Wir alle werden aufgefordert, zu sparen, nachhaltiger zu leben, gegenseitig mehr Rücksicht auf einander zu nehmen, sich weniger Stress auszusetzen…
Das sind alles gute Gedanken, unser Leben und unseren Alltag liebenswerter, sicherer und ökologisch nachhaltiger zu machen.
Nur: bei einem Thema gelten all diese sinnvollen Überlegungen nicht. Völlig von Logik und Rationalität losgelöst klammern wir diese Aspekte gesellschaftlich aus.
Mehr noch: Eine bestimmte Lobby, die der FDP, der Union von CDU und CSU und einer Wirtschaftsbranche zuarbeitet, versucht mit allen diese ‚goldene Kalb‘ weiter existieren zu lassen.
Ich meine das Tempolimit auf deutschen Autobahnen!
Um dem aber etwas Argumentatives entgegen zu setzen, teile ich gerne dieses Video von Instagram:
Neun Monate vor Weihnachten (dem symbolischen Geburtsfest Jesu Christi) begehen wir das Fest „Verkündigung des Herrn“
Die Szene wird den meisten von uns bekannt sein: der Erzengel Gabriel tritt zu Maria hinzu und verkündigt ihr, dass sie vom Heiligen Geist erfüllt das ‚ewige Wort vom Vater‘, SEINEN Sohn Jesus Christus empfangen habe.
Quelle: www.pixabay.com
Traditionelle Bilder dieses ‚Geschehens‘ sind sehr plastisch, wie auch die biblische ‚Schilderung‘. Schließlich geht es ja um die Geburt eines Menschen und wir ‚wissen‘, dass in der Regel zwischen Geburt und Empfängnis neun Monate liegen. Aber so plastisch diese biblische Erzählung ist, so realistisch ist sie auch. Maria ist nicht voller geistlicher Entzückung, sondern eine sehr bodenständige junge Frau, die um die biologischen Vorgänge durchaus weiß: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“
Und auch heute gibt es Menschen, die dieses Ereignis zu sehr biologistisch sehen wollen. Aber lassen diese auch die kritische Frage Mariens zu?!
Verbunden: Glaube und Verstand
Maria ist taff – sie lässt sich trotz ihres Glaubens diese Begegnung mit dem Erzengel nicht gedankenlos über sich ergehen. In dem Wunderbaren verliert sie nicht ihren Verstand, sondern nutzt ihn. Glaube ist auch eine Sache des Verstandes.
Und der Engel antwortet. Aber er begründet dieses Empfängnis nicht biologisch, sondern ‚entführt‘ Maria mit seiner Argumentation quasi in überirdische Sphären, wenn er antwortet: „Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (vgl.
Der Engel versucht erst gar keine biologische Antwort. Er macht sofort deutlich, dass es hier um ein Geschehen aus dem Blickwinkel des Glaubens geht.
Ja, Glaube muss verständlich sein, aber lässt sich mit unseren irdischen Erfahrungen und Sinnen nicht immer begreifen.
Ich denke, darin liegt die spirituelle Spannung dieses Festes.
Es ist müßig, ja geradezu töricht, dieses ‚Ereignis‘ biologisch begreifen zu wollen.
Gabriel und Maria laden uns ein, dieses Geschehen mit dem Augen des Glaubens zu ‚verstehen‘.
Dann verliert dieses Erzählung alle realistische und plastische Klarheit und zeigt das Wahre dieses Festes vielleicht so, wie es ein Glaskünstler mit diesem Kirchenfenster versucht hat, in den Blick zu nehmen:
Hier ist konturen- und schemenhaft mit plastischen Mitteln dargestellt, was mit den Augen des Glaubens sehr konkret wird:
Ein Mensch (hier Maria) ist offen für die Ansprache Gottes in ihrem Leben. In dieser Offenheit für Gott blendet sie aber ihren Verstand nicht aus, sondern nutzt ihn, um zu ergründen und selber zu erkennen. Und sie erkennt und wird erkannt (‚erkannt werden‘ ist die biblische Umschreibung für den biologischen Geschlechtsakt), aber sie wird erkannt nicht mit der Potenz eines Mannes sondern ‚im Heiligen Geist durch die Kraft des Höchsten‘.
