Mir war mal wieder so danach, das Grab meiner Mutter zu besuchen. Und da es mir gestern Mittag recht gut ging, habe ich mich auf den Weg gemacht.
Und ich dann noch eine Runde auf dem Friedhof gedreht und dabei schöne Skulpturen entdeckt.
Eine, die mir besonders ans Herz gewachsen ist, steht in einem ‚Garten der Erinnerung‘. Es zeigt ein Boot mit verschiedenen Personen, die offensichtlich auf einer Boots-Fahrt sind. Die Bootsfahrt ist ein altes Symbol für die Überfahrt zu dem anderen Ufer, zu dem uns der ‚Fährmann‘ begleitet. Daran erinnert mich diese Skulptur.
Vor einiger Zeit war das Boot total verrottet, aber man hat es erneuert. Mich freut es sehr.
Dann habe ich noch einen Grabstein entdeckt mit einer Personengruppe auf die zum Augenblick, als ich vorüber ging, die Sonne drauf schien. Sogleich hatte ich die Assoziationen von einem (Ehe-)Paar, dass die Sonne genoss und sich in aller Ruhe ein Sonnenbad nimmt.
Wenn man offen ist für verschiedene Bilder über die Vorstellung, was danach kommen könnte, nach unserem irdischen Leben, dann ist dies sicherlich auch ein sehr schönes und eingängliches Bild.
Zu diesem Thema der Überfahrt passt auch ein sehr schönes Lied, dass von Reinhard Mey stammt: „Lass nun ruhig los, das Ruder….“. Es kann über diesen Link bei youtube nachgeschaut werden.
ist weit mehr als „eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh’n“, wie Reinhard Mey einst sang.
Ich möchte dir meinen Dank sagen für deine Fürsorge für deine Liebe für deine Ausdauer und Geduld für deine Offenheit, mich an dich heranzulassen für deine Ehrlichkeit dafür, dass du mir ein Zuhause gegeben hast und mich akzeptierst, wie ich bin
Ich möchte dir meinen Dank sagen für die Zeit, die wir gemeinsam hatten, die mir so kostbar war für die Welt, die du mir gezeigt und eröffnet hast und für deine Grenzen und Verletzlichkeit, die du mit mir geteilt hast
Ich möchte dir meine Bitte äußern, mir zu vergeben, wo ich dir Unrecht getan habe oder ungeduldig war; wo meine Aufmerksamkeit für dich nicht ausreichte, um zu erkennen, was dich wirklich bewegt,
Ich möchte dir meine Ängste offenbaren, dass ich mich ohne dich einsam fühle und verlassen und dass du eine Lücke hinterlässt, die nichts und niemand füllen könnte.
Ich möchte dir sagen, dass ich hoffe, dass der Ort, an den du gegangen bist, für dich ein neues Zuhause ist und wir weiterhin verbunden bleiben, über Zeit und Tod hinaus und dass ich es wünsche, deine Nähe zu spüren, bis wir uns wiedersehen.
oder: wie eine Krisensituation viele Seelsorger:innen entdecken lässt
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Bei dem heutigen Evangelium könnten wir leicht in den Chor derer einstimmen, die den ständigen Rückgang von pastoralen Mitarbeiter:innen in der Kirche beklagen. In diesem Jahr wurde nur ein junger Mann zum Priester geweiht – der kam aus unserer Pfarrei. Die Verfügbarkeit der Seelsorger:innen, so wird beklagt, sei nicht mehr so gut gegeben, wie früher. (Ob das so stimmt, müsste man mal wirklich prüfen!)
Nun bin ich der Letzte, der dem Evangelium die Wahrheit absprechen würde. Aber zur Wahrheit gehört manchmal auch der differenzierte und geschärfte Blick.
Gibt es wirklich zu wenige Erntehelfer:innen?
Dazu möchte ich erzählen, was in den letzten Tagen hier in Sterkrade von besonderer Bedeutung wurde. Ich möchte an den tödlichen Unfall des Schaustellersohnes W. B. erinnern.
