In unserer Pfarrei bieten wir seit fast drei Jahren Trauergruppen an.
Mittlerweile ist die Nachfrage so groß geworden, dass wir zwei Gruppen parallel durchführen.
In einer Gruppe, die ich mit einer Gemeindereferentin leite, fragte in einer Gruppenstunde eine jüngere Teilnehmerin, ob wir uns nicht auch mal über unsere persönliche Hoffnung und Vorstellung austauschen könnten, über die Frage, was nach unserem irdischen Leben kommt und uns erwartet?
Wir haben uns auf diesen Austausch eingelassen, denn uns war bewusst, dass wir das Thema nicht so einfach abtun könnten, in dem wir darauf hinweisen, dass Christ:innen ja an eine Auferstehung von den Toten glauben.
Die Frage, was nach dem irdischen Leben kommt, ist einerseits für uns Christ:innen klar, aber andererseits ist der Glaube an die Auferstehung ja mehr eine Hoffnung auf Auferstehung.
In diesem Zusammenhang kam mir eine Passage aus dem Römerbrief des heiligen Paulus in den Sinn:
Hier macht Paulus deutlich, dass unsere gläubige Hoffnung auf die Auferstehung auch immer etwas Ungewissheit beinhaltet. Das liegt aber im Wesen der Hoffnung und unseres Glaubens und zeigt keinen mangelhaften christlichen Glauben an, wann immer wieder die Frage in uns auftaucht, ob es auch wirklich so kommt?
Wenn ich – wie am vergangenen Donnerstag – am Grab meiner Mutter war, dann ertappe ich mich oft mit den Gedanken: „Ich wünsche dir, Mama, dass sich deine gläubige Hoffnung erfüllt hat!“
Dieser Satz macht mir deutlich, in welcher Spannung sich unser Glaube befindet, wenn wir bekennen, dass wir an die Auferstehung nach unserem irdischen Leben glauben, dies aber nur in der Hoffnung auf Auferstehung tun können.
Mutter-Liebe
In der Schwangerschaft wohl umsorgt …
In der Regel sorgen sich Frauen als werdende Mütter gut neun Monate sehr fürsorglich um das Kind, das in ihnen heran wächst. Sie haben bisweilen bange Ängste, ob das Kind wohlbehalten und gesund zu Welt kommt.
Dann – während der Geburt – bringen sie das Kind unter Schmerzen zu Welt; Schmerzen, die kein Mann der Erde nachvollziehen kann.
Wieviel Sorge und Entbehrungen wenden werdende Mütter auf, in der Sorge um ihr ungeborenes Kind?!
Und dann später, sollen diese Kinder – meist Söhne – als Kanonenfutter und für kriegstreiberische Potentaten ihr Leben geben?!
Wann endlich stehen die Mütter dieser Erde auf und lassen ihre Kinder nicht mehr in den Krieg ziehen?! Wann endlich sollen ihre Sorgen und ihre Schmerzen nicht vergeblich gewesen sein?!
„Was ich dir hätt‘ sagen wollen …“
Gedanken über Ungesagtes
Was ich dir hätt’ sagen wollen …
ist weit mehr als „eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh’n“, wie Reinhard Mey einst sang.
Ich möchte dir meinen Dank sagen für deine Fürsorge für deine Liebe für deine Ausdauer und Geduld für deine Offenheit, mich an dich heranzulassen für deine Ehrlichkeit dafür, dass du mir ein Zuhause gegeben hast und mich akzeptierst, wie ich bin
Ich möchte dir meinen Dank sagen für die Zeit, die wir gemeinsam hatten, die mir so kostbar war für die Welt, die du mir gezeigt und eröffnet hast und für deine Grenzen und Verletzlichkeit, die du mit mir geteilt hast
Ich möchte dir meine Bitte äußern, mir zu vergeben, wo ich dir Unrecht getan habe oder ungeduldig war; wo meine Aufmerksamkeit für dich nicht ausreichte, um zu erkennen, was dich wirklich bewegt,
Ich möchte dir meine Ängste offenbaren, dass ich mich ohne dich einsam fühle und verlassen und dass du eine Lücke hinterlässt, die nichts und niemand füllen könnte.
