Verwandelt durch Erneuerung

(Röm 12,2)


Vor 30 Jahren, als wir unsere Exerzitien zur Diakonenweihe hatten, hatte sich mein Weihekurs in ein Kloster zurück gezogen.
Uns wurde damals eine Ordensschwester ans Herz gelegt, die uns auf die Weihe vorbereiten könnte.

Symbolbild, www.pixabay.com

Das Kloster lag in Köln und die Gemeinschaft sind Benediktinerinnen vom heiligsten Sakrament.
Ich hatte bislang von denen nie was gehört. Dann erfuhr ich, dass sie sich auch „Anbetungsbenediktinerinnen“ nennen, die sehr kontemplativ leben.
Sofort dachte ich an ein Kloster, irgendwo abseits gelegen, am Rande von Köln, da, wo „Hase und Igel sich ‚Gute-Nacht‘ sagen“.

Doch als wir nach Köln fuhren, führte uns der Weg Richtung Innenstadt. Zuerst dachte ich, wir hätten uns verfahren, aber wir waren auf dem richtigen Weg.

Das Ziel war die „Brühler Str. 74“, unweit des Raderthalgürtels, in der Nähe des Vorgebirgsparks.
Wer sich in Köln auskennt, weiß, dass das knapp 20 Minuten fußläufig von der Altstadt entfernt ist.

Wir fuhren durch eine zweispurige Straße, dicht bebaut mit Wohnungen, Handwerksbetrieben und Geschäften …

Hier sollte ein kontemplatives Kloster sein?
Und dann sahen wir das Grundstück, eingezäunt mit einer halbhohen Ziegelmauer, die ein hohes Gitter krönte. Das Tor war offen und wir fuhren auf einen asphaltierten Platz, vor uns eine Front des Klosters aus dem 1890er Jahren.
Geradeaus eine alte Holztür, einige Fenster und links eine weitere Holztür, welche der Zugang zur Kapelle war.

Wir klingelten, eine freundliche Ordensfrau öffnete uns die Tür und bat uns herein.
Wir standen in einer kleinen neugotischen Halle, mit einigen Türen, davon eine doppelflügelige Tür mit der Aufschrift „Klausur“ und eine Treppe, die nach oben führte.

Es roch, wie es in so alten Gebäuden gewohnt ist, zu riechen, etwas auch nach Bohnerwachs.
dann schloss sich hinter uns die Pfortentür … und wir waren in der Stille.

Gerade noch durch eine geschäftige Wohn- und Einkaufsstraße gekommen, schirmte uns diese alte Tür von der Geschäftigkeit da draußen ab.

Für mich war das eine krasse Erfahrung: so sang- und klanglos standen wir buchstäblich in der Stille, nur die einladenden Worte der Klosterfrau war zu vernehmen.

Wir bekamen unsere Zimmerschlüssel und stiegen zwei Stockwerke hinauf.
Gut 30 Ordensschwestern sollen hier in diesem Kloster leben – doch wir hörten nichts, nicht einmal irgendwo Schritte oder Türen. Und von draußen drangen auch keine Geräusche ins Kloster.

Symbolbild, www.pixabay.com

Mein Zimmer – es war eher eine kleine Zelle mit einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl, einem Schrank und einer Waschstelle – lag direkt unter dem Dach. Eine Dachgaube gab den Blick frei in den Innenhof des Klosters, der vom Kreuzgang begrenzt wurde. Spatzen tschirpten und Mauersegler flogen über das Dach.
Wir erfuhren, dass die Kontemplation (Betrachtung) und das Gebet Mitte der Spiritualität dieser Benediktinerinnen sei.

Sie haben dort einen großen Garten, damals noch eine eigene Kuh, bestreiten ihren Unterhalt durch eine Hostienbäckerei und durch Herstellung von Paramenten (liturgische Texitilien) für Gottesdienste.
Dazu bieten sie noch geistliche Begleitungen an.

Ordensfrauen, die mitten in der Welt sich in die Stille zurückziehen.
Ist das Weltflucht?

