass der Ort, an den du gegangen bist,
für dich ein neues Zuhause ist
und wir weiterhin verbunden bleiben,
über Zeit und Tod hinaus
und dass ich es wünsche,
deine Nähe zu spüren,
bis wir uns wiedersehen
.

© Gerd A. Wittka, 2024




OSTERN.GEGEN.MACHT

Bild: KI

Wie werden Sie dieses Jahr Ostern feiern?
Ist es für Sie eine Art Frühlingsfest, auch wenn es in diesem Jahr noch kalt sein könnte?
Feiern Sie Ostern mit seinem christlichen Hintergrund als das Fest der Auferstehung?
Denken Sie, dass Auferstehung nur etwas mit dem Leben nach dem Tod zu tun hat?



Ich habe für mich in den letzten Jahren gefunden, dass Ostern eine wichtige Botschaft für dieses irdische Leben bereit hält, nicht erst jenseits unserer irdischen Lebens.
Denn wie wollte ich an eine christliche Botschaft der Auferstehung glauben, wenn diese nicht schon hier stattfinden kann und wird?!

Auferstehung von den Toten hat für mich viel mit meinem Glauben an Erlösung zu tun:
Erlösung von all dem, wodurch mein Leben gefährdet ist, was meine Lebendigkeit behindert oder sie sogar bedroht ist bis hin zum Gefühl, dass ‚das Leben an mir vorbei geht‘.

Ostern ist für mich der Aufbruch ins Leben, manchmal auch in ein ganz anderes, neues Leben – jenseits meiner bisherigen Vorstellungskraft; jenseits dessen, was ich mir bisher an Lebensmöglichkeiten zu denken und zu leben versagt habe.
Ostern ist für mich die Ermutigung in ein Leben, dass uns wirklich lebendig sein lässt.

Somit ist die Botschaft von Ostern auch eine Botschaft gegen die eigene vermeintliche Ohnmacht.
Es ist eine Botschaft, die mir neue Möglichkeiten eröffnen will.

Und da darf jede/r von uns schauen, nach welchen neuen Möglichkeiten unser eigenes Leben drängt.
Doch damit das neue Leben beginnen kann, muss das ‚alte‘ = bisherige Leben vielleicht erst ‚sterben‘ und sterben können und dürfen.

Dieser Glaube ist aber nicht in jedermanns Sinne.
Denn: Ostern ist zugleich ‚gefährlich‘!
Ostern kann nämlich den Mächtigen Angst machen, weil an Ostern Christus „die Ketten des Todes zerbrach“, wie es im ‚Exsultet‘ der Osternacht gesungen wird.
Da, wo andere unsere Lebendigkeit wie in einem Grab zumauern wollen, bricht Ostern dieses Grab auf, so dass wir wieder ins Leben treten können.

Auferstehung und Himmelfahrt*, Bild: Gerd Wittka mittels KI , März 2024

Ostern hält für uns die Botschaft der Freiheit bereit in allen Fällen, wo wir eingeschränkt, begrenzt oder unfrei sind oder gemacht werden sollen.
Die Wirkung von Ostern kann sein, dass wir aus Mitläufer:innen zu Selbstläufer:innen werden, weil wir unsere Freiheit und Selbständigkeit erkennen und annehmen.

Ostern geschieht nicht nur im Jenseits, sondern bereits Jetzt, wenn wir es nur glauben und es zulassen, unser neues Leben, unseren Aufbruch in eine neue Lebendigkeit!

Stellen Sie sich einmal vor, das hätte Jesus Christus mit seiner Auferstehung für uns auch erreicht?! – Was wäre das ein mächtiges Fest!

