Weisheiten der Woche …

Ich würde lügen, würde ich behaupten, sie wären alle aus nicht-dienstlichen Zusammenhängen heraus entstanden… 😉




Pfingsten 2023

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Entdecke den Geist

„Es gibt Menschen, die den eigenen Vogel für die Taube des Heiligen Geistes halten.“

Unbekannt

Ein provokanter Satz!

Doch: in der Kürze der Würze bringt dieser so schnodderig daher kommende Satz eine Wahrheit auf den Punkt:

Die Unterscheidung der Geister, oder besser: wie man zu unterscheiden vermag zwischen Wirken des Heiligen Geistes und dem eigenen Spleen, ist kein leichtes Unterfangen.

Vielleicht ist uns das Wort aus der Apostelgeschichte Kapitel 15, Vers 28 bekannt: „… Denn der heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzubürden,…“
Hier ging es um die Frage, ob die frühen Christen nach dem detaillierten Regelwerk des jüdischen Glaubens leben müssten, einschließlich der rituellen Beschneidung der Männer.

„Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen…“ – würden wir uns heute trauen, so etwas zu sagen?!

Zwar glauben wir immer noch, dass sich im Leben und Wirken der Kirche auch das Wirken des Heiligen Geistes findet.
Doch das Zitat am Anfang und auch so manche Witze über das Wirken des Heiligen Geistes im Zusammenhang mit der Kirche zeigen, dass wir etwas vorsichtiger, zurückhaltender und kritischer geworden sind, wenn jemand behauptet oder meint, sich bei seinen Aussagen oder Anschauungen auf den Heiligen Geist berufen zu können.

Diese Skepsis und der Glaube an das Wirken des Heiligen Geistes sind für mich aber kein Widerspruch.

Vielmehr sind sie Folge einer kritischen und vernünftigen Auseinandersetzung mit der Frage, woran man das Wirken oder die Früchte des Heiligen Geistes erkennen kann?

Ja, selbst unsere Kirche weiß um die Gefahr, das Wirken des Heiligen Geistes oder menschlichen Ungeist nicht unterscheiden zu können. Deshalb ist es gute sprituelle Tradition, vor den großen Entscheidungen besonders um die Gaben des Heiligen Geistes zu beten.

Und diese Auseinandersetzung ist nötig – vielleicht nicht nötiger denn je, aber zumindest genau so nötig, wie in früheren Zeiten.

Schon in der Apostelgeschