Frohe Botschaft spüren

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Lesungstext: Lukas 15, 11-32


Wahrnehmungsübung:

Ich möchte Sie für einen kleinen Augenblick einladen, einmal kurz inne zu halten und in sich hinein zu spüren; Sie dürfen – wenn Sie mögen – auch einen Augenblick die Augen dabei schließen um ganz bei sich selber sein zu können.
Am Ende der kleinen Übung werde ich Sie anleiten, wie Sie gut diese kleine Übung beenden können.

Setzen Sie sich – wenn möglich – aufrecht auf Ihren Stuhl. Lehnen Sie sich mit dem Rücken gut an, damit Sie im Rücken guten Halt finden.
Mit beiden Füßen sollten Sie gut den Boden berühren. Die Hände können Sie auf den Oberschenkeln ablegen.
Spüren Sie, wie Sie vom Stuhl gut getragen werden.
Wenn Sie mögen, schließen Sie jetzt Ihre Augen und lassen sich etwas von mir durch diese Übung führen.

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Evangelium, das wir gerade gehört haben.
Erinnern Sie sich an Szenen, die Sie besonders angesprochen haben.
Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die handelnden Personen.
• Da ist der Vater, der sein Erbe auszahlt.
• Da ist der jüngere Sohn, der seinen Erbteil nimmt und sich von zu Hause löst.
• Da ist der ältere Sohn, der ortstreu bleibt und sich an die Familientradition gebunden fühlt.

Spüren Sie einen Augenblick mal bitte in sich hinein und fragen Sie sich, welche Person Sie in diesem Evangelium besonders angesprochen hat?
Und welche Person behagt Ihnen gar nicht?
In welcher Person haben Sie sich persönlich am ehesten entdeckt?
Welche Person würden Sie gerne sein?

Bewerten Sie diese Feststellung nicht.
Nehmen Sie nur war, mit welcher Person Sie sich leichter einfühlen können?

Und jetzt versuchen Sie, mit Ihren Gefühlen in Kontakt zu kommen.
Zu den Gefühlen rechnen wir Angst, Ärger, Wut, Zorn, aber auch Freude, Dankbarkeit, Liebe, sich-geliebt-fühlen, …

Bewerten Sie die Gefühl nicht. Sie sind da und haben ihre Berechtigung.
Welche Gefühle nehmen Sie bei sich wahr, wenn Sie das heutige Gleichnis hören?

Oder spüren Sie sogar körperliche Empfinden, Befindlichkeiten oder Missempfindungen, wie innere Unruhe, Wärme und Entspannung im Bauchraum, aber vielleicht auch Anspannung oder Verspannung.
Wo nehmen Sie diese Empfindungen wahr? Im Kopfbereich, in der Brust oder in der Bauchgegend?
Auch diese Empfindungen bitte nicht bewerten, nur wohlwollend wahrnehmen.

Vielleicht können Sie auch im Moment gar nichts wahrnehmen.
Dann ist es auch nicht schlimm. Versuchen Sie, auch das nicht zu bewerten.

Bleiben Sie einen kurzen Augenblick bei dem, was gerade bei Ihnen ist.
Gönnen wir uns einen Augenblick der Stille ….

….

Nun möchte ich Sie anleiten, mit Ihrer Aufmerksamkeit wieder in diesen Raum zurück zu kehren. Lassen Sie noch die Augen geschlossen, wenn Sie sie geschlossen hatten.

Ballen Sie nun Ihre Hände zu Fäusten zusammen, auch gerne etwas kräftiger, damit Ihr Kreislauf wieder in Schwung kommt.
Ziehen nun langsam und kräftig ihre Fäuste und Unterarme an die Oberarme heran und Sie dürfen sich jetzt auch räkeln, wie wenn Sie morgens erwachen.
Dann öffnen Sie langsam wieder Ihre Augen und finden sich hier in der Kapelle wieder…


Vielleicht fragen Sie sich:
Was soll das alles?!

Ich möchte Sie ermutigen, das Evangelium nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen zu erleben.
Oft nähern wir uns solchen Texten nur sachlich und theologisch.
Aber Jesus erzählte Gleichnisse, um direkt unsere Gefühle anzusprechen – er wollte, dass wir mit unserem Herzen, also mit unseren Emotionen, berührt werden.
Obwohl er Rabbi genannt wurde, sah er sich nicht als einen rein akademischen Lehrer. Es tut uns also gut, wenn wir uns heute den Evangelien so nähern wie Jesus es tat.

Haben Sie beim Hören des Evangeliums gute, positive Gefühle empfunden?
Dann: Glückwunsch! Das Evangelium – die Frohe Botschaft – hat bei Ihnen bereits seine Wirkung entfaltet.

Falls Sie aber eher unangenehme Gefühle hatten, etwa weil Sie den älteren Sohn und seine Empfindung von Ungerechtigkeit verstehen, machen Sie sich keine Sorgen.
Genau solche Menschen wollte Jesus mit seinem Gleichnis ansprechen.

Viele von uns, mich eingeschlossen, können sich in der Reaktion des älteren Sohnes wiedererkennen.
Er hielt sich immer an die Tradition, doch für ihn blieb das Fest der Freude aus. Das ist für ihn unverständlich! Wo bleibt da der Lohn der Treue und des Gehorsams?!

Nur: so geht es zu, auf dem Erlösungsweg Gottes!