Ich möchte dir sagen, dass ich hoffe, dass der Ort, an den du gegangen bist, für dich ein neues Zuhause ist und wir weiterhin verbunden bleiben, über Zeit und Tod hinaus und dass ich es wünsche, deine Nähe zu spüren, bis wir uns wiedersehen.
Wie werden Sie dieses Jahr Ostern feiern? Ist es für Sie eine Art Frühlingsfest, auch wenn es in diesem Jahr noch kalt sein könnte? Feiern Sie Ostern mit seinem christlichen Hintergrund als das Fest der Auferstehung? Denken Sie, dass Auferstehung nur etwas mit dem Leben nach dem Tod zu tun hat?
Ich habe für mich in den letzten Jahren gefunden, dass Ostern eine wichtige Botschaft für dieses irdische Leben bereit hält, nicht erst jenseits unserer irdischen Lebens. Denn wie wollte ich an eine christliche Botschaft der Auferstehung glauben, wenn diese nicht schon hier stattfinden kann und wird?!
Auferstehung von den Toten hat für mich viel mit meinem Glauben an Erlösung zu tun: Erlösung von all dem, wodurch mein Leben gefährdet ist, was meine Lebendigkeit behindert oder sie sogar bedroht ist bis hin zum Gefühl, dass ‚das Leben an mir vorbei geht‘.
Ostern ist für mich der Aufbruch ins Leben, manchmal auch in ein ganz anderes, neues Leben – jenseits meiner bisherigen Vorstellungskraft; jenseits dessen, was ich mir bisher an Lebensmöglichkeiten zu denken und zu leben versagt habe. Ostern ist für mich die Ermutigung in ein Leben, dass uns wirklich lebendig sein lässt.
Somit ist die Botschaft von Ostern auch eine Botschaft gegen die eigene vermeintliche Ohnmacht. Es ist eine Botschaft, die mir neue Möglichkeiten eröffnen will.
Und da darf jede/r von uns schauen, nach welchen neuen Möglichkeiten unser eigenes Leben drängt. Doch damit das neue Leben beginnen kann, muss das ‚alte‘ = bisherige Leben vielleicht erst ‚sterben‘ und sterben können und dürfen.
Dieser Glaube ist aber nicht in jedermanns Sinne. Denn: Ostern ist zugleich ‚gefährlich‘! Ostern kann nämlich den Mächtigen Angst machen, weil an Ostern Christus „die Ketten des Todes zerbrach“, wie es im ‚Exsultet‘ der Osternacht gesungen wird. Da, wo andere unsere Lebendigkeit wie in einem Grab zumauern wollen, bricht Ostern dieses Grab auf, so dass wir wieder ins Leben treten können.
Ostern hält für uns die Botschaft der Freiheit bereit in allen Fällen, wo wir eingeschränkt, begrenzt oder unfrei sind oder gemacht werden sollen. Die Wirkung von Ostern kann sein, dass wir aus Mitläufer:innen zu Selbstläufer:innen werden, weil wir unsere Freiheit und Selbständigkeit erkennen und annehmen.
Ostern geschieht nicht nur im Jenseits, sondern bereits Jetzt, wenn wir es nur glauben und es zulassen, unser neues Leben, unseren Aufbruch in eine neue Lebendigkeit!
Stellen Sie sich einmal vor, das hätte Jesus Christus mit seiner Auferstehung für uns auch erreicht?! – Was wäre das ein mächtiges Fest!
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes und wirkmächtiges Ostern 2024! *Bildbetrachtung zu diesem österlichen Bild: in Arbeit
Abschied
… und auf einmal ist alles still … nur ganz sanft streicht ein windhauch über meinen balkon
eine kerze habe ich aufgestellt für dich
beten?
still sein! schweigen! bilder gemeinsamer begegnung steigen in meinen gedanken auf
ich will keine worte machen nicht denken
nur eins werden mit der stille der nacht
ich habe dir zuletzt nicht mehr viel wünschen können nur noch dieses: das du einen guten tod haben mögest.
vor wenigen wochen unsere letzte persönliche begegnung
seit einigen tagen dann der gedanke, dass es unsere letzte gewesen sein könnte und heute die gewissheit, das sie es war.
