Love is no sin

(Glaubens-)Bekenntnis eines einfachen Priesters

© Gerd Wittka, 2021

In einem Dekret vom 22. Februar 2021 formuliert die Glaubenskongregation des Vatikans zur Frage der Segnung auch homosexueller Partnerschaften:

„…Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (…) einschließen…“ (…)

Gleichzeitig erinnert die Kirche daran, dass Gott selbst nicht aufhört, jedes seiner Kinder zu segnen, die in dieser Welt pilgern, denn für ihn „sind wir […] wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können“[12]. Aber er segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen: …“

und ziemlich gegen Schluß:
„…Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen, noch kann sie über diese Vollmacht verfügen….“
Vgl.: https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2021/03/15/0157/00330.html

Erwartungsgemäß hat das in den Medien und auch in den sozialen Netzwerken zu einem Sturm der Entrüstung geführt.



Aus meiner mehr als 25-jährigen seelsorglichen Praxis und Erfahrung als Diakon und Priester möchte ich dazu einige Gedanken formulieren, die auch ein Bekenntnis eines Teils meines in der Zeit gewachsenen Glaubens an den Gott und Vater Jesu Christi geworden sind.

„Kann denn Liebe Sünde sein?!“

„Gott ist die Liebe!“ – diesen Satz kennen wir und ich bin fest davon überzeugt, dass er richtig ist.
Daher glaube ich auch daran, dass in allen Lebensbezügen, wo Menschen einander lieben, wo man sich in respektvoller und achtungsvoller Liebe begegnet oder hingibt, die Liebe Gottes in unserer Welt gegenwärtig und sichtbar wird.

Beispiele dieser sichtbaren Liebe Gottes sind für mich:

  • die Liebe, die Eltern ihren Kindern schenken, oft gezeichnet von Sorge, Fürsorge und Selbstlosigkeit
  • die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich in inniger Freundschaft zugetan sind. Manchmal sprechen wir auch von ‚Seelenverwandtschaft‘ bei solchen Freundschaften
  • die Liebe, die Menschen in ihrem Dienst für andere zeigen, sei es in Sozial- und Pflegeberufen, im ehrenamtlichen Engagement in Gesellschaft und Gemeinschaften
  • die Liebe und Fürsorge für den Schutz und die Bewahrung der Schöpfung Gottes, die uns als Menschen anvertraut wurde
  • und ‚last but not least‘ in der liebenden Beziehung zwischen zwei Menschen, die ein Stück gemeinsamen Lebensweges leben und verbringen wollen in gegenseitiger Achtung und Fürsorge; in welcher auch beide Glück, Freude, Zufriedenheit und Unterstützung erfahren. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Beziehungen staatlich, gesellschaftlich oder auch von Seiten der Kirche(n) anerkannt und gefördert werden. Das Geschenk der Liebe braucht erst einmal nicht diese Anerkennung, weil sie sich selbst Anerkennung genug ist. Daher braucht diese Liebe auch keine Erlaubnis, keine Genehmigung.

Das Geschenk der Liebe ist letztlich also ein Akt der völligen menschlichen Freiheit. Sie ist selbst da noch frei, wo der Mensch in äußere oder innere Unfreiheit gedrängt wird. Liebe kennt also keine Grenzen und überwindet alle Grenzen.

Dieser Überzeugung liegt zugrunde, dass die Liebe Gottes selber grenzen-los ist!

Love is no sin!

Wenn also Gott die Liebe ist und seine Liebe grenzenlos ist, dann ist Liebe niemals Sünde.

Der Mensch – und das weiß ich selber am Besten – sündigt immer wieder.
Aber da, wo er liebt kann er schlechterdings nicht zugleich sündigen.

Dieser Überzeugung ist auch der heilige Augustinus, wenn er den Satz tun konnte: „Liebe! Und tue, was du willst!“ – Dieser Satz wäre nicht wahr, würde Augustinus meinen, dass Liebe sündig sein könnte.

Auf die Frage: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ kann ich heute ganz klar antworten: NEIN!

Gott segnet, was ein Segen ist

In dem oben zitierten Dekret heißt es: „…Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen…“

Hier wird meines Erachtens ein falsches Verständnis von „Segen“ genutzt.