Auch wenn wir den älteren Sohn verstehen, dürfen wir versuchen, uns zu freuen, denn Jesus hat dieses Gleichnis für uns gedacht.
Er möchte uns lehren, uns für die grenzenlose und bedingungslose Liebe und Fürsorge des Vaters zu öffnen.

Ich könnte noch viel mehr über das Evangelium sagen, aber eines möchte ich besonders betonen:

Erinnern Sie sich an die Worte des Vaters:
„… dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden…!“
Das ist der zentrale Satz dieses Evangeliums.

Heute feiern wir den Laetare-Sonntag – das bedeutet „Freue dich!“.
Der letzte Satz des heutigen Evangeliums gibt uns einen Hinweis auf Ostern, auf die Auferstehung.
In diesem Gleichnis hören wir von einer Auferstehungsgeschichte, die in den kommenden Wochen in anderen Formen immer wieder auftaucht.

Der Laetare-Sonntag ist der Übergang von dem Teil der Fastenzeit, in der wir über unsere Umkehr nachgedacht haben, zu den nächsten Wochen, in denen wir das Leiden Christi verstärkt betrachten.

Dieses Evangelium und dieser Sonntag erinnern uns daran:
Wenn in den nächsten Wochen viel über Leid gesprochen wird, ist das nur der Auftakt.
Christus blieb nicht am Kreuz – sein Leiden führte direkt zur Auferstehung.
In diesem Geist lade ich Sie ein, die kommenden Wochen in diesem Bewusstsein zu begehen, bis wir in großer Freude das Osterfest feiern können.






Fastenzeit – Prüfen

… um zu verstehen

Im Krankenhaus widmen wir uns von der evangelischen und katholischen Krankenhaus-Seelsorge der diesjährigen Jahreslosung und schauen uns einige Aspekte der Jahreslosung etwas näher an.
Mit Texten laden wir die Besucher:innen der Krankenhaus-Kapelle zu Besinnung und zum Nachdenken ein.

Hier veröffentliche ich einige Texte, die ich dazu geschrieben habe:


Mit bebendem Herzen und funkelndem Blick
trete ich aus dem Schatten des Bekannten hervor,
hinterfrage das Dröhnen des Alltäglichen
und lausche dem Ruf der verborgenen Wahrheiten.

In jedem Zweifel liegt ein Samen,
bereit zu erblühen im klaren Licht der Erkenntnis.
Ich wage mich ins Dickicht der Fragen,
denn in der Ungewissheit wohnt die Möglichkeit
eines neuen, leuchtenden Pfades.

In dieser Welt finde ich einen bunten Strauß aus Stimmen und Farben,
und ich, ein neugieriger Wanderer,
öffne die Türen, die lange verschlossen schienen,
um zu erfahren, was jenseits des Sichtbaren liegt.

Ich wage es, zu prüfen!
Nicht, um zu zerstören,
sondern um zu verstehen,
um die Schichten des Verborgenen zu lüften
und in der Tiefe des Seins
das unendliche Licht der Wahrheit zu finden.

© Gerd A. Wittka, 2025




Christliche Tugend: Barmherzigkeit

Was ist Barmherzigkeit?

Vorbemerkungen zum besseren Verständnis der nachfolgenden Gedanken:

Alles, was ich hier schreibe, bezieht sich nicht auf eine konkrete Person (auch wenn ein konkreter Anlass diese Zeilen begründet), sondern auf den Umgang mit einer Thematik, die immer noch in Kirche und Gesellschaft tabuisiert und in der Breite nicht ernst genug genommen wird.



Und noch etwas Entscheidendes muss ich voran schicken, damit die nachfolgenden Ausführungen besser eingeordnet und verstanden werden können:

Grenzüberschreitungen sind niemals eine Bagatelle!

„Keinen Zutritt!“ – www.pixabay.com

Sie sind nicht harmlos, erst recht, wenn eine bestimmte Vertrauensbasis vorliegt oder sie sogar mit Machtmissbrauch verbunden ist, wie es zum Beispiel oft bei Schutzbefohlenen, Kindern und Jugendlichen der Fall ist.
Sie sind insbesondere dann noch gefährlicher, wenn sie mit körperlichen oder sexualisierten Grenzüberschreitungen einhergehen.

Denn so stellen sie zudem einen massiven Angriff auf die sexuelle Integrität eines Menschen dar, die dann ganz besonders brisant ist, wenn diese Menschen sich in einer Entwicklungsphase der eigenen sexuellen Identitätsfindung befinden, wie bei heranwachsenden Kindern und Jugendlichen rund um oder in der Phase ihrer Pubertät.

Die Suche zum ‚Ich‘ braucht umfassenden Schutz!

Seit Ende der 1990er Jahre beschäftige ich mich zwangsläufig, eher unfreiwillig und notwendigerweise, mit diesem ganzen Themenkomplex, der mir schon Ende der 1990er Jahre in einer kirchlichen Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten begegnet ist.
Später wurde ich massiv als Gefängnisseelsorger mit der Thematik konfrontiert und bis zum heutigen Tage als Krankenhaus-Seelsorger in einer Psychiatrie.