Als aufgeklärter und vernunftnutzender Theologe und Christ wird mir mit zunehmendem Alter klarer: Unser Glaube darf und kann sich nicht biologisch und durch Überlieferungen erklären, die wir allein historisch sehen und verstehen wollen.
Um wirklich Glaube sein zu können, muss unserer irdischer Verstand die Bereitschaft haben, die ‚Augen des Glaubens‘ zu nutzen, die uns dann jenen Durchblick verschaffen können, wo unsere leiblichen Augen vielleicht klar sehen, aber letztendlich allenfalls schemenhaft erkennen können.
Nicht die Empfängnis ist das wunderbare, das ich an diesem Tag in den Blick nehme, sondern dass Maria das, was mit ihr geschehen ist, mit den Sinnen des Glaubens erkennen und deshalb dazu ihr „Ad sum“ sagen konnte.
So wurde das biologisch scheinbar Unmögliche in ihr buchstäblich Wirklichkeit.
Verkündigung
Klar und schemenhaft glaubhaft und unglaublich himmlisch und irdisch zweifelhaft glaub-würdig
Einen Teil dieser Lesung möchte ich vornean stellen:
“ In jenen Tagen erschien der HERR dem Sálomo nachts in einem Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll! Und Sálomo sprach: (…) Verleih (.) deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht! (…) Es gefiel dem Herrn, dass Sálomo diese Bitte aussprach. Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erhören. Siehe, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.“
Dieser Text ist ein Schlüsseltext, der uns erklärt, warum die ‚Weisheit Sálomos‚ so legendär ist!
Sálomo hätte auch – wie viele andere Herrscher vor und nach ihm – um langes Leben, Reichtum oder den Tod seiner Feinde bitten können. Aber das hat er gerade nicht getan.
Warum?
Weil er vielleicht gemerkt hat, dass das für sein Amt als König unbedeutend ist?
Ein langes Leben – das ist schnell bedroht und beendet. Ich denke da gerade an einen tragischen Autounfall, bei dem ein Oberhausener vor wenigen Tagen auf seiner Reise in den Urlaub ums Leben kam. Heute noch stehen wir in Saft und Kraft … und morgen sind wir bereits tot. Ein langes Leben ist relativ.
Reichtum – der ist nicht für die Ewigkeit. ‚Das letzte Hemd hat keine Taschen!‘ – so sagt der Volksmund. Damit greift dieses Wort die Binsenweisheit auf, dass wir an materiellen Gütern nichts mitnehmen können. Irgendwann einmal wird auch der größte Reichtum ein NICHTS sein. Durch Krisen, Schicksalsschläge oder spätestens durch den eigenen Tod verlieren wir jeden materiellen Reichtum.
Seinen Feinden den Tod wünschen Unabhängig davon, ob diese Bitte aus christlicher Sicht moralisch gut ist (was ich bezweifele), ist dieser Wunsch auch oberflächlich. Wenn ich ‚meinem Feind‘ den Tod wünsche, weil er sich vielleicht gegen mich oder andere, die in meiner Obhut stehen, vergangen hat oder wenn er für Gewalt und Leid verantwortlich ist, was würde dann nach dessen Tod kommen? Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass dann ein anderer Mensch kommt, der ähnlich gewalttätig und niederträchtig ist. Durch den Tod eines Feindes ist das Grundübel nicht beseitigt, den die Erfahrung lehrt, dass immer ein neues Grundübel nachkommen kann und auch sehr wahrscheinlich wird. Mit dem ‚Tod meines Feindes‘ wird die Welt also nicht automatisch besser.
Das Bessere erwählen
Ein ‚hörendes Herz‘, dass Sálomo befähigt, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, das ist die einzige Bitte Sálomos.