Neben den vielen Einsatzkräften von Polizei, Rettungskräften, Notarzt, Sicherheitskräften waren auch binnen weniger Minuten mehr als eine Handvoll „Notfallseelsorger:innen“ zur Stelle. Evangelisch und katholische Frauen und Männer, hauptberuflich oder ehrenamtlich, darunter auch der Krankenhaus-Seelsorger Johannes Sch. Sie waren da, um für die Menschen da zu sein, die geschockt und traumatisiert, sprachlos und verzweifelt waren über das schreckliche Unglück, das gegen 19.30 Uhr geschah.
Das sind schon einige Arbeiter im Weinberg des Herrn, die ‚stante pede‘ dort im Einsatz waren.
Gegen 21 Uhr erreichte mich dann ein Anruf eines Mitglieds unseres Pfarrgemeinderates. Er trug mir den Wunsch vor, schon am kommenden Tag eine Gedenkandacht für die Schaustellergemeinschaft anzubieten, damit diese noch vor Ende der Kirmes die Gelegenheit bekommen, ihrem Schock, ihrer Trauer und ihrem Schmerz Raum zu geben.
Es war hier ein Mitglied unserer Pfarrei, das sich ehrenamtlich engagiert und schnell die Notwendigkeit seelsorglichen Handelns sah und initiativ wurde.
Ich hatte dann zusagen können, fühlte aber, angesichts auch der riesigen seelsorglichen Herausforderung, binnen weniger Stunden einen angemessenen und niederschwelligen Gottesdienst mit Texten und Musik zu erstellen auch eine gewisse Angst. Ich wollte an Montag nicht da allein stehen.
So sprach ich meine evangelische Kollegin in der Krankenhaus-Seelsorge noch gegen 22.00 Uhr an und fragte sie, ob sie mit mir diesen Gottesdienst gestalten und beim Gottesdienst an meiner Seite stehen würde. Sie sagte zu. So lag diese Last nicht nur auf einen Schultern und wir konnten zugleich ein Zeichen ökumenischer Verbundenheit in der Krise setzen. Hier fanden sich dann zwei hauptamtliche Arbeiter:innen im Weinberg des Herrn, die sich in den Dienst nehmen ließen.
Doch damit nicht genug: Ich nahm Kontakt mit unserem Küster auf, weil es um ganz praktische Fragen der räumlichen Gestaltung der Clemenskirche ging und um die kurzfristige Besorgung hunderter Kerzen, die wir für ein Kerzenritual verwenden könnten.
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Auch ihn erreichte ich noch am Abend und er sagte mir spontan seine Hilfe zu. Er ließ sich auch persönlich in den Dienst nehmen, in dem er am kommenden Tag frühzeitig in der Kirche war und am Ende des Tages bis nach 23 Uhr viele Stunden in der Kirche verbracht hat, um auch später noch Menschen die Gelegenheit geben zu können, Kerzen zur Erinnerung an William B. entzünden und Gelegenheit zum Gebet geben zu können.
Einen Kirchenmusiker so kurzfristig zu finden, war mir nicht mehr möglich. Deshalb entschiedene wir uns, Musik einzuspielen. Aber wie waren die technischen Voraussetzungen dafür? Wie könnten wir die Kirche gut beschallen. Da war es ein Geschenk, dass ein junger Mann von der kjg seine Hilfe und Unterstützung anbot und mir den Tipp gab, die Verstärkungsanlage der Kirche zu nutzen. Auf meinen Hinweis, dass ich das aber nicht leisten könne, bot er sich selber an, bei dem Gottesdienst diese Aufgabe zu übernehmen. Er selber kümmerte sich dann auch während des Gottesdienst darum, dass technisch alles hervorragend lief.
Sowohl der Küster, der keinen offiziellen Dienst hatte, als auch der junge Mann ließen sich spontan in diesen seelsorglichen Dienst nehmen – denn solche praktischen Arbeiten dienen der Seelsorge und sind nach meinem Verständnis Teil seelsorglichen Handelns unserer Kirche.