Dazu kommt, dass ich selber – als heranwachsender Jugendlicher und sogar später als Priester – Opfer sexueller Grenzverletzung und Übergriffigkeit geworden bin.
Selbst mit Anfang meiner 40er Jahre habe ich in einer früheren Pfarrei durch eine deutlich älteren Frau in einer völlig unverfänglichen gottesdienstlichen Situation (Wohnungseinsegungsfeier!) körperlich-sexuelle Übergriffigkeit erfahren.
Für mich als erwachsener Mann, der seine sexuelle Integrität gefunden hat, war dies trotz allem sehr irritierend, verstörend und hat eine Flut unterschiedlichster Gefühle in mir ausgelöst wie Wut, Ohnmacht, Ekel und Abscheu. (Mein Gedanke damals: am liebsten hätte ich der Frau eine kräftige Ohrfeige geben! – Im Pott würde man sagen: „Eins in die Fresse gehauen!“)

Wenn ich mich dann frage, was solche oder ähnliche Erfahrungen bei Menschen auslösen kann, die ihre sexuelle Integrität noch finden müssen, liegt die berechtigte Vermutung nicht fern, dass bei ihnen massiver Schaden entstehen kann.

Ich kann somit für mich in Anspruch nehmen, in dieser Thematik ‚bewandert‘ zu sein.

Und ich sage auch:
Mir behagt es nicht, mich auch selber als Betroffener sexueller Übergriffigkeit zu outen.
Aber ich halte es im Hinblick auf andere mögliche Opfer für meine moralische Verantwortung, dieses jetzt und hier zu tun.
Zumal ich in den Diskussionen immer wieder erfahre, dass betroffene Menschen nicht ernst genommen werden, so als wäre das lediglich ein kleines Randthema.
Doch die Statistiken sprechen eine ganz andere Sprache.
Und ich habe immer wieder erfahren, dass Menschen, die in solchen Thematiken ihre berechtigten Sorgen und Ängste formulieren und in Protest ausdrücken, ebenfalls nicht ernst genommen werden. Mitunter unterstellt man ihnen sogar niedere Beweggründe.

Und wenn der Umstand, von meiner eigenen persönlichen Lebensgeschichte zu erzählen, die Sensibilität für dieses Thema erhöht und dadurch mehr Menschen vor solchen Taten bewahrt werden können, dann hat sich mein Outing schon gelohnt!

Komme ich aber nun zum eigentlichen Anlass dieses Beitrags.

Vor einigen Wochen konnten wir in unserer Pfarrei eine Situation erleben, die sich mit der Frage konfrontiert sah, ob ein Seelsorger – der in der Vergangenheit wegen zwischenmenschlichen Grenzüberschreitungen seine frühere Aufgabe in einer anderen Stadt aufgeben musste – nun in unserer Pfarrei als Priester und Seelsorger eingesetzt werden solle?

Wenn Schutzmauern zerbrechen oder zerbrochen werden – www.pixabay.com

Ohne näher auf diese Angelegenheit eingehen zu wollen, will ich kurz zwei „Lager“ skizzieren, wie ich sie persönlich wahrgenommen habe.

Die eine Seite bewegte berechtigte Sorgen und Ängste, ob bei einem neuerlichen Einsatz solche Grenzüberschreitungen sicher vermeidbar wären?
Sie hatte berechtigte Fragen, auf der sie keine zufriedenstellenden Antworten bekommen haben.
Deshalb irritierte sie auch sehr stark der Prozess dieser Personalentscheidung.
Sie hatte die Courage und den Mut, diese offenen Fragen, ihre Sorgen, Ängste und Verunsicherungen zu artikulieren.
Nach allem, was wir über Grenzüberschreitungen und Missbrauch empirisch wissen, sind diese offenen Fragen und Sorgen berechtigt.

Da ist zum Beispiel die immens wichtige Frage, ob die damaligen Grenzverletzungen nicht auch eine Vorstufe zu weiteren Handlungen hätten sein können? Wir wissen aus der wissenschaftlichen Forschung rund um Missbrauchsbiographien, dass Täter:innen mitunter – wenn auch nicht geplant – austesten, ‚wie weit sie ohne Widerstand gehen können‘.
Da ist die Frage erlaubt:
Wer ‚garantiert‘ keine Wiederholungsfälle?
Wer übernimmt persönlich die Verantwortung dafür, wenn sich ’so etwas wiederholt‘?
Und dann sind da die nicht unerheblichen Fragen und Unsicherheiten von Eltern und Erzieher:innen: „Woher bekommen wir die Sicherheit, unsere Kinder und Jugendlich der ‚Kirche‘ anvertrauen zu können, die – nach ihrer eigenen Wahrnehmung – nur so unzureichend auf den vorhersehbaren Widerstand vorbereitet war?“

Diese Fragen stehen im Raum und sie zu leugnen oder zu bagatellisieren, hieße, die Sorgen derer, die diese berechtigten Fragen stellen, nicht ernst zu nehmen.

Weil so viele essentielle Fragen und Anmerkungen unbefriedigend beantwortet wurden, deshalb war der Widerstand gegen diese Personalie – nach meinem Dafürhalten – auch so heftig.

Meine persönliche Meinung zu den Anfragen und Protesten: sie waren berechtigt, gut begründet und deshalb nötig!

Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen, in: TE DEUM, März 2024, S. 84

Und dann ist da die andere Seite.
Sie war geleitet von dem Gedanken, diesem Seelsorger ’noch einmal eine Chance zu geben‘.

Dies wurde mitunter damit begründet, dass ja weder ein strafrechtliches noch ein kirchenrechtliches Verfahren zu der Schlussfolgerung kam, dass hier strafbares Handeln vorläge.
Diese Seite zieht damit einen rein formaljuristischen Umstand als Begründung heran.
Dem entgegnete aber jemand, dass mit einem schärferen Strafrecht (wie es es in anderen Ländern gibt) diese Beurteilung auch ganz anders hätte aussehen können. Insofern sei dieses ‚Argument‘ nicht objektiv hinsichtlich dessen, wie solche Taten bewertet werden können.