Der Blick in die liturgischen Bücher unserer Kirche (Messbuch, Benedictionale, …) zeigt, dass innerhalb gottesdienstlichen Tuns, wo es um den „Segen“ geht, es sich hierbei genau genommen um eine

Segensbitte

handelt!

Die Teilnehmer:innen von Gottesdiensten wissen um die Formulierung am Ende eines Gottesdienstes, wie z.B. „So segne euch der dreifaltige Gott, der Vater und der Sohn (+) und der Heilige Geist.“

Der vermeintliche Segen in der Kirche ist also immer eine Segensbitte!

Und in diesem wohlverstandenen Sinne stimme ich dem Dekret zu, wenn es sagt: …Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, (…) zu segnen…“, denn die Kirche oder kirchliche Amtsträger:innen segnen nie, sondern allein Gott!

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Gott segnet, was ein Segen ist

Die Frage lautet deshalb eher für mich: Wen oder was segnet Gott?

Und meine Überzeugung ist: Gott segnet, was ein Segen ist!

Im segensvollen Handeln und Tun der Menschen, sei es allein, in der Zweisamkeit oder in einer größeren Gruppe erkenne ich das, was mit dem Segen Gottes bedacht ist.

Um zu erkennen, was von Gott gesegnet ist, bedarf es deshalb keiner kultischen Handlung der Kirche in Form von „Segensfeiern“, denn solche Segensfeiern fügen keinen Segen hinzu, der nicht schon längst da ist.

Segensfeiern sind Bekenntnis und Annahme des göttlichen Segens

Aber dennoch sind öffentliche und gemeinschaftliche Segensfeiern nötig.
Denn in dem Glauben, dass wir auf den Segen Gottes angewiesen sind und Gott SEINEN Segen gibt, sind wir in der Glaubensgemeinschaft verbunden.

Diese Verbundenheit zeichnet sich auch darin aus, dass wir füreinander den SEGEN GOTTES erbitten, besonders dort, wo Menschen für sich selbst und konkret bejahen, dass sie auf diesen Segen Gottes angewiesen sind, damit ihr Leben segens-reich sein kann.

Segens-bitt-feiern zu versagen heißt, die Nächstenliebe vorzuenthalten

Segens-bitt-feiern durchzuführen, ist also dann ein Akt geschwisterlicher Verbundenheit und Fürsorge, die jene, die um diesen Segen bitten, in ihrem Glauben darin bekräftigen wollen.

Wer also solche Segensfeiern verweigert, versagt den Segensbedürftigen die gläubige Solidarität, dass wir alle und in jeder Lage auf den Segen Gottes angewiesen sind.

Segens-bitte-feiern also denen zu versagen, die ihre Beziehung auf das Fundament gemeinsamer Liebe gründen wollen, ist für mich somit ein Versagen gegen die gebotene und nötige Nächstenliebe.

Gerd Wittka, 16.03.2021




ER.MACHT.MUT

Quelle: www.pixabay.com

Tages-Evangelium vom 30.01.2021

Mk 4, 35-40

35 Am Abend dieses Tages sagte er zu ihnen: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren.
36 Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn.
37 Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann.
38 Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?
39 Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.
40 Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?

Quelle: https://www.bibleserver.com/EU/Markus4%2C35-40

Zurechtweisung oder Ermutigung? …



Was hörst du zuerst heraus?

Je nachdem, wie wir persönlich gestrickt sind, werden wir dieses Tagesevangelium ‚anders‘ hören.

Manche berichten davon, dass sie in erster Linie die Zurechtweisung heraushören, die Jesus gegenüber seinen Jüngern vornimmt. Andere wiederum hören mehr die Ermutigung heraus?

Zu welchem Schlag gehörst du?
Was wir am stärksten heraushören, kann auch viel über uns selber aussagen.
Sehe ich mich eher als Menschen, der sich eher abhängig davon macht, was andere über mich denken? Oder gehöre ich eher zu den Menschen, die sich weniger darum scheren, was andere über mich denken?

Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass wir – je nachdem zu welchem Menschenschlag wir gehören – dieses oder jenes deutlicher heraushören können.
Das will ich hier nicht weiter vertiefen, aber es lohnt sich, auch einmal darüber nach zu denken. Und vielleicht wird es auch eine spannende Ent-deckungs-reise, wenn wir uns fragen, worin der Grund liegen kann, dass wir das Evangelium eher so oder so lesen und hören?