Ich möchte es kurz machen, aber nicht, ohne noch zu erwähnen, dass die beiden letztgenannten Personen während der Andacht nicht nur ihren vorher abgesprochenen Part übernommen haben.
Als sie sahen, dass während des Gottesdienstes Unterstützung durch ganz praktische Handreichungen nötig war, haben sie dieses proaktiv übernommen. Sie haben die Sensibilität gehabt, zu erkennen, was gerade dran ist und sind diesem inneren Impuls gefolgt, ohne sich dabei selbst irgendwie in den Vordergrund zu stellen.
Das nötigt mir noch heute größte Dankbarkeit ab. Ich bin ihnen und Gott dankbar, dass er uns an diesem Tag diese Menschen zur Seite gestellt haben, die so viel Takt und Fingerspitzengefühl hatten und sensibel sich für diese Herausforderung in den Dienst nehmen ließen.
Später kam noch die Initiative unserer Gemeindereferentin Melanie M. dazu, die dafür sorgte, dass die Kirche am Montag von 17.00 Uhr bis nach 23.00 Uhr zum persönlichen Gebet geöffnet war. Sie wurde dadurch wiederum durch mehrere Personen unterstützt, so dass immer jemand in der Kirche war.
Wenn ich also Revue passiere, dann sehe ich allein im Umfeld dieses Unglücks mindestens 5-6 Notfallseelsorger:innen, mindestens drei hauptamtliche Seelsorger:innen und mehrere Ehrenamtliche, die sich als Erntehelfer im Sinne des heutigen Evangeliums haben in den Dienst nehmen lassen. Ich kann somit sagen, dass allein in diesem Kontext mehr als 12 Erntehelfer:innen im Einsatz waren.
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Gibt es also zu wenig Arbeiter:innen?! Nicht, wenn wir einen neuen Blick üben auf das Potential, dass hier auch mitten unter uns besteht: viele Personen, die sich im engeren seelsorglichen Kontext in den Dienst nehmen lassen. Ich denke darüber hinaus auch an viele andere, die als ehrenamtliche Gemeindeleitung, alsWort-Gottes-Leiter:innen, als Kommunionhelfer:innen, Lektor:innen, Messdiener:innen, Chorsänger:innen, Trauerbegleiter:innen, usw. usw. immer wieder seelsorgliche Arbeit leisten.
Ich denke, es liegt an uns, dieses Potential auch als solches wahrzunehmen und zu würdigen.
Dann können wir sagen: Ja, es gibt immer weniger Menschen, die hauptamtlich im Dienst des Herrn, als Arbeiter:innen im Weinberg des Herrn arbeiten. Aber bei genauerem Hinsehen, können wir erkennen, dass es unzählig viele andere gibt, die zusammen mit den hauptamtlichen Personen in der Seelsorge ebenfalls ‚seelsorgliche‘ Aufgaben übernehmen.
Und wenn wir unseren Blick auf diese Menschen in der Seelsorge lenken, dann entsteht sicherlich eine größere Wertschätzung diesen vielen Menschen gegenüber, die selbst mit sehr viel Kompetenz ehrenamtliche Seelsorgeaufgaben übernehmen und auf die wir in unserer Kirche mehr denn je nicht mehr verzichten können.
Fürbitten:
Gott und Schöpfer, wir beten voll Vertrauen.
1. Für alle, die sich ehrenamtlich, besonders auch ehrenamtlich im Bereich der Seelsorge einsetzen: Um die Gaben des Heiligen Geistes, um Ausdauer und Kreativität in ihrem Verkündigungsdienst. V.: Heiliger Herr und Gott. A.: Wir bitten dich, erhöre uns.
2. für alle, die in den Flüchtlingslagern der Welt humanitäre Hilfe leisten, dass sie nicht resignieren und zur Quelle der Freude und der Liebe für die Hilfesuchenden sind. V.: Heiliger Herr und Gott. A.: Wir bitten dich, erhöre uns.