Diese ‚andere Seite‘ schien häufig über den konkreten Sachverhalt nicht hinreichend informiert zu sein.
Auf die kritische Nachfrage, ob sie sich mit der IPP-Studie des Bistums Essen beschäftigt hätten, wo dieser Sachverhalt auch explizit benannt wird, bekam man oft die Antwort, dass sie diese Studien und insbesondere den betreffenden Abschnitt gar nicht gelesen hätten.

Jemandem eine Chance geben zu wollen, wurde übrigens auch von Menschen gefordert, die im nächsten Satz zugaben, dass sie ‚ihr Kind aber nicht als Messdiener:in in die Kirche schicken würden, wenn besagter Priester bei ihnen eine Messe feiern würde‘.

Und dann tauchte auch das ‚Argument‘ „Barmherzigkeit“ auf.

www.pixabay.com

Es sei schließlich christliche Überzeugung, Barmherzigkeit zu üben.
Und in solchen Situationen würde sich zeigen, inwieweit wir es mit der christlichen Barmherzigkeit ernst nehmen würden.

Es waren übrigens zum Teil dieselben Personen, die Barmherzigkeit einforderten, die mit denen, die gegen diese Personalentscheidung aus den oben ausgeführten Gründen protestierten, recht unbarmherzig umgingen.
Man warf ihnen „Hexenjagd“ vor oder dass sie andere Menschen aufwiegeln würden, sich diesem Protest anzuschließen.

Gerade an diesem Punkt musste ich für mich erkennen, dass es bei der eingeforderten Barmherzigkeit also nicht um eine christliche Grundhaltung ging, sondern diese vermeintliche Forderung nach Barmherzigkeit eher zu einem populistischen Kampfbegriff verkam.

Und das ist für mich die unchristlichste Form mit Barmherzigkeit umzugehen.
Barmherzigkeit im christlichen Sinne ist nicht einseitig; Barmherzigkeit dürfen alle Seiten für sich einfordern.

Es scheint so, als lohne es sich, anhand des oben genannten Sachverhalts das Gebot der Barmherzigkeit genauer zu beleuchten.
Dabei wird es sicherlich auch notwendig sein, andere Aspekte in den Blick zu nehmen, die zeigen werden, das Barmherzigkeit unter verschiedensten Blickwinkel betrachtet werden muss.

Da wäre die Barmherzigkeit gegenüber jenen Menschen die Fehler begangen haben.
Barmherzigkeit ist hier durchaus im umfassenden Sinne gemeint.
Welches Verhalten ist ihnen gegenüber wirklich barmherzig?
Kann es nicht auch ein Akt der Barmherzigkeit sein, Menschen, die Fehler begangen haben und neue Wege gehen wollen, nicht immer dem kritischen Blick auszuliefern, der da mit Argusaugen schaut, ob dieser Mensch nicht schon wieder denselben Fehler macht?
Was macht den Unterschied zwischen „Barmherzigkeit“ und ‚Schwamm drüber!‘?

Dann müssen wir auch die Barmherzigkeit in den Blick nehmen, die die Betroffenen im Hinblick auf ihre eigenen Erfahrungen von Grenzüberschreitungen und Missbrauch erwarten dürfen.
Ferner geht es um die vor- und fürsorgliche Barmherzigkeit potentieller Betroffenen und Opfern gegenüber. Es gibt also auch eine präventive Barmherzigkeit.

Und nicht zuletzt geht es auch um Barmherzigkeit denen gegenüber, die ihre Ängste, Sorgen, offenen Fragen beherzt in einem öffentlichen Protest zum Ausdruck gebracht haben.

Folgende Fragen bewegen mich in diesem Zusammenhang:

  • Was ist (mit) Empathie?
  • Welche Zuordnungen gibt es zwischen Empathie (für Täter und Opfer/Betroffene) und Barmherzigkeit (gegenüber Tätern und zugleich gegenüber – potentiellen – Opfern/Betroffenen)?
  • Welches Maß an Barmherzigkeit ist zumutbar?
  • Gibt es auch Grenzen von Barmherzigkeit?
  • In welcher Zuordnung stehen Barmherzigkeit, Vergebungsbereitschaft und Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe sowie der Schutz und die Anwaltschaft für Opfer, Betroffene und Schutzbedürftige?

Indem ich diese Zeilen schreibe, merke ich, dass diese Fragen nicht alle auf einmal beantwortet werden können.
Ein Blogbeitrag und ein Tag reichen nicht aus, um diesem Thema gerecht zu werden, weil es einfach zu komplex wird und sich ‚einfache‘ Antworten bei einem so sensiblen Thema geradezu verbieten?!

Ich werde mich also in einem späteren Beitrag mich mit diesen oben genannten Fragen beschäftigen und meine Gedanken dazu niederschreiben.


Über konstruktive Kommentare, die bereit sind, auch in der Tiefe eine Begründung zu liefern würde ich mich sehr freuen!
Destruktive Kommentare oder gar Beschimpfungen werde ich nicht freigeben!




Im 60. Lebensjahr angekommen …

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Heute ist es soweit. Ich bin in meinem 60. Lebensjahr angekommen und habe das 59. Lebensjahr vollendet; oder wie man landläufig sagt: ich bin neunundfünfzig geworden.