Auf dem ersten Blick könnte es so aussehen, als wollten sie mit „denen da draußen nichts zu tun haben“, zumal sie auch nicht ohne Erlaubnis der Oberin das Kloster verlassen durften. Nur die Nonne an der Pforte pflegte den Kontakt nach draußen.

Doch ich erfuhr, dass diese Ordensschwestern sehr wohl und sehr gut informiert waren darüber, was da draußen los war. Sie waren vollständig und sehr genau im Bilde, was die Themen der Nachrichten und der Menschen in der Zeit waren.

Das imponierte mich sehr.
Damals begleitete uns durch die Exerzitien Sr. Otgera Krämer OSB. (Und wir entschieden uns, auch ein Jahr später unsere Exerzitien zur Priesterweihe wieder dort zu halten.)
Nach meiner Priesterweihe wurde Otgera für einige Jahre meine geistliche Begleiterin.

Diese Erinnerungen kamen mir in den Sinn, als ich über das Wort des heiligen Paulus in der heutigen Lesung nachdachte.

„Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“ ( Röm 12,2 )

Für mich sind diese Benediktinerinnen von Köln-Raderberg ein Beispiel, wie man die Worte des hl. Paulus ins heutige Leben übertragen kann.

Nun ist es weder mir noch Ihnen gegeben, so klaustriert zu leben, wie die Schwestern in Raderberg.

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Aber dennoch können sie für uns ein ermutigendes Beispiel sein, was es heißt, sich nicht dieser Welt anzupassen, sondern sich verwandeln zu lassen durch die Erneuerung im Denken, um zu erkennen, was der Wille Gottes ist.

Die Herausforderungen der Christ:innen in der Welt

Unsere Herausforderung ist es, mitten in der Hektik des Alltags und den Erfahrungen der Welt um uns herum, in der Welt und auch bei den Menschen zu sein, aber zugleich einen heilsamen Abstand zur Welt zu gewinnen, damit wir immer wieder auch Raum lassen können, um nach dem Willen Gottes zu fragen.

Was die Frauen des Benediktinerinnen-Klosters in strenger Form und Tag für Tag leben, dass können wir auch in unserem Alltag versuchen:

• Inseln des Rückzugs zu finden, wo wir uns Räume und Zeiten schaffen, um Abstand von der Welt zu bekommen.
• Zeiten und Zeiträume zu sichern, um uns ins Gebet oder in die Betrachtung zurück zu ziehen. Dabei können uns auch geistliche Impuls helfen, die wir in Büchern finden oder auch im Internet.
• Rituale zu entwickeln, die wir einzig und allein für diesen Rückzug reservieren: eine Kerze oder ein Räucherstäbchen zu entzünden, ein religiöses Bild hinzustellen oder gar einen festen Platz in unserer Wohnung einzuräumen, meditative Musik einzuschalten, in Familien ein Schild „bitte nicht stören“ aufzuhängen, ein Fenster zu öffnen, um den Gesang der Vögel wahrzunehmen, oder auch ein Fenster bewusst zu schließen, um Geräusche von außen auszuschließen, … und viele andere Rituale mehr, die wir für uns selber finden und die uns gut tun.
• geistliche Schriften oder Bilder zur Hand nehmen, anhand derer wir unsere Gedanken sammeln und unser Gespräch mit Gott starten können …
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Stille und Gebet mitten im Alltag

Stille, Gebet und Kontemplation ist in der Regel nicht anstrengend, sondern sind Räume und Zeiten, der geistigen und geistlichen Regeneration.
Sie ermöglichen uns, uns auf die Beziehung zu Gott zu konzentrieren. Dabei ist es auch hilfreich, sich konkret zu entscheiden, wer genau mein Gegenüber ist. Gott Vater, sein Sohn Jesus Christus oder der Heilige Geist? –
Wir Menschen haben unterschiedliche Zugänge zu einem dieser dreifaltigen Personen. Und das können wir uns zu Nutze machen.