3. für die Kinder und Jugendlichen, in unserem Land und weltweit, die zu wenig Liebe, Schutz und Geborgenheit erfahren. V.: Heiliger Herr und Gott. A.: Wir bitten dich, erhöre uns.
4. Für alle, die Opfer von Terror und Krieg, Hass und Gewalt geworden sind. V.: Heiliger Herr und Gott. A.: Wir bitten dich, erhöre uns.
5. Für alle, die bei Unfällen ihr Leben verloren haben und für ihre trauernden Angehörigen. V.: Heiliger Herr und Gott. A.: Wir bitten dich, erhöre uns.
Guter Gott, der Glaube an dich und deinen Beistand, hilft uns immer wieder neue Kraft und neuen Mut zu finden. Er bewahrt uns vor Resignation und Frust. Dafür danken wir dir, jetzt und alle Tages unseres Lebens. Amen.
Von Gott umgeben
Impuls zum Erinnerungsgottesdienst am 01. Juni 2023
„Von Gott umgeben“ – so steht es über diesem Erinnerungsgottesdienst. Für manche steht hinter diesem Motto ein Fragezeichen. Für andere ein Punkt oder sogar ein Ausrufezeichen!
Wir möchten heute hinter diesem Wort ein Ausrufezeichen setzen. Zugleich wissen wir aber um die Schwierigkeit dieser Aussage.
Unser Glaube will uns sagen: Von Gott sind wir in jedem Moment unseres Lebens umgeben, so wie das Meer die Fische umgibt.
Ob wir es wahrnehmen oder nicht: Gott ist immer da! Das ist auch seine biblische Selbstzusage: „Ich-bin-der-ich-bin-da!“
In den Höhen und Tiefen unseres Daseins, in den Zeiten der Freude und der Trauer, ist Gott an unserer Seite. Seine Liebe und Gnade umhüllen uns wie ein schützender Mantel.
Von dem Theologen Karl Rahner stammt das Wort:
„Glauben heißt nichts anderes, als die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten.“
(Karl Rahner SJ)
Dieses Wort sagt mir: sich Gottes Weisheit und seines Reichtums bewusst zu werden und gleichzeitig zu akzeptieren, dass unsere menschliche Erkenntnis begrenzt ist.
In Momenten der Unsicherheit und des Zweifels kann es herausfordernd sein, die Entscheidungen Gottes zu verstehen.
In den Zeiten, in denen wir vor den Geheimnissen des Lebens stehen, könnten wir uns daran erinnern, wie wunderbar Gott ist.
Seine Entscheidungen sind manchmal unbegreiflich für uns, und seine Pläne sind undurchdringlich. So haben wir gerade im Psalm und in der Lesung gehört.
Ja, aber auch sein Reichtum ist unendlich, seine Weisheit unermesslich, und seine Gedanken sind tiefer als wir es je begreifen können, sagen uns die Texte.
Wir können uns nur einen winzigen Ausschnitt von diesem Reichtum und von dieser Weisheit vorstellen. Doch auch das ist überwältigend: Die Schönheit der Natur, die Harmonie im Universum, die Liebe, die uns umgibt – all das sind Zeugnisse von Gottes Größe und Güte. Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Plans sind, der über unseren menschlichen Verstand hinausgeht.
Und so stehen wir vor den unbegreiflichen Entscheidungen Gottes und den undurchdringlichen Plänen, die er für uns hat. Wir müssen anerkennen, dass wir nicht immer Gottes Absichten erkennen können. Unsere Vorstellungen von Richtig und Falsch, von Gut und Böse mögen manchmal in Konflikt stehen mit dem, was Gott vorhat.
Inmitten dieser Unbegreiflichkeit offenbart sich jedoch gerade die Größe Gottes.
Es erfordert deshalb Mut und gläubiges Vertrauen in Gott, unsere eigenen Pläne loszulassen und uns in die Hände desjenigen zu begeben, der die Zukunft kennt.