Es ist wohl auch die Zeit meines Lebens, in der ich mir mehr und mehr Gedanken darüber mache, was ich noch vom Leben erwarte?
Keine Sorge: ich habe noch voll Bock zu leben und ich liebe das Leben, auch wenn es manchmal nicht einfach ist und mich vor großen Herausforderungen stellt!
Und ich befinde mich auch nicht in einer midlife-crisis. Dafür bin ich dann doch schon zu alt! 😉
Aber wenn ich auch der Wahrheit Raum geben will, weiß ich, dass ich schon längst den Zenit meines Lebens überschritten habe – was meine Lebensjahre angeht.

Bei mir ist es jedenfalls so, dass ich mich frage: was ist mir (noch) in meinem Leben wichtig?
Wie fülle ich meine Lebenszeit und mit welchem unnötigen Ballast ist es angefüllt?



Vieles habe ich bisher in meinem Leben für wichtig und wesentlich erachtet – aber es verliert mehr und mehr an Bedeutung.
Und Manches, was mir von anderen als vermeintlich wichtig herangetragen wurde, ob subtil oder nicht, erkenne ich mehr und mehr als unwichtig.

Dabei spielen für die Beantwortung dieser Frage für mich auch einige Aspekte und Fragen eine wichtige Rolle:
– Womit habe ich meine kleine Welt ein Stück weit verbessern können? Und wo ist aber auch Lebensenergie in irgendeine Art von Nirwana verschwunden, ohne was Positives zu bewirken?
– Woran habe ich mich weiter entwickeln können und was hat mich persönlich weiter gebracht?
– Was hat mein Leben bisher heller und lebenswerter gemacht; und was hat mir unnötig einen Teil meiner Lebensenergie geraubt?

„Mensch, werde wesentlich!“ (Angelus Silesius)

Das Wort von Angelus Silesius begleitet mich seit vielen Jahren.
Und manchmal konfrontiert es mich, wenn ich als – ach so moderner und aufgeschlossener Mensch – mich auch in der heutigen Zeit zurechtfinden und behaupten will.

Dabei erkenne ich, dass ich oft umworben oder sogar verführt werde von Meinungen und Medien. Und überhaupt nicht subtil wird mir und uns eingebläut, dass ‚man‘ doch Dieses und Jenes unbedingt ausprobieren, nutzen oder benutzen sollte!

In unserem Streben nach Freiheit und Selbstverwirklichung sind wir – leider – auch Opfer einer durchtriebenen Werbe- und Vermarktungsstrategie.

Uns wird vorgemacht, das wir da und davon einen persönlichen Nutzen haben. Aber wenn wir genauer hinsehen, dann merken wir, dass nicht wir die Nutznießer sind, sondern jene, die uns etwas als vermeintlich Wichtiges und Wesentliches verkaufen wollen.

Und in diesem Punkt kommt die Wahrheit ans Licht: andere wollen uns etwas in unserem Leben verkaufen, in dem sie uns subtil oder weniger subtil suggerieren, dass wir was davon haben.

Aber in Wahrheit wird uns etwas verkauft und wir sind es, die den anderen etwas geben: unsere privaten Daten, unser Geld, unsere Zeit, aber auch unsere Nerven und unsere Emotionen.
… und es kommt quasi nichts wieder zu uns zurück!
Mehrwert: nein!
Nutzen: nein!
Sinnhaftigkeit: nein!

Leider ist es oft so, dass uns in den seltensten Fällen „von außen“ Sinn zu kommt.
Nicht: „Was macht mir Sinn?“ ist die Frage. Sondern: „Wodurch gebe ich meinem Leben einen Sinn?“

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir durch die zweite Frage unserer Freiheit mehr auf die Spur kommen, als durch von außen eingeflößter vermeintlicher Sinnhaftigkeit.

Die Frage, wodurch ich meinem Leben Sinn geben möchte, zieht auch zwangsläufig irgendwann einmal die Frage nach sich, wofür ich meine (noch verbleibende) Zeit investieren möchte?

Denn es kommt für uns alle der Augenblick, dass wir ‚keine Zeit mehr haben‘ werden. Was dann?

Besser: uns drängt sich diese Frage und die Antwort drauf auf, wenn wir (vermeintlich) noch Zeit haben, um diese dann auch zu nutzen!

Carpe diem

Bild von Nile auf Pixabay

„Pflücke den Tag!“ oder „Nutze die Zeit!“, so übersetzen wir dieses lateinische Wort.

Das erinnert mich an einem mehrmonatigen Kurs, den ich zur Mitte der 1990er Jahre absolvieren durfte.
In diesem Kurs auch eine Ordensfrau, die schon über siebzig Jahre alt war. In diesen drei Monaten kam immer wieder in ihr die drängende Frage auf, ob ihr Leben eigentlich für sie ‚richtig‘ verlaufen sei. Und sie spürte: eine Kursänderung ist nötig.
Kurz vor Ende unserer gemeinsamen Zeit sagte sie dann zu mir: „Gerd, und wenn ich nur noch einen Tag zu leben habe: diesen Tag werde ich anders leben als bisher!“

Mich hat dieser Satz schon damals umgehauen, weil diese Frau gespürt hat: es ist nie zu spät, seinem Leben eine andere Richtung zu geben, wenn man erkannt hat, dass es bisher in eine Richtung lief, die ich nicht mehr bejahen kann.

Was anders als unser christlicher Begriff der „Umkehr“ steckt hinter dieser Erfahrung der Ordensfrau?!
Ja, für Umkehr ist es nie zu spät. Es kommt nämlich nicht darauf an, wie lange diese neue Wegrichtung gegangen wird, sondern DAS sie gegangen wird!