Der Auferstandene hält Mahl mit seinen Jüngern, Bild: KI

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes und wirkmächtiges Ostern 2024!
*Bildbetrachtung zu diesem österlichen Bild: in Arbeit




Abschied

Bild von John auf Pixabay

… und auf einmal ist alles still …
nur ganz sanft streicht ein windhauch
über meinen balkon

eine kerze
habe ich aufgestellt
für dich

beten?

still sein!
schweigen!
bilder gemeinsamer begegnung
steigen in meinen gedanken auf

ich will keine worte machen
nicht denken

nur eins werden mit der
stille der nacht

ich habe dir zuletzt
nicht mehr viel wünschen
können
nur noch dieses:
das du einen guten tod haben mögest.

vor wenigen wochen
unsere letzte persönliche begegnung

seit einigen tagen
dann der gedanke,
dass es unsere letzte gewesen sein könnte
und heute
die gewissheit,
das sie es war.

ich bin traurig
und
dankbar

für dich
für unsere begegnungen

seit heute
sind sie
noch wertvoller
geworden

adieu!

© Gerd A. Wittka, 2023




Wie es sein könnte …


Einige Tage durfte ich wieder Urlaub machen in meinem Lieblingsurlaubsland Dänemark. Diesmal ging es auf die Insel Röm, nördlich von Sylt.
Wie schon im letzten Jahr, war dieser Urlaub aber wieder mit geprägt vom Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine. In diesem Jahr beging ich hier den ersten Jahrestag des Kriegsausbruchs von 2022.

Wie gerne würde ich diese Gedanken alle abstreifen, doch in der Ruhe und Idylle dieses Urlaubs geht das nicht.
Einer meiner Brüder fragte mich dieser Tage: „Kannst du nicht einfach mal Urlaub machen?“ – Auf diese wohlgemeinte Intervention antwortete ich – auch mit ein wenig Humor: „Kann man im Urlaub das Denken aussetzen?! – Das machen doch schon zu viele – auch außerhalb des Urlaubs…!“

Und so saß ich dort – umgeben von friedlichster Stimmung. Die Rinder, die hier vor unserer Terrasse regelmäßig vorbei gingen, gingen buchstäblich zu mir auf Tuchfühlung. Ich konnte sie streicheln. Ein Rind schleckte mir mit seiner dunklen, rauhen Zunge die Hand ab. Es hatte so viel friedliches und Einklang mit der Natur.

So kommen mir natürlich auch in solchen Situationen Gedanken:

Warum kann es nicht immer so friedlich sein? Es wäre doch alles so einfach!
Und ich frage mich: Kennen Menschen, wie Putin denn auch solche Situationen? Oder sind sie in ihrer ideologischen Gedankenwelt so gefesselt, dass sie gar nicht mehr wissen, was Frieden ist und um die wertvolle Dimension für unser aller Leben?

Manchmal denke ich, Putin hat noch nie wirklich die Frage an sich herangelassen, wieviel Leid und Unheil er angerichtet hat und wofür er verantwortlich ist!

Es braucht Orte und Zeiten zum Nachdenken! – Foto: (c) Gerd Wittka, Februar 2023

Ich denke in meiner abgeschiedenen friedlichen Urlaubswelt an die Menschen in der Ukraine. Ich stelle mir konkret ihre Lebenssituation vor; nehme einen fiktiven ukrainischen Menschen in Gedanken in den Blick, wie er jetzt friert, nicht das Nötigste zum Leben hat, ängstlich in die kommende Nacht schaut und von ferne das Dröhnen der Bomben hört. Und immer wieder das Geheul der Sirenen.
Ich denke an die Soldaten in ihren Gefechtsstationen, die einerseits im Bewusstsein kämpfen, das sie sich verteidigen dürfen und müssen und sich zugleich zurück sehnen nach zuhause. Ich denke an sie, die in diesem Augenblick bei geliebten Menschen sein könnten. Und ich denke, wie oft auch bei ihnen die Angst hochkommt, sie würden an der Front sterben – das junge Leben beenden müssen, das doch noch so viel Potential hätte.