Unsere menschliche Begrenztheit wird immer eine Trennlinie zwischen uns und der vollkommenen Erkenntnis Gottes sein. Aber in diesem Spannungsfeld liegt auch ein Segen. Denn gerade in unserer Begrenztheit kann uns unser Glaube helfen, uns auf das Geheimnis Gottes einlassen und uns von seiner Liebe und Gnade umfangen zu wissen. Dann kann sich ein Trost in uns ausbreiten, auch wenn wir weder Gottes Willen noch den Sinn verstehen und auf das „Warum?“ noch keine Antwort finden.
Lasst uns die Gewissheit in unseren Herzen tragen, dass Gott uns niemals allein lässt. Mögen wir seine Gegenwart in jedem Augenblick spüren und uns von seiner Liebe tragen lassen, auch wenn wir nicht alles verstehen.
Heute erinnere ich mich besonders meines jüngeren Bruders, Eric Wittka, der plötzlich am 13. Oktober 2013 in jungen Jahren verstarb.
Auch heute, nach neun Jahren, wirkt es für mich noch immer recht unwirklich. Eric war eine stattliche Erscheinung, sportlich und agil. Und er besaß eine gehörige Portion Humor.
Von ihm gibt es kein Grab, weil er eine See-Bestattung gewünscht hat.
Am Rande des Christopher-Street-Day Münster am 28. August 2022 zeigte der 25-jährige Trans-Mann Malte C. Zivilcourage, als drei Frauen homofeindlichen Angriffen ausgesetzt waren.
Dabei wurden Malte C. selber massive Kopfverletzungen zugefügt. Nach mehreren Notoperationen lag er im Universitätsklinikum Münster im Koma und ist heute an seinen Verletzungen gestorben.
Mich erschüttert diese Nachricht sehr.
Noch beim ökumenischen Gottesdienst zum Ruhr-Pride Essen Anfang August haben wir auf die Vielfältigkeit (Diversität) von verschiedensten Sexualitäten aufmerksam machen wollen und sind für eine neue, achtsame und respektvolle Wahrnehmung eingetreten.
Wie wichtig dieser Einsatz ist, zeigt in tragischer und erschütternder Weise der Tod von Malte C.!
Als katholischer Seelsorger setze ich mich mit deutlicher Vehemenz für die Achtung und Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Diversitäten ein!
Flags diverser Sexualitäten – Bild von Loke auf Pixabay
Viel zu lang leiden Menschen darunter, dass ihnen ihre eigene geschlechtliche Identität streitig gemacht wird und sie deshalb diskriminiert und verfolgt oder gar Opfer grausamer Gewalttaten werden!
Meine Mitgefühl und meine Solidarität gilt den Familienangehörigen und Zugehörigen und Freund:innen von Malte C.!
Ich gehöre wohl zu der Generation, die in diesen Jahren gehäuft mit dem Tod der eigenen Mutter konfroniert ist. Viele in meinem Bekanntenkreis und in meinem Alter können diese Erfahrung nun machen.
Mir fällt dabei auf, dass – obwohl unsere Mütter ein hohes Alter erreicht haben – deren Tod uns oft sehr nahe geht.
Warum ist das so?
Ich habe mich gefragt: Warum? – Hatten sie nicht ein gesegnetes Alter? Haben wir nicht immer häufiger den Gedanken in uns gehabt, dass bald die Zeit kommen könnte, wo sie diese Welt verlassen? Waren sie vielleicht nicht schon durch Alter, Gebrechlichkeit und Alter so gezeichnet, dass ihr Tod immer näher kam?
Bei meiner Mutter habe ich es z.B. so erlebt, dass sie sehr gut auf ihren Tod vorbereitet war. Sie hat ganz bewusst eine weitreichende Verfügung erlassen, was in welchem Fall noch medizinisch getan werden soll. Sie hat sogar ihre eigene Beisetzung bis ins Detail klar gehabt; sie hatte entschieden, dass sie in einem „Garten der Erinnerung“ beigesetzt werden wollte und vieles andere mehr.
Als dann aber der Augenblick ihres Todes kam, hat es mich sehr bewegt. Und auch heute, gut drei Jahre nach ihrem Tod, vermisse ich sie immer noch.