Wenn ich heute die Sätze des heiligen Paulus lese, dann kommt mir als erstes in den Sinn, dass ein Schwerpunkt unserer geistlichen Existenz es ist, meiner Beziehung mit Gott im Alltag Raum zu geben.

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Das kann bedeuten, sich nicht der Welt anzugleichen, in der Zeit für Gott im öffentlichen Raum kaum noch vorkommt.

Mit einer Ermutigung des christlichen Philosophen Sören Kirkegaard möchte ich enden:

Søren Kierkegaard, Quelle: Als sein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte er im… (aphorismen.de)


Zum heutigen Tagesevangelium: Matthäus 16, 21-27

Ich widme diesen Impuls der Gemeinschaft der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament in Köln-Raderberg.




Aufstehen, um für sich einzustehen

Textgrundlage: Eine heilsame Begegnung zwischen Jesus und dem blinden Bartimäus

Ich habe meine eigene, persönliche Geschichte mit dem heutigen Evangelium.
Es ist das Evangelium, das wir uns zu unserer Diakonenweihe 1993 ausgesucht haben.
Später, an meiner ersten Kaplanstelle habe ich vertretungsweise Religionsunterricht in der 3. und 4. Klasse gegeben. Da stand dann im dritten Schuljahr auch dieses Evangelium auf dem# Lehrplan und wir arbeiteten damals mit den wirklich sehr prägnanten Bildern aus der Neukirchener Kinderbibel von Kees de Kort.

Irgendwie hat mich dieses Evangelium immer wieder berührt und begleitet. Und erst sehr viel später wurde mir klar, was mich daran so begeistert.

Begegnung – Foto: www.pixabay.com

Es ist diese kurze Geschichte einer Begegnung zwischen Jesus und einem Mann, die das Leben dieses Mannes von Grund auf veränderte. Urplötzlich werden die Ereignisse geschildert, aber sie haben trotz ihrer Radikalität nichts Beunruhigendes. Diese Begegnung verändert zumindest das Leben des Bartimäus von einer Sekunde auf die andere, doch:
Die Radikalität der Ereignisse führt nicht zu einer Krise, sondern zu einer großen heilsamen Wendung im Leben des Mannes.



Ich denke, wir können für uns viel aus diesem Heilungswunder mitnehmen, und zwar, wenn wir uns an die Stelle des blinden Mannes setzen, aber auch, wenn wir an die Stelle Jesu treten.

Es lohnt sich, einige Teile gleichsam wie unter einem Spotlicht zu betrachten.

Wir erfahren von Jesus, dass er mit seinen Jüngern in Jericho war und nun die Stadt verlassen.
Wir können davon ausgehen, dass sie auf dem Weg nach Jerusalem waren, denn in Kapitel 11 erfahren wir, dass sie in Jerusalem angekommen sind.
Die Strecke Jericho – Jerusalem sind über 40 km und führt durch sehr trockene, fast wüstenhafte Gegend; südlich von Jericho beginnt das Tote Meer.

Israel – Wüste – Foto: www.pixabay.com

Wer also Jericho zu Fuß verließ, musste wissen wohin er geht und sich für die Strecke gut vorbereiten.
Will man die Strecke an einem Tag schaffen, muss man schon recht zügig und ohne große Pausen laufen.
Auf dieser Strecke kommt es am Weg zur Begegnung mit dem blinden Bartimäus.

Bartimäus erfährt nur vom Hörensagen, dass da Jesus bei ihm vorbei kommt. Doch was er von Jesus sonst noch gehört hat, lässt in ihm unmittelbar die Hoffnung aufsteigen, hier jetzt die Chance seines Lebens nutzen zu können.
„Jetzt oder nie“, wird er sich vielleicht gedacht haben. Und mit ganzer Kraft ruft er Jesus.

Die Begleiter Jesus wissen, dass man zügig auf dem Weg bleiben sollte, damit das Ziel Jerusalem gut zu erreichen ist. Wollen sie deshalb den Bartimäus abschütteln?

Doch Jesus lässt sich ansprechen, lässt sich unterbrechen und ruft Bartimäus her.

Das erinnert mich manchmal an Situationen im eigenen Leben: da ist was geplant, vorbereitet und auf einmal kommt etwas Unerwartetes, so unerwartet, dass man es vielleicht als Störung empfinden.
Unsere Pläne würden über den Haufen geworfen, wenn wir uns dem Unerwarteten zuwenden würden.
Wie sind wir dann eher drauf? Die Störung vermeiden, das Unerwartete buchstäblich links liegen lassen?

Jesus hat die Freiheit, sich ‚stören‘ zu lassen und so kommt es zu dieser folgenreichen Begegnung.

Vielleicht kennen wir auch so etwas: wir haben geplant, doch etwas Unerwartetes, vielleicht auch eine nicht angekündigte Begegnung, bringt uns von unserem Plan ab. Wir lassen uns ein und erkennen, dass diese Begegnung sehr gut und wichtig war.

Manchmal erlebe ich im Krankenhaus solche Begegnungen, wenn ich unterwegs durchs Haus bin. Da spricht mich eine Mitarbeiterin oder ein Patient an, oder buchstäblich beiläufig kommt es zu einer Begegnung, zu einem kurzen Gespräch, von dem ich den Eindruck habe, es war gut, auch für meinen Gesprächspartner.
Wir nennen das in Seelsorge-Kreisen auch manchmal „Seelsorge zwischen Tür und Angel“.

Bei Jesus hören wir oft von solchen ‚beiläufigen‘ Begegnungen „zwischen Tür und Angel“, die nicht lang, aber oft nachhaltig und folgenreich sind.

Als die Umherstehenden der Intervention Jesu nachgeben, rufen sie dem Bartimäus zu: „Hab Mut! Steh auf! Er ruft dich.“

Das ist schon das erste Wunder in dieser Erzählung. Jene, die auf Planerfüllung drängten werden von Jesus ermutigt, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen.

Ich nehme ihnen ihr „Hab Mut!“ ab. Ich nehme ihnen ab, dass Jesu Verhalten auch sie schon verändert hat und sie offener gemacht hat für diesen Augenblick.

„Hab Mut“ – ich glaube, das ist auch ein wichtiges Wort in dieser Erzählung.
Da gibt es Situationen, die wollen wir beherzt angehen und starten auch den ersten Schritt. Dann kann es geschehen, dass wir auf einmal Angst vor der eigenen Courage bekommen. Wie gut, wenn dann da Umstehende sind und sagen: „Mensch, jetzt geh aber auch den Weg weiter für den du dich entschieden hast“. „Jetzt nicht den Schwanz einziehen und den Rückzug antreten!“
Ich danke für solche Menschen, die mir dann sagen: „Hab Mut!“

Und dann kommt es noch zu einer ganz wichtigen Passage in dieser Begegnung.
Jesus fragt den Bartimäus: „Was willst du, das ich dir tue?“
Hätte Jesus sich das nicht denken können? Die Menschen haben doch von den Heilungswundern Jesu gehört. Da ist es doch naheliegend, dass der BLINDE Bartimäus wieder sehen will, oder?

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Ja, es ist naheliegend.
Und vielleicht ahnte und wusste Jesus schon, was Bartimäus von ihm wollte. So hätte er sich diese Frage eigentlich auch sparen können.

Aber nein! Es geht nicht nur darum, dass Jesus erfährt, was Bartimäus will, sondern es geht vielmehr um Bartimäus selber.
Denn durch die Frage: „Was willst du, das ich dir tue!“ sichert Jesus diesem Mann seine Souveränität und Autonomie zu.

Wie oft wird Bartimäus erfahren haben, dass andere sich um ihn gekümmert und gesorgt haben. Sie haben es vielleicht oft gut mit ihm gemeint und für ihn gehandelt, in dem Bewusstsein, zu wissen, was ihm guttut oder was er braucht.