„Jede Leistung beginnt mit der Entscheidung, es zu versuchen.“ Quelle: www.pixabay.com

[ Exkurs: Ich gestehe, dass ich wohl eher zu den Menschen gehöre, die als erstes die Zurechtweisung heraus hören. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich mich immer wieder zu sehr darum kümmere, was andere von mir denken. Das mag darin liegen, dass ich wohl eher darauf bedacht bin, dass andere nicht über mich urteilen und ich mich darum sorge, dass sie mir nicht gerecht werden.
Dabei versuche ich zu lernen, mich immer weniger davon abhängig zu machen. Denn: wie kann ich mir wünschen, von anderen ‚verstanden‘ zu werden, wenn es in meinem Leben nur eine Person, maximal zwei Personen gibt, die MICH KENNEN?

Meine erste geistliche Begleiterin hat mich mal auf die Spur gesetzt, mir bewusst zu werden, dass nur Gott allein mich kennt und um meine Wahrheit weiß. Und: dass, je mehr ich mich meiner Wahrheit öffnen kann, ich auch mehr und mehr zur Selbst-Erkenntnis komme. Was also, fragte sie mich, scherst du dich immer wieder darum, von anderen verstanden zu werden? Was scherst du dich darum, von anderen im richtigen Licht gesehen zu werden? – Und ja, sie hat ja so Recht! GOTT allein kennt mich so, wie ich bin. Und ER liebt mich so wie ich bin.
Deshalb nutzt es nicht viel, sich von der Sichtweise anderer auf mich oder gar von ihr Urteil über mich abhängig zu machen! Das raubt nur die Energie, die ich sinnvoller woanders einsetzen kann!
Lebe im Einklang mit Gott! – Das ist der Impuls, den ich für mich persönlich daraus ziehe.]

Kommen wir aber zurück auf das Evangelium.

Ich sagte es bereits: je nachdem, wie wir gestrickt sind, werden wir als erstes Zurechtweisung oder Ermutigung in diesem Text sehen.
Wenn wir unseren Blick aber darauf trainieren wollen, das Evangelium als „frohe Botschaft“ zu lesen, dann wäre es doch logisch, auch diesen Text eher als Ermutigungstext zu verstehen, oder?

Vertrauen in Jesus – Vertrauen in Gott

Ohne Vertrauen – unmöglich! Quelle: Bild von Ulf Berner auf Pixabay

Also lasst uns diesen Aspekt in den Blick nehmen.
Jesus bekümmern die Naturgewalten nicht. Er lebt in einem Gottvertrauen, dass seine Jünger offenbar in dieser Weise noch nicht besitzen.
Wir sollten nicht glauben, sie hätten überhaupt kein Gottvertrauen! Denn: hätten sie keines, wie konnten sie sich dann so radikal in die Nachfolge Jesu Christi begeben.
Wer Christus nachfolgt, der hat auch Gottvertrauen mit im Gepäck.

Wie bei vielen anderen Dingen gibt es aber auch vom Gottvertrauen manchmal etwas weniger oder manchmal ganz viel.

Ich meine, Jesus hatte ganz viel Gottvertrauen, seine Jünger*innen aber wohl eher weniger. Deshalb werden sie auch nervös, als Wind und Wellen am Boot rüttelten.
Zumindest zeigt sich aber auch in dieser Situation ihr „Gott“-Vertrauen, in dem sie sich an Jesus wenden, ihn aus seinem Schlaf reißen und von IHM Hilfe erwarten.
Ihr Gott-Vertrauen geht den Weg über das Vertrauen in ihren Meister (Rabbi). Sie spüren intuitiv, dass er in einer direkten Verbindung zu Gott steht.

Jesus erkennt das und enttäuscht die Seinen nicht; er gebietet dem Sturm und der Sturm gehorcht ihm.

Ja, das ist die Stelle, die die Macht Jesu offenbart als den einzigen Sohn des Vaters.

Ermutigung zuerst …

Ich möchte diesen Text immer mehr und zuerst als Ermutigung an mich lesen und verstehen.

Jesus zeigt uns, dass er aus einem unmittelbaren Gottvertrauen lebt. Und er hilft auch mir auf die Sprünge. ER enttäuscht mich nicht in meiner Hoffnung IHM gegenüber, aber er ermutigt mich, zu einem gleichen direkten Gottvertrauen, wie er es hat.

Jesus ist in diesem Evangelium für mich nicht nur der Retter, sondern auch der Ermutiger.
Auch ich kann ruhiger schlafen, wenn die Stürme des Lebens über mich hereinbrechen. Auch ich kann gelassener durchs Leben gehen, wenn ich lerne, mehr und mehr Gott in meinem Leben zu vertrauen, IHM mehr zu zu muten, als bisher.

Und natürlich – das weiß ich aus meiner über fünfzigjährigen Lebensgeschichte – wird es immer wieder Situationen und Gelegenheiten geben, wo mein Gottvertrauen Risse bekommt, wo Zweifel subtil ihren Einfluß auf mich ausüben.
Aber wenn diese Zweifel und Mutlosigkeiten mich dazu bringen, den Herrn um Hilfe zu bitten, dann zeigt sich – erstaunlicherweise – darin auch etwas von meinem Gottvertrauen.

Denn: hätte ich überhaupt kein Gottvertrauen, dann würde ich von ihm auch keine Rettung und kein Heil erwarten.

Wie denkst du darüber?




Klarheit

Evangelium: Mt 5,17-37

Quelle: www.pixabay.com

Das Evangelium vom 6. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A ist eine echte Herausforderung, besonders für eine Person, die darüber zu predigen hat.
Es ist die Klarheit und Eindeutigkeit und zugleich der hohe Anspruch, der in diesem Ausschnitt aus der Bergpredigt zu Tage tritt.
Dieser Text ist einer der neutestamentlichen Texte, die deutlich macht, dass christliche Ethik nicht die Ethik des Alten Testamentes aufhebt, sondern sie sogar nocht perfektioniert. Die Folge ist, dass christliche Ethik zum Beispiel nicht bei der Beachtung des Dekalogs (10 Gebote) stehen bleiben kann.
Christsein ist kein Zuckerschlecken …



„Schwört überhaupt nicht (…), eure Rede sei: Ja ja, nein nein;…“

Seit meinem Studium Ende der 1980er Jahre, als ich im kirchenrechtlichen Hauptseminar über die Praxis des Eides in der Kirche gearbeitet habe, sitzt dieses Wort in meinem Geist, wie ein Stachel im Fleisch. Denn allein die kirchliche Praxis mit z.B. ihrem Treueeid steht dem (scheinbar?) gegenüber. Aber das ist für meine seelsorgliche Arbeit heute eher nicht relevant.

Viel wichtiger erscheint mir die Haltung: „Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.“ in Alltag relevanter zu sein.

Dies ist nämlich eine Position der Klarheit und Eindeutigkeit, die Jesu von uns erwartet.
Aber der Alltag sieht oft anders aus: da wird herumgeredet, da bleibt man im ‚Ungefähren‘, da will man sich nicht festlegen und verschiebt Entscheidungen.

Solche Haltungen und Umgangsweisen sind auf Dauer destruktiv, weil sie Vertrauen zerstören und Unsicherheiten schüren.

In einer meiner früheren Gemeinden durfte ich einen Kollegen kennenlernen, der „kein Blatt vor dem Mund nahm“, wie man so sagt. Er war frei heraus und so eindeutig, dass es manchmal für die Menschen um ihn herum schmerzhaft war. Er war auch keineswegs immer ‚gefällig‘ und versuchte sich nicht anzubiedern.
So kam es, dass ich aus der Gemeinde auch hier und da Rückmeldungen bekam, die mit dieser Art nicht zurecht kamen.
Aber – wie Sie sich sicher denken können – war das nicht sein Problem, sondern ihr eigenes. Denn ihnen schien Indifferentismus lieber zu sein, als Klarheit.

Ich pflegte dann oft darauf zu entgegen, dass der Umgang mit meinem Kollegen nicht immer einfach sei. Aber was ich an ihm schätze ist seine Klarheit, die ohne Falschheit daher kommt. Bei ihm wisse ich immer, wo ich dran bin ….

Und es wundert nicht, dass ich genau das nämlich bei anderen Menschen nicht immer unbedingt weiß.

Glaubwürdigkeit und Klarheit

Zur Glaubwürdigkeit gehört für mich auch diese Klarheit. Mein o.g. Kollege hat mir in seiner Art imponiert. Ich selber spüre, dass mir diese Klarheit auch lieber ist, als das ganze Drumherumgerede.