Für diese Ordensfrau schloss diese Erkenntnis mit ein, sich auch von alten Wegen verabschieden zu müssen und vor allem zu können und zu dürfen!!
In ihrer Erkenntnis hat sie sich zugleich auch das Recht zugesprochen, den Weg der (Ver-)Änderung gehen zu dürfen! Nichts und niemand würde sie davon abhalten können!

Was für eine Befreiung!!

Befreiung von Ballast

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Dies ist sicherlich ein Punkt, der zwangsläufig mit solchen Korrekturphasen einher geht: die Erkenntnis, Altes zurück lassen zu müssen und sich von Ballast zu befreien, der mich daran hindert, dem eigenen Leben eine andere, eine neue Richtung zu geben.

Leichter gesagt, als getan!
Damit gehen auch Ängste einher.

Diese Ängste spüren sicherlich die Menschen besonders hart, die sich eher unfreiwillig von Liebgewordenem verabschieden müssen: Menschen, die einen geliebten Menschen verloren haben; Menschen, die Hab und Gut verloren haben durch Schicksalsschläge, Naturkatastrophen oder durch andere gewaltsame Ereignisse wie Krieg und Gewalt.

Bevor es mir also genommen wird: ist es da nicht besser, sich in aller persönlicher Freiheit davon zu trennen?! … wenn man kann, wenn man es schafft?

Ich ahne es.

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay

Also richte ich in letzter Zeit mehr und mehr meine Gedanken darauf, mich von dem zu trennen, was mich emotional und materiell daran hindert, neue Akzente in meinem Leben zu setzen und Korrekturen in meinem Leben vorzunehmen.

Die letzten Jahre, vor allem als ich Anfang 2020 an einer Depression erkrankt bin und auch die Corona-Pandemie haben mich heruntergeholt von hehren Gedanken. Ich bin dabei auch Irrtümern aufgesessen. Ein Irrtum ist dabei, dass ich mich z.B. in sozialen Medien an Diskussionen beteiligen könnte und damit (m)einen Beitrag zu einem Auseinandersetzungsprozess leisten könnte.

Doch dieser Erwartung ist die nüchterne und entlarvende Erkenntnis gewichen, dass die große Welt da draußen durch meine Postings und Kommentare weder besser wurde noch für mich etwas gebracht hat außer Ärger und Frust.

Das perfide an den sogenannten ’sozialen Medien‘ ist, dass sie eher asozial sind und Sozialität, Kommunikation und echte Begegnung verhindern.
Durch die Nutzung solcher Medien habe ich keine wirklich wichtigen Begegnungen gehabt, die ich nicht auch über andere Kanäle hätte finden können.

Diese vermeintlich ’sozialen Medien‘ bringen mir als Privatmenschen eigentlich keinen wirklichen Lebenszugewinn.
Sie sind eher für Menschen oder Organisationen von Interesse, die ihre Meinung und Botschaft unter die Menschen bringen wollen.

Ganz besonders habe ich das in den letzten Wochen bei dem ukrainischen Botschafter Melnyk erkennen müssen: Er postet Tag um Tag provokante Texte in seinem twitter-Account; Texte, die sicherlich auch hier und da ihre Berechtigung haben.
Nur: Er geht niemals mit denen, die seine Postings kommentieren, tatsächlich in einen Austausch, in einen Diskurs.
Dieses Medium wird von ihm bewusst als eine mediale Einbahnstraße verwendet; von Kommunikation keine Spur!
Er nutzt also seine ‚follower‘ nur aus für seine Sichtweise.

Was soll ich also da mit meinen Gedanken, wenn ich mich genau so gut auch an die berüchtigte „Parkuhr“ stellen könnte?! – Die interessiert meine Gedanken auch nicht – und seien sie noch so intelligent und ernsthaftig.

Deshalb bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich als einer der nächsten Schritte unter anderem auch von einigen Kanälen der vermeintlichen „sozialen Medien“ entfernen werde.
Dies mache ich aber auch noch aus einem anderen Grund, der mich zutiefst beunruhigt.

Es geht dabei um „mein digitales Erbe“.

Bei diesem Blog ist klar: wenn ich nicht mehr bin und das Geld für diese Website und Domain nicht mehr gezahlt wird, wird dieser Blog eingestellt und irgendwann ganz verschwinden.

Bei facebook, twitter und Co. erlebe ich es aber, dass dort immer noch Menschen, die ich persönlich kannte und die mittlerweile verstorben sind, mit einem eigenen Account ‚präsent‘ sind.
Hinterbliebene und andere haben daraus noch nicht einmal eine ‚Gedenkseite‘ gemacht! –

Das möchte ich nicht, dass das passiert! Ich möchte aber auch nicht, dass andere nach meinem irdischen Tod sich damit noch herumschlagen müssen.
Dies ist ein weiterer Grund, warum ich zuerst bei diesen Medien anfangen werde, meine Accounts zu löschen.

Es gilt für mich aber auch, noch andere Tummelplätze vermeintlicher Kommunikation kritisch zu hinterfragen, inwieweit sie mein Leben bereichern oder für mein Wirken dienstbar und hilfreich sind?

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Trotzdem noch erreichbar

Und ich vertrete auch nicht die irrige Ansicht, dass ich „für andere dann nicht mehr erreichbar“ sei, wenn ich mich aus manchen Medien oder Plattformen ‚verabschiede‘!
Das ist auch so ein Trugschluss!