Doch dahinter steckt auch eine Gefahr, nämlich die Gefahr der Bevormundung oder gar Entmündigung.

Jesus macht es nicht so. Er sagt Bartimäus nicht, was er braucht, sondern er fragt Bartimäus, was er bräuchte.

Was für einen gewaltigen Unterschied es machen kann, anstelle etwas zu sagen, etwas zu fragen!

Auch hier erfahren wir wieder einmal mehr, wie es Jesus um den Menschen geht: er stellt den Menschen in die Mitte seiner Sorge, er stellt Menschen auf die eigenen Beine, er lässt die Menschen für sich selber spüren und klären, was sie brauchen.
Das alles hat etwas mit Ansehen, Respekt und Würde zu tun.

Und so kann das Wunder geschehen: Menschen werden heil, weil sie erkennen und benennen können, was unheil in ihrem Leben ist.

Menschen stehen für sich ein, weil sie für sich aufzustehen lernen und darin auch noch ermutigt werden.

Was für ein Evangelium und was für eine Botschaft für uns, auch für uns als Kirche!

Nicht Ansagen und Vorschriften oder Regeln sind das Wichtigste, was wir den Menschen unserer Zeit mitgeben können, sondern echte personale Begegnung, die den Menschen in den Blick nimmt, die seine Würde bewahrt, ihnen Achtung und Respekt entgegen bringt und sie sich selber klar werden lässt, was sie brauchen und was ihnen zum Heil und zur Heilung dient.




Wandlung unausweichlich

Nach vielen Begegnungen und Gesprächen in den letzten Tagen wird mir immer klarer:

Die Wandlung unserer römisch-katholischen Kirche ist unausweichlich!

Quelle: www.unsplash.com

Wenn Sie nicht von oben eingeleitet wird, dann kommt sie von ‚unten‘!

Die Signale bei den Kirchengliedern ist so überdeutlich, dass die heutige Kirche in ihrer jetzigen Verfasstheit keine Zukunft mehr haben wird.

Das ist keine Forderung, sondern (m)eine Ahnung!




Erneuerung des Denkens

Predigt am 22. Sonntag – A – 2020
Lesungstext: Röm 12, 1-2

„… Ich ermahne euch also, Brüder und Schwestern, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen – als euren geistigen Gottesdienst.
Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!…“

Quelle: https://www.bibleserver.com/EU/R%C3%B6mer12

Sammlung und Nachdenken – Quelle: Bild von Pexels auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,
zu welcher Art Menschen gehören Sie?
Lieben Sie die Veränderung, sei es geplant oder auch spontan?
Oder gehören Sie eher zu den Menschen, die das Gewohnte und Vertraute vorziehen, die sich sicherer und wohler fühlen, wenn das Leben ‚nach Plan läuft‘?

Diese Fragen sind völlig wertfrei zu verstehen.

Es kann hilfreich sein, für sich zu erkennen, wie man selber tickt.
Wenn wir das nämlich verstanden haben, dann verstehen wir auch unsere Reaktionen darauf, wenn Veränderungen in unserem Leben von außen her auf uns zukommen.

Wer keine Veränderung mag, wird schnell bemüht sein, das Alte und Gewohnte zu verfolgen und wenn es sich verändert, den vorherigen Zustand wieder herzustellen.
Wer keine Veränderung mag, wird viel Energie darauf verwenden, Veränderungen zu verhindern.



Anders der Menschenschlag, der für sich erkannt hat, dass das Leben wesentlich von der Veränderung lebt.

Es liegt so sehr auf der Hand, dass diese Erkenntnis schon geradezu banal ist.
Junge Eltern schauen gebannt und gespannt auf die Veränderung des eigenen Kindes, wenn es gerade ein paar Tage oder Wochen alt ist. Wann wird es anfangen zu krabbeln, wann wird es so kräftige Hände und Füße haben, dass es versucht, sich aufzurichten? Und wann wird es das erste Mal „Mama“ oder „Papa“ sagen?
Und so geht es fort und fort. Mal sieht es dem Papa ähnlich, mal der Mama und später entdecken die Eltern ganz eigene Züge an ihrem Kind.