Ich spüre aber auch, dass diese Klarheit, insbesondere wenn sie auf andere Auffassungen trifft, nicht gerade geschätzt wird.

Wer klar und eindeutig ist, der unterliegt auch einer größeren Gefahr, angefeindet zu werden.

Durch meine vielfältigen Lebens- und Berufserfahrungen habe ich für mich einen Wertekanon entdeckt, der sich – je älter ich werde – immer deutlicher und eindeutiger wird.

Diese Eindeutigkeit wird aber zugleich immer grundsätzlicher; sie verzettelt sich nicht im Klein-klein. Sie ist vielmehr geprägt vom dreifachen Liebesgebot ableitet, das sich im gegenseitigen Respekt, in Barmherzigkeit und Wohlwollen anderen gegenüber und der Anerkennung der menschlichen Freiheit als Gottes Geschenk ausdrückt.

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Sie ist geprägt vom Glauben an die Kraft des Heiligen Geistes, der mir die Möglichkeit gibt, offener und mit einem größeren Gottvertrauen in die Zukunft geht, weil ich weiß, dass ich weder die Welt, noch die Kirche noch den christlichen Glauben oder sonst was retten muss (und auch nicht kann!).

Ich weiß, dass ich damit gerade auch in konservativ-reaktionären Kreisen unserer Kirche auf wenig Gegenliebe bis Ablehnung stoße.
So what?! – Das muss ich wohl in Kauf nehmen.

Das heutige Evangelium jedenfalls ermutigt mich dazu, mich um eine gewisse Gradlinigkeit und Klarheit zu bemühen.




Über Freundschaft und Liebe

Bild von Holger Schué auf Pixabay

Bezugstext: Johannes-Evangelium 21, 15 – 19 ( 3. Ostersonntag – Lesejahr C)

Man stelle sich folgende Situation vor:
In einer Ehe, einer Partnerschaft oder Beziehung fragt der eine Teil den anderen: „Liebst du mich?!“

Diese Frage würde aufhorchen lassen.
Würde diese Frage abgewandelt: „Liebst du mich überhaupt noch?“, dann könnte es sein, dass die gefragte Person schon mal die Kontaktdaten eine Ehe- oder Beziehungsberatungsstelle heraussucht. Ähnliches gilt sicherlich auch für Freundschaften oder für andere sehr vertraute Beziehungen.



„Liebst du mich?“ – „Bin ich immer noch dein (bester) Freund/deine (beste) Freundin?“

Wer solche Frage dann gleich dreimal gestellt bekommt, dessen Gefühle werden wohl beginnen Achterbahn zu fahren
Fragen stellen sich in den Raum:

  • Kriselt es in unserer Beziehung?
  • Habe ich was falsch gemacht?
  • Was habe ich falsch gemacht?
  • Werde ich dem/der anderen nicht mehr gerecht?

und damit können auch Gefühle verbunden sein:

  • Unsicherheit
  • Hilflosigkeit
  • Traurigkeit
  • vielleicht sogar Ärger und Wut.

Fragen in einer Beziehung zu stellen, die die Beziehung betreffen, sind immer gefährlich; gefährlich deshalb, weil sie Missverständnissen Tür und Tor öffnen können.

Mit solchen Fragen sollte man deshalb behutsam umgehen und sich sorgfältig überlegen, in welchem Setting, in welcher Situation, man solche Fragen stellt.

Kein Wunder, dass die dreimalige Frage Jesu an Petrus: „Liebst du mich?“ ihn ‚traurig‘ gemacht hat, wie es in der Schriftstelle heißt.

Kann Jesus sich denn nicht denken, dass er (Petrus) ihn liebt?Was mir auffällt, ist, dass Jesus und Petrus in ihrer Beziehung so unkompliziert von „Liebe“ sprechen können.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass in den biblischen Texten Jesus von Liebe spricht, wenn er über seine Beziehung zu den Jüngerinnen und Jüngern redet.

In unseren eigenen Beziehungen verwenden wir den Begriff ‚Liebe‘ doch nur sehr exklusiv: wir können sagen dass wir unsere PartnerIn lieben, vielleicht auch noch unsere Eltern und Großeltern oder unsere Geschwister.