Denn: die Menschen, die mir wichtig sind und denen ich wichtig bin, werden wissen oder herausfinden, wie wir (weiterhin) in persönlichem Kontakt bleiben können.
Für den persönlichen Kontakt brauchen wir noch viel weniger die ’sozialen Medien‘, weil persönlichem Kontakt immer auch persönliches Interesse vorangeht. Und das ist es, das dazu führen wird, dass solche Kontakte – wie auch immer – bestehen bleiben werden.

So, nun aber genug der Gedanken zum Lebensjahreswechsel.

Ich wünsche mir jetzt nur, dass das neue Lebensjahr ein von Gott gesegnetes Lebensjahr sei, wo ich Sinnvolles tun und sinnvoll leben kann; wo ich Menschen wirk-lich begegnen kann, Freundschaften pflegen und Liebe erfahren kann.
Ich wünsche mir, dass ich das Leben genießen und mich daran erfreuen kann.

Und so Gott will, darf ich in 365 Tagen auf diesen Tag zurück blicken und mich fragen, wie weit ich gekommen bin!

Es wird und bleibt spannend!




Paradigmenwechsel.heilsam

Heute lade ich Sie ein, sich erst einmal den Evangelientext des kommenden Sonntags (4. Fastensonntag – ‚Laetare‘) durch zu lesen.
Auch wenn Sie sehr schnell denken mögen: „Das Evangelium kenne ich doch schon.“ – versuchen Sie sich von diesem Gedanken frei zu machen und das Evangelium so zu lesen, als wäre es ganz neu für Sie!
Lukas 15, 11- 32:

Interessant für mich ist, dass dieser Bibeltext mit sehr unterschiedlichen Überschriften versehen wird.
„Der Vater und seine zwei Söhne“, „Der verlorene Sohn“, „Der barmherzige Vater“ …



Unter welchem Titel ist Ihnen dieser Text bekannt? – Und die viel spannendere Frage: Wenn Sie ganz frei wären, einen (eigenen) Titel zu vergeben; welchen würden Sie für dieses Gleichnis vergeben?
Lassen Sie sich etwas Zeit bei Ihrer Titel-Entscheidung …!

Welchen Titel würden Sie für dieses Bild vergeben?
Quelle: www.pixabay.com
  • [Sollten Sie ein belastendes Bild von ‚Vater‘ haben oder massive belastende Gefühle bei dieser kleinen Übung empfinden, brechen Sie diese Übung lieber ab. Wenn es Ihnen damit nicht gut geht, wenden Sie sich bitte an eine Person Ihres Vertrauens oder an eine/n geeignete/n Seelsorger:in!]
  • Versuchen Sie jetzt einmal, einen Augenblick darüber nachzudenken, warum Sie gerade ihren ‚eigenen‘ Titel vergeben haben, auch dann, wenn Sie auf einen bereits bekannten Titel zurück gegriffen haben.
  • Denken Sie dann auch mal darüber nach, warum Sie ausgerechnet ‚ihren‘ Titel gewählt haben?
  • Sie dürfen gerne auch mal darüber nachdenken, welches ‚Vater-Bild‘ Sie haben, das vielleicht sogar viel mit Ihrem eigenen Leben und Erleben zu tun hat.
  • Seien Sie sich dabei bewusst, dass ‚Ihr‘ Vaterbild – sei es positiv, negativ oder neutral – auch etwas mit Ihrer eigenen Lebenserfahrung zu tun hat. Es könnte aber auch Ausdruck einer Sehnsucht sein, wie Sie sich einen ‚Vater‘ wünschen…
  • Das ‚Vaterbild‘ aus dem heutigen Gleichnis wird oft auch auf das (eigene) Gottesbild übertragen. Gelingt Ihnen das, oder spüren Sie einen inneren Widerstand?
  • Welches Gottesbild ist für Sie hilfreich, um eine ‚gute Beziehung‘ zu Gott aufbauen zu können?

Unser Vaterbild ist oft geprägt von den eigenen Erfahrungen, wie wir unseren Vater oder andere Väter, ja sogar Großväter erlebt haben.
Das erklärt unter anderem auch, warum dieses Gleichnis mit so verschiedenen Titeln belegt wurde.
Die Titel sind ein Hinweis darauf, mit welcher eigenen Sicht wir auf dieses Gleichnis schauen.

Quelle: www.pixabay.com

Als Seelsorger geht es mir immer darum, das Frohmachende und das Befreiende, das Beglückende und Hilfreiche aus der biblischen Botschaft für das konkrete Leben der Menschen auf zu decken, damit diese Botschaft auch wirklich in unser konkretes Leben hineinwirken kann.

Daher ist es überhaupt nicht falsch, sondern gut und richtig, wenn Sie einen Titel finden, der zu Ihnen, Ihren eigenen Verfahrungen aber auch zu Ihren eigenen Sehnsüchten passt.

Die biblischen Texte sprechen auch immer wieder (noch nicht erfüllte) Sehnsüchte an, die nach Befreiung und Erlösung streben.

Sie können jetzt noch einmal überlegen, ob Sie bei Ihrem Titel für dieses Gleichnis bleiben wollen oder ob Sie vielleicht sogar noch einen anderen Titel für passend halten!

Auch in meinem Leben habe ich verschiedene Titel für dieses Gleichnis bevorzugt und habe jetzt einen Titel gefunden, mit dem ich seit vielen Jahren ‚gut leben kann‘.