Einige Tage durfte ich wieder Urlaub machen in meinem Lieblingsurlaubsland Dänemark. Diesmal ging es auf die Insel Röm, nördlich von Sylt. Wie schon im letzten Jahr, war dieser Urlaub aber wieder mit geprägt vom Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine. In diesem Jahr beging ich hier den ersten Jahrestag des Kriegsausbruchs von 2022.
Wie gerne würde ich diese Gedanken alle abstreifen, doch in der Ruhe und Idylle dieses Urlaubs geht das nicht. Einer meiner Brüder fragte mich dieser Tage: „Kannst du nicht einfach mal Urlaub machen?“ – Auf diese wohlgemeinte Intervention antwortete ich – auch mit ein wenig Humor: „Kann man im Urlaub das Denken aussetzen?! – Das machen doch schon zu viele – auch außerhalb des Urlaubs…!“
Und so saß ich dort – umgeben von friedlichster Stimmung. Die Rinder, die hier vor unserer Terrasse regelmäßig vorbei gingen, gingen buchstäblich zu mir auf Tuchfühlung. Ich konnte sie streicheln. Ein Rind schleckte mir mit seiner dunklen, rauhen Zunge die Hand ab. Es hatte so viel friedliches und Einklang mit der Natur.
So kommen mir natürlich auch in solchen Situationen Gedanken:
Warum kann es nicht immer so friedlich sein? Es wäre doch alles so einfach! Und ich frage mich: Kennen Menschen, wie Putin denn auch solche Situationen? Oder sind sie in ihrer ideologischen Gedankenwelt so gefesselt, dass sie gar nicht mehr wissen, was Frieden ist und um die wertvolle Dimension für unser aller Leben?
Manchmal denke ich, Putin hat noch nie wirklich die Frage an sich herangelassen, wieviel Leid und Unheil er angerichtet hat und wofür er verantwortlich ist!
Es braucht Orte und Zeiten zum Nachdenken! – Foto: (c) Gerd Wittka, Februar 2023
Ich denke in meiner abgeschiedenen friedlichen Urlaubswelt an die Menschen in der Ukraine. Ich stelle mir konkret ihre Lebenssituation vor; nehme einen fiktiven ukrainischen Menschen in Gedanken in den Blick, wie er jetzt friert, nicht das Nötigste zum Leben hat, ängstlich in die kommende Nacht schaut und von ferne das Dröhnen der Bomben hört. Und immer wieder das Geheul der Sirenen. Ich denke an die Soldaten in ihren Gefechtsstationen, die einerseits im Bewusstsein kämpfen, das sie sich verteidigen dürfen und müssen und sich zugleich zurück sehnen nach zuhause. Ich denke an sie, die in diesem Augenblick bei geliebten Menschen sein könnten. Und ich denke, wie oft auch bei ihnen die Angst hochkommt, sie würden an der Front sterben – das junge Leben beenden müssen, das doch noch so viel Potential hätte.
Je mehr ich darüber nachdenke, kommt mir die Frage in den Sinn: „Wie kann man nur?!“ oder konkreter: „Wie kannst du nur, Wladimir Putin, all das zulassen?“ – „Wie glaubst du, vor dem Gericht der Geschichte und dem Gericht des Ewigen bestehen zu können?!“
Und in meiner Einfalt und Naivität wünsche ich mir, dass Gott genau diese meine Fragen in sein Herz pflanzen möge. Ich wünsche mir, dass Putin selbst mal innehalten und Abstand nehmen würde und einfach mal nur ganz als Mensch und voller Empathie sich hineinversetzen würde in das je eigene Schicksal der Menschen, über die er so viel Leid, Not und Tod bringt. Ich wünsche mir, dass ihm dies dann solche Gewissensqualen bescheren würde und er den Weg der Umkehr zu Frieden und Gerechtigkeit, zur Liebe und Menschenfreundlichkeit finden würde.
Ja, das wünsche ich mir, angesichts des eigenen Erlebens von friedvollen Tagen, in denen mir das Leiden der Menschen in Krieg und Not nicht gleich sein kann und ich auch gedanklich besonders herausgefordert bin, weil ich diese große Diskrepanz spüre, jetzt dieses Privileg friedlicher Zeit in Dänemark erlebt zu haben und zugleich von Krieg, Not und Tod in anderen Teilen der Erde zu wissen.