Warum ist die Beziehung zur eigenen Mutter so stark?
In den Tagen ihrer Beisetzung sagte mir jemand:
„Die eigene Mutter ist der einzige Menschen, den man am längsten kannte und die dich am längsten kannte. Ihr kanntet euch schon, da warst du noch nicht geboren. Schon vor der Geburt habt ihr eine Verbindung aufgenommen und gehabt. Diese Verbindung ist ganz einzigartig und kann durch keinen anderen Menschen irgendwie erreicht werden.“
Dieser Gedanke begleitet mich seitdem. Und ich kann wegen dieses Gedanken es sehr gut annehmen, dass meine Trauer um die Mutter auch jetzt noch irgendwie anders, intensiver ist, als bei anderen Menschen.
Vor etwas über eineinhalb Jahren haben sich die Seelsorgerinnen und Seelsorger unserer Pfarrei St. Clemens in Oberhausen darauf verständigt, stärker als bisher sogenannte Zielgruppen-Seelsorge in den Blick zu nehmen.
Eine Zielgruppe ist jene, die trauern und die einen lieben Menschen verloren haben.
Deshalb haben wir einen „Arbeitskreis Trauerpastoral“ gegründet. Ja, ich weiß: bei dem Stichwort „Arbeitskreis“ wird manchen von Ihnen wieder das geflügelte Wort in den Sinn kommen: „Und wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis!“
Aber dem ist nicht so. Ich wage das zu behaupten, nicht nur weil ich selber diesem Kreis angehöre. Wir sind insgesamt zur Zeit sechs Mitglieder. Vier davon sind hauptamtliche SeelsorgerInnen in unserer Pfarrei und aus verschiedenen Bereichen der Seelsorge. Dazu gehören dem Kreis noch zwei Frauen an, die ehrenamtlich tätig sind. Alle Mitglieder haben eine hohe fachliche Qualifizierung in verschiedenen Bereichen wenn es um Sterbende, Tod und Trauer geht. (Und das ist ein Pfund, mit dem wir in unseren Kirchen wuchern können: fachlich hochqualifizierte Personen engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich!)
Einmal im Monat – an jedem ersten Donnerstag – laden wir zu einem Erinnerungsgottesdienst ein, der keine heilige Messe ist. Eingeladen sind alle Menschen, die spüren, dass sie in Trauer sind. Dabei ist es völlig egal, wie frisch der Verlust ist oder wie lange die Trauerphase schon anhält. Wir wollen einen Raum schaffen, wo diese Trauer sein darf, weil die Trauer wesentlich zur menschlichen Existenz dazugehört und sie eine wirkmächtige Phase im Leben eines Menschen sein kann.
Wenn mir die Frage gestellt würde, warum ich in diesem Kreis mitarbeite, dann würde ich unterschiedliche Aspekte benennen können. Einer ist sicherlich auf die heutige Lesung zurück zu führen:
„Schwestern und Brüder, wir wollen euch über die Entschlafenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung mehr haben. (…) Tröstet also einander …“ (1. Thess 4, 13 ff.)
Ich möchte Menschen in Trauer unterstützen, die Trauer als eine wichtige Phase in ihrem Leben wahr- und anzunehmen. Ich möchte sie einladen, die Trauer als ein Weg der Heilung zu erfahren, der ihrem Leben einen Reichtum gibt, der leider nicht ohne Schmerz und Wunden vonstatten geht.
Liebe Schwestern und Brüder, diejenigen von Ihnen, die mich bereits länger kennen, wissen, dass ich in meinen Predigten auch gerne Zeugnis ablege von meinem ganz persönlichen Glauben. So auch bei diesem Thema: Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Trauer im christlichen Glauben eine Trauer ist, zu der die Hoffnung wesentlich dazu gehört.
Sie alle, die selbst solche Trauer erlebt haben, können nachvollziehen, wie der Tod eines geliebten Menschen gleichsam den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Die Welt um einen herum scheint still zu stehen und vieles scheint so banal, so unwichtig. Schmerz, Zweifel und Unsicherheiten sind die eine Seite der Trauer. Doch ich habe immer wieder – mal stärker, mal schwächer – auch die andere Seite der Trauer erfahren dürfen: die Seite der Hoffnung, der Zuversicht und des Glaubens.