Je mehr ich darüber nachdenke, kommt mir die Frage in den Sinn: „Wie kann man nur?!“ oder konkreter: „Wie kannst du nur, Wladimir Putin, all das zulassen?“ – „Wie glaubst du, vor dem Gericht der Geschichte und dem Gericht des Ewigen bestehen zu können?!“

Und in meiner Einfalt und Naivität wünsche ich mir, dass Gott genau diese meine Fragen in sein Herz pflanzen möge. Ich wünsche mir, dass Putin selbst mal innehalten und Abstand nehmen würde und einfach mal nur ganz als Mensch und voller Empathie sich hineinversetzen würde in das je eigene Schicksal der Menschen, über die er so viel Leid, Not und Tod bringt.
Ich wünsche mir, dass ihm dies dann solche Gewissensqualen bescheren würde und er den Weg der Umkehr zu Frieden und Gerechtigkeit, zur Liebe und Menschenfreundlichkeit finden würde.

Ja, das wünsche ich mir, angesichts des eigenen Erlebens von friedvollen Tagen, in denen mir das Leiden der Menschen in Krieg und Not nicht gleich sein kann und ich auch gedanklich besonders herausgefordert bin, weil ich diese große Diskrepanz spüre, jetzt dieses Privileg friedlicher Zeit in Dänemark erlebt zu haben und zugleich von Krieg, Not und Tod in anderen Teilen der Erde zu wissen.




Größte Herausforderung

Der Tod
ist die größte Herausforderung des Menschen.
Wer zu Lebzeiten
lernen kann,
einen guten Umgang mit der eigenen Endlichkeit
zu haben,
der wird jede andere Herausforderung
des Lebens gut meistern können.

Gerd A. Wittka, 2022




Stärker als jeder absolutistischer Herrscher: Christus König

Impuls zum Christ-König-Sonntag 2022

Erinnern Sie sich an die Staatstrauer und an die Beisetzung von Queen
Elizabeth II. vor einigen Wochen?
Ich war da gerade in Urlaub und ich wollte eigentlich nicht viel davon sehen.
Aber irgendwie kommt man dann doch nicht ganz daran vorbei.
In den Medien sah man Bilder der Queen, von ihren jungen Jahren, von
ihrer Krönung, in anderen festlichen Roben, geschmückt mit Diademen,
Kronen und Juwelen.
Und auch während der Staatstrauer: ihre Krone, der Reichsapfel und das
Zepter auf ihrem Sarg.
Am Ende der Trauerfeier, bevor der Sarg von ihr herabgelassen wurde,
entfernte man feierlich diese Insignien ihrer Königinnenschaft.

Das waren Bilder vom Tod einer Königin in heutiger Zeit.



Wie man sich zu mancher Zeit "Christ-König" vorgestellt hat. Aber welches Bild gibt ER von sich selber?
Wie man sich zu mancher Zeit „Christ-König“ vorgestellt hat. Aber welches Bild gibt ER von sich selber? Quelle: Bild von AJ jaanko auf Pixabay

Ganz anders das Bild des Mannes, den wir heute als Christ-König feiern: Jesus Christus.
Geschunden, gemartert, verhöhnt, entehrt, bestialisch hingerichtet ziert sein Haupt keine Krone aus Edelmetall und Edelsteinen, sondern eine Dornenkrone, deren langen Dornen sich in die Kopfhaut eingebohrt haben.

Bild einer Dornenkrone
Bild von Jeff Jacobs auf Pixabay

Die Bilder aus London waren schön, voller Pracht – für viele eine Augenweide.
Die Bilder aus Jerusalem, das Bild des getöteten Christus: wer mag das ansehen wollen?

Gegenbild: Gekreuzigter Christus des Isenheimer Altars

Solidarität I

Mathis Gothart Grünewald 022.jpg

Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Mathis_Gothart_Gr%C3%BCnewald_022.jpg

Der Maler Matthias Grünewald hat mit dem Isenheimer-Altar die Kreuzigungszene für den Bettensaal eines mittelalterlichen Krankenhospiz gemalt, die wir heute noch verstörend empfinden können.
Matthias Grünewald hat versucht, den leidenden Menschen seiner Zeit einen durch und durch ebenbürtigen mitleidenden Christus buchstäblich gegenüberzustellen.