Welche Bedeutung hat das ‚Herz‘ im Alten Testament (AT)?
Dazu möchte ich aus einem Aufsatz zitieren:
“ …Salomo bittet als König um ein „hörendes Herz“ und damit ist Verstand und Einsicht in die Ordnung der Schöpfung ebenso gemeint wie die Fähigkeit zur Pflege kultureller Leistungen. Salomo gilt deswegen als biblischer Inbegriff der Weisheit, weil er durch sein hörendes Herz das Volk einen und verbinden konnte, nämlich v.a. durch gerechte Gerichtsurteile (vgl. das salomonische Urteil 1 Kön 3,16ff.) (…) Es ist deutlich geworden, dass im alten Israel das Herz nicht primär Sitz der Gefühle oder der Liebe ist. „In der Bibel ist das Herz vor allem der Sitz der Vernunft und des Verstandes, des geheimen Planens und Überlegens und der Entschlüsse.“ Die meisten Belege des hebräischen Wortes für Herz stehen im Zusammenhang von intellektuellen und rationalen Tätigkeiten….“ Quelle: Br. Karl M. Schnepps ofm, Das Herz im Alten Testament
Wenn wir diese Bedeutung des Herzens im Alten Testament zugrunde legen, dann erkennen wir, dass Sálomo (obwohl sehr jung an Jahren) intuitiv ‚verstanden‘ hat, worauf eine gute Regentschaft wirklich gründen sollte: auf Vernunft und Verstand, auf intellekturelle und rationale Tätigkeiten.
Wenn ich mir über diese Textstelle Gedanken mache, dann merke ich, dass sie auch heute große Bedeutung hat.
Ob in Staat und Gesellschaft, ob in Religionen und Kirche: Weisheit und Vernunft sind wesentlich, damit wir in der heutigen Welt gut leben können.
Dabei müssen wir wahrscheinlich uns immer wieder neu orientieren und fragen, woran wir uns in unserem Leben fest machen wollen: an den vergänglichen Gütern, an oberflächlichen Wünschen oder an buchstäblich fundamentalen Eigenschaften, die die Grundlage für (soziale) Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Wohlstand bilden?
Wir dürfen uns als ChristInnen auch fragen, was diese Textstelle heute für uns als ChristInnen bedeutet? Was macht das Wesen des Christentums aus? Worauf kommt es an, wenn ich als ChristIn leben will? Was ist meine Berufung als ChristIn in der Welt?
Ich denke, von der Beantwortung dieser Fragen wird viel auch für eine Kirche der Zukunft abhängen. Nicht ‚tote Steine‘ werden wesentlich sein, sondern ‚lebendige Steine‘!
„Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen, zu einer Priesterschaft, die Gott geweiht ist und die ihm, vermittelt durch Jesus Christus, Opfer darbringt, Opfer geistiger Art, an denen er Gefallen hat, nämlich den Opferdienst des ganzen Lebens…“ vgl. 1 Petrus 2,5
Nicht Kirchen und Gemeindezentren werden also wichtig sein, sondern unser gelebtes Christentum für die Welt.
Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir uns auch gerade bei der Frage der strukturellen Veränderungen in der Kirche auf diese Aspekte christlicher Exitenz besinnen müssen.
Ist es nicht jetzt an der Zeit, dass auch wir Gott stärker den je um ein „hörendes Herz“ bitten?
Sie ahnen es! Ich meine: ja!
Herr, die Weisheit, die unsere Welt zum Guten verändern kann, ist nicht oberflächlich, sie neigt sich nicht dem Materiellen zu und sucht nach unvergänglichen Gütern und Gaben. Schenke uns – wie Sálomo – ein hörendes Herz, damit wir das Gute vom Bösen zu unterscheiden lernen. Motiviere uns, als ChristInnen Sauerteig in der Welt und für die Welt zu sein, und schenke uns Mitgefühl für die Menschen in unserer Zeit und die Fähigkeiten, die in dieser Welt heute so not-wendig sind. (c) Gerd Wittka, 21.07.2020