Paulus erlebt schon zu seiner Zeit, wie die Trauer einen Menschen zutiefst erschüttern kann. Auch die frühen Christen war nicht frei von Zweifeln und Anfechtung, wenn sie vom Tod anderer oder auch mit ihrem eigenen Tod konfrontiert wurden.
Hier ein Angebot der Hoffnung zu machen, war damals schon dem heiligen Paulus wichtig, denn in solchen Zeiten ist es nötig, durch Hoffnung zu trösten. Viele jedoch, die trösten wollen, fragen sich: wie?
Können das nur Fachleute, die als TrauerbegleiterInnen ausgebildet sind?
Nein, liebe Schwestern und Brüder, jede und jeder von uns kann in Trauer Trost und Hoffnung geben. Jeder Mensch, der selbst durch die Trauer und Hoffnunglosigkeit gegangen ist und diese nicht verdrängt hat, bringt eine ganz wesentliche Voraussetzung mit, um selber Trost und Hoffnung zu geben.
Was das ist?
Die Fähigkeit, der Trauer und der Hoffnungslosigkeit nicht auszuweichen, sondern sie auszuhalten.
Während einer Abwesenheit konnte ich nicht ins Krankenhaus gerufen werden. Das Kind einer jungen Mutter war gestorben. Ein junger Priesterkollege – der nicht aus der Krankenhaus-Seelsorge kam – war bereit, sich nachts auf den Weg ins Krankenhaus zu machen, um diese junge Mutter zu begleiten. Einige Tage später rief ich meinen Kollegen an und fragte ihn, wie er mit dieser Situation klar gekommen sei, denn schließlich wurde er damit quasi ins kalte Wasser gestoßen. Da sagte er mir, auch etwas enttäuscht: „Mich hatte das Schicksal dieser jungen Mutter sehr berührt, ich konnte nicht viel machen. Ich hatte keine Worte. Ich konnte nur da sein und da bleiben!“
Liebe Schwestern und Brüder, ich habe große Hochachtung vor meinem Kollegen. Und ja, er hat alles richtig gemacht. Zwar glaubte er „nicht viel machen zu können“, dabei hat er alles gegeben, was er geben konnte: seine Anwesenheit, seine Nähe. Er hat nicht die Flucht vor diesem Leid der jungen Mutter ergriffen, sondern hatte den Mut, da zu bleiben, vermeintlich ohnmächtig.
Und ich bin mir sicher, dass er dieser Frau unendlich viel in diesem Augenblick gegeben hat: er war bereit mir ihr in dieser Zeit in ihre Not hinabzusteigen, sie nicht allein zu lassen. Und in seiner Sprachlosigkeit hat er der Sprachlosigkeit der Mutter einen Raum geben und somit auch eine Berechtigung.
Anderen Menschen Trost geben zu können, ist also nicht allein eine Frage der fachlichen Qualifikation, sondern des Mutes, sich selber dieser ( dunklen ) Seite im Leben zu stellen und nicht zu fliehen.
Gebet:
Die Hoffnung ist die Schwester des Glaubens. Von ihr sagt der heilige Paulus im Römer-Brief: (Römer 8, 24ff)
„… Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern….“
So lasset uns beten:
Heiliger Geist, du unser Beistand, du Atem Gottes, der alles lebendig macht.
Du zerreißt die finstre Nacht der Trauer, du spendest Trost in Leid und Tod.
Wirke du und bete du in uns, wo die Quellen unserer Worte angesichts der Trauer versiegt sind. Halte du in uns den Lebensodem aufrecht, damit wir in der Trauer die Hoffnung spüren, die unsere Wunden, die uns der Tod geschlagen hat, heilen lässt.
Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herren, der auch für uns von den Toten auferstanden ist und mit dir und dem Vater liebt und lebt in Ewigkeit. Amen.