Aber dies tat er nicht, um die Kranken noch mehr zu belasten, sondern aus einem anderen Grund:

Wie oft höre ich von ziemlich kranken Menschen Worte wie: „Aber ich kann ja nicht klagen. Anderen Menschen geht es noch schlechter!“

Solche Sätze sagen mir: im eigenen Leid blicken manche Menschen auf das Leid anderer und setzen ihr eigenes Leid im Verhältnis zum Leid der anderen.
Das ist kein Tipp, den ich als Außenstehender geben würde und kann.
Aber für jene Kranke, die das tun, kann sich die Sicht auf das eigene Leid verändern.

Bitte: Niemals als Ratschlag!

Auf das Leid der anderen zu blicken im eigenen Leid, kann das eigene Leid erträglicher machen.

Ich sage das nicht, als Ratschlag oder als Tipp. Ich sage das nur als Wahrnehmung.

Denn als Außenstehende müssen wir uns davor hüten, kranken und leidenden Menschen zu sagen: „Schau mal, anderen geht es doch viel schlechter als dir!“
Relativierung des Leids steht jenen, die leidende Menschen begleiten, nicht an und es ist nicht hilfreich, sondern oft genau das Gegenteil.
Der leidende Mensch kann das so verstehen, dass ein eigenes Leid nicht ernst genommen wird.
Nur der Leidende selbst kann für sich den Vergleich mit anderen leidenden Personen anstellen und das in aller Freiheit.

Dann aber kann es passieren, dass das eigene Leid als nicht mehr so arg wahrgenommen wird.

Das ist eine Art Solidarisierung der Leidenden unter einander, auch wenn sie gegenseitig davon nichts wissen.

Solidarität II

Der Isenheimer Altar thematisiert aber noch eine andere Solidarisierung: die göttliche Solidarisierung!

Den kranken Menschen wird mit dem Altarbild ein Bild von leidenden Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der ganz und gar in der Geburt in Betlehem Mensch wurde, gezeigt.

Damit will dieses Bild den kranken und leidenden Menschen sagen:
Dein Gott, an dem du auch in deinem Leid glaubst und dem du vertrauen willst, hat sich als Mensch selber dem menschlichen Leiden ausgeliefert.
Auch wenn sein Leid und dein Leid immer getrennt voneinander sein werden, so möchte dies ein Zeichen sein:

Gott liebt dich so sehr und möchte so sehr um die liebende Beziehung mit dir werben, dass er sich selber nicht verschont hat, sondern wie es bei Paulus heißt:
Jesus Christus

„… war Gott gleich, / hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich / und wurde wie ein Sklave / und den Menschen gleich. / Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich / und war gehorsam bis zum Tod, / bis zum Tod am Kreuz….“

(Phil 2,5-8)

Der Schächer, der neben Jesus Christus am Kreuz hing, hat das erkannt und sich in einem letzten Augenblick seines eigenen Lebens dazu bekannt.
So wurde für ihn das Bekenntnis zum leidenden Gott, zum mit-leidenden Gott die Quelle der eigenen Erlösung.

‚Jesus Christus und der Schächer‘. Bild: Privatbesitz Gerd Wittka, © Gerd Wittka, 2022

Für mich ist das ein Bild, ein Vor-Bild, damit ich lernen kann, dass er auch mich im Leiden und im Tod nicht fallen lässt.

Die Monarchie in Großbritannien und viele andere Monarchien sind Monarchien mit viel Glanz und Pomp, aber ohne wirkliche Macht.

Die Monarchie des Christus unseres Königs ist genau das Gegenteil davon: eine Monarchie ohne Glanz und Pomp, aber mit viel Macht, wenn auch nicht irdischer Macht; aber mit der Macht uns von dem zu befreien, was für Viele oft das Ende des eigenen Lebens zu sein scheint: der Macht, uns vom Tode zu befreien.