Wenn Sie sich darüber mit mir austauschen wollen, schreiben Sie mir gerne.

Ihnen einen gesegneten ‚Laetare‘-Sonntag!

Ihr
Gerd Wittka




Über die Barmherzigkeit Gottes

Predigt zum 24. Sonntag – C – 2019

Bild von Jeong Eun Lee auf Pixabay

zu Lukas 15, 1- 32

Vor fast genau vor drei Jahren stand ein Artikel auf der Homepage von www.katholisch.de, der mit diesen Worten begann:
„Barmherzigkeit schafft nach Aussage von Papst Franziskus die Sünde nicht ab. Einen Sünder zu verurteilen, sei nicht deshalb verkehrt, weil es keine Sünde gebe, sondern weil dies das brüderliche Band zerstöre und die Barmherzigkeit Gottes verachte, (…). Gott wolle auf keines seiner Kinder verzichten. (…)
Innerkirchliche Kritiker des Papstes beanstanden immer wieder, dass er mit seiner Auffassung von Barmherzigkeit die Sünde abschaffe. Franziskus bezog sich bei seinen Äußerungen auf den Evangelien-Vers „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“.

Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/10588-papst-barmherzigkeit-schafft-die-suende-nicht-ab



Die Fülle biblischer Gottesbilder

So oder anders gibt es immer wieder kritische Stimmen, auch aus dem innersten Kreis unserer Kirche selbst, die meinen, die Barmherzigkeit Gottes würde in unserer Zeit überbetont.

Nach biblischem Zeugnis sei Gott noch viel mehr als nur barmherzig. Er sei auch streng, zornig, rachsüchtig, eifersüchtig und würde in der Bibel auch als strafender Richter in Erscheinung treten, der bisweilen sogar nicht davor zurückschrecke, Unheil über die Menschen zu bringen (→ Sintflut, …).

Ja, dieser Einwand ist berechtigt und richtig.
Die Bibel schildert uns die vielfältigsten Seiten Gottes, die manchmal sogar widersprüchlich anmuten.

Die Frage ist also, wie wir damit umgehen können?

Ich glaube, es ist hilfreich und gut, wenn uns ein bestimmtes Gottesbild einen besonders guten Zugang zum personalen Gott unseres Glaubens ermöglicht.
Und Jesus selbst hat uns die verschiedenen Facetten des göttlichen Vaters vor Augen gestellt.

Und es ist nicht verwerflich, die persönliche Beziehung zu Gott mithilfe eines bestimmten – wenn auch nicht vollständigen – Gottesbildes zu erleichtern.

Von hilfreichen und ‚gefährlichen‘ Gottesbildern

Für Jesus war es das Verständnis vom ‚Vater‘.
Auch das ist ja nicht immer hilfreich; ich denke z.B. an jene Menschen, die in ihrem konkreten Leben einen schlechten Vater erfahren haben. Ich denke da z.B. an Kinder, die von ihrem Vater Gewalt erfahren oder durch ihn misshandelt wurden.
Ihnen wird es besonders schwer fallen, über das Bild des Vaters eine gute persönliche Gottesbeziehung aufbauen zu können.

Welcher Zugang ist ‚heilsam‘?

Heute bietet uns Jesus – und das sehr detailliert – das Bild des barmherzigen Vaters an.
Und das hat seinen guten Grund.
Ich bin davon überzeugt: Jesus hätte dieses Bild nicht in einem solchen ausführlichen Gleichnis entwickelt, wenn er nicht gespürt hätte, dass die Menschen seiner Zeit dieses Bildes besonders bedurften.

Und wir heute?
Auch heute leben wir in einer Zeit, wo der „barmherzige Vater“ für uns ein heilsamer und segensreicher Zugang zu Gott sein kann.
Diesen Zugang sollten wir nutzen.

Gott ist nichts gleich-gültig

In diesem Zusammenhang ist wichtig, zu betonen, dass das Bild vom „barmherzigen Vater“ ja nicht dem Verständnis unterliegt: wir können machen und tun, was wir wollen, Gott nimmt es nicht so genau und wird uns schon alles durchgehen lassen.

Eine solche Sichtweise ist nämlich mit dem heutigen Gleichnis auch nicht zu begründen.

Schauen wir deshalb noch mal genauer hin.
Wann erfährt der eine Sohn, der ‚ausgewandert‘ ist und sein Erbe verschleudert hat, die barmherzige Liebe seines Vaters?

Doch
• erst, nachdem er – als er mitten im persönlichen Schlamassel steckte – erkennt, was er da getan hat;
• erst, nachdem er in sich gegangen ist und sein Verhalten selbstkritisch reflektiert hat;
• erst, nachdem er erkannt hat: ich muss den Weg der Umkehr – zurück – zu meinem Vater gehen.

Vor aller barmherzigen Liebe steht also mindestens auch ein genau so wichtiger und entscheidender Beitrag des vermeintlich ‚verlorenen Sohnes‘.

Er ist den Weg der inneren kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst gegangen und die Erkenntnis, die er daraus gewonnen hat, zeigt ihm, dass ihn jetzt nur noch die Liebe des Vaters retten kann.

Auf die Liebe des Vaters vertrauend, verliert der Sohn nicht sein Gesicht, sondern erhält so das frühere Ansehen von seinem Vater in vollem Maße zurück.

Wenn das kein Grund ist, das Bild vom ‚barmherzigen Vater‘ als persönlichen Zugang zu meiner Gottesbeziehung zu nutzen?!