Schon allein biologisch gesehen, ist alles im Leben auf Veränderung und Verwandlung ausgerichtet … bis zum letzten Atemzug.

Ja, liebe Schwestern und Brüder,
dieses Beispiel scheint so banal; es zeigt uns aber auch, dass unser Leben gar nicht sein kann ohne Veränderung und ohne Wandlung!
Wenn wir einmal erkannt haben, dass „alles fließt“, also stetem Wandel unterworfen ist, dann wird es keine Frage mehr sein, ob Veränderung sein wird oder nicht?

Metamorphose – von der Kaulquappe zum Frosch. Quelle: Bild von Hans Hansen auf Pixabay

Dann wird die Frage nur noch lauten können:

Wie findet diese Veränderung statt?

Wie und wohin werden wir uns verändern, als einzelner Mensch, als Gesellschaft, als Kirche, als Gemeinde und Pfarrei?

Wie werden wir uns verändern unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie, die auch an uns nicht spurlos vorübergehen wird?

Wie werden wir uns verändern, gerade auch im Hinblick auf unvermeidliche Prozesse – nicht nur struktureller Art – in unseren Gemeinden, in unserer Pfarrei in unserer Kirche?

In der heutigen Lesung schreibt der heilige Paulus an die Gemeinde von Rom:
„… lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist….“

Großartig, diese Worte des heiligen Paulus!

Er sagt damit: gebt euer Denken nicht auf.
Gebt euren Verstand nicht ab: vor der Tür, wo auch immer: vor der Arbeitsstelle, in der Kirche, in der Gesellschaft!

Für Paulus ist das eigene Denken, das Vor-Denken und das Nach-Denken und die Wandlungsfähigkeit im Denken eine Grundvoraussetzung, damit wir heute noch in unserer Zeit den Willen Gottes erkennen können.

Bevor Paulus uns durch Verwandlung zur Erneuerung des Denkens ermutigt, schreibt er: „… und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens…“

Hier predigt Paulus nicht eine generelle und permanente Opposition zur Welt das Wort, sondern er verbindet die Warnung, sich einfach so der Welt anzugleichen mit der Aufforderung, im immer wieder erneuerten Denken uns selbst zu wandeln.

Dieses „gleicht euch nicht dieser Welt an …“ setzt Paulus also nicht absolut.
Es geht ihm darum, nicht einfach so alles hinzunehmen, was alle andere tun, sondern es mit unserem Verstand zu hinterfragen. Und als Christen ist unser Verstand auch eine Quelle, um die Antwort darauf zu finden, was Gottes Wille heute ist.

Und manchmal entdecken wir dann auch den Willen Gottes in dem, was in der Welt ist und in unserer Gesellschaft, auch wenn es nicht rein christlich motiviert ist. Dann wäre es klug, mit der Welt ‚an einem Strang zu ziehen‘, aber nicht blindlings.

Christen von heute sind also denkende Menschen; sind Menschen, die vom Verstand her begründen können, was sie für richtig und wahr erkannt haben und so auch als Wille Gottes erkennen.

Christen können mit ihrem Denken Antwort darauf geben, was aufgrund unseres Glaubens „gut, wohlgefällig und vollkommen“ ist, wie Paulus sagt.

Dieses Denken findet aber nicht um luftleeren Raum statt. Dieses Denken wird beeinflusst durch Erfahrungen, die wir selbst mit Gott gemacht haben.

Und eine solche wichtige Erfahrung ist, dass Gott seine Barmherzigkeit an uns vollzieht.

Das eigene Denken, die erfahrene Barmherzigkeit und die Überzeugung, dass Gott ein Gott der Liebe ist, sind einige Kriterien, die uns helfen können, zu erkennen, was der Wille Gottes in unserer Zeit ist, was Gott von uns heute will.

Haben wir den Mut dazu? Haben wir den Mut, Veränderungen in unserem Leben zu zulassen und zu bejahen?