Aber können wir auch bei den anderen Menschen in unserem Leben, zu denen wir ein vertrauliches Verhältnis haben, von „Liebe“ sprechen?

(Sie können ja mal ein Experiment machen, in dem Sie Ihrer Freundin oder Ihrem Freund sagen, dass sie sie/ihn lieben. Es könnte zu überraschenden oder irritierenden Reaktionen kommen. Warum?)

Ich denke, dass fällt uns eher schwer, weil das in unserer Kultur so nicht üblich ist.

In der Kultur Jesu und auch parallel dazu in der antiken römischen Kultur hatte man damit aber keine Probleme.

Der antike Schriftsteller Cicero hat sich zu diesem Thema in seiner Schrift „Laelius de amicitia“ ausgelassen. Darin beschreibt er unter anderem das Wesen der Freundschaft. Das lateinische Wort „amicitia“ beinhaltet den Wortstamm „amare“ der „lieben“ bedeutet.

Der Alte Lateiner kannte also noch ganz selbstverständlich den Zusammenhang von „Freundschaft und Liebe“

Warum ich das so weit ausführe? Weil ich deutlich machen möchte, dass die selbstverständliche Rede in der Bibel für unseren Alltag heute gar nicht so selbstverständlich ist und daher die Quelle von Missverständnissen sein kann.

Wenn Jesus also im Evangelium Petrus heute fragt: „Liebst du mich?“, dann will er den Kern dieser Freundschaft in den Blick nehmen; das, was diese Beziehung prägt und auch zusammenhält.

Und ja, er geht damit ans Eingemachte!

Warum? Weil Jesus vielleicht ahnt, dass die Beziehung zwischen ihm und Petrus Einiges wird aushalten müssen, wenn sie nicht zerbrechen will?

Vielleicht, weil er Petrus genau darauf mental vorbereiten will?

Diese Frage ist also nicht so sehr eine Vergewisserung für Jesus, sondern eine Selbstvergewisserung für Petrus?

Und so gesehen dürfen wir uns selbst von Jesus auch immer wieder diese Frage stellen lassen, ohne unsicher oder traurig zu werden.

Auch unsere Beziehung zu Jesus Christus wird immer wieder herausgefordert werden.

  • Sie kann zur Belastung werden, wenn die Botschaft Christi für unser konkretes Leben unbequem wird.
  • Sie kann nur Belastung werden, wenn wir hoffen, auf Christus ganz und gar vertrauen zu können, aber Zeiten der Zweifel auftreten.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, dieser Frage, der die frohe und schöne Seite unserer Christus-Beziehung in den Blick nimmt.

Wenn Menschen sich wichtig sind, dann – hoffe ich – dass sie sich immer wieder gegenseitig sagen können, dass sie sich lieben.

Dieses Liebesbekenntnis ist nicht nur wichtig für den Teil, dem dieses Bekenntnis gesagt wird.

Es ist mindestens genau so wichtig für den selber, der es sagt.

Denn indem wir jemand anderem sagen können:
• dass er oder sie unser tiefstes Vertrauen genießt,
• dass wir ihn oder ihr einen ganz besonderen Platz in unserem Leben geben,
• dass ohne ihn oder sie unser Leben nur halb so schön und lebenswert ist
• dass er oder sie tiefe Freude und Lebenslust weckt,

hat das auch eine tiefgreifende Wirkung auf jenen, der das Bekenntnis abgibt.

Dann kann dieser Mensch mit tiefer Freude und Stolz erfüllt werden, dass es für ihn diesen Menschen gibt.

Und aus dieser Freude und diesem Stolz erwächst auch Kraft und Motivation für das eigene Leben.
So kann die Frage Jesu an Petrus auch verstanden werden:
Jesus möchte Petrus helfen, sich seiner Freude und Stärke bewusst zu werden, die für ihn selbst aus der Liebesbeziehung zu Jesus Christus entspringt.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich wünsche uns für unser Leben, dass wir alle solche erfüllenden Liebesbeziehungen finden, ob bei Partnerinnen und Partnern, ob bei Eltern und Geschwistern oder bei vertrauten Freunden und Freundinnen.

Und ich wünsche uns, dass wir alle auch dieses in unserer Liebesbeziehung zu Jesus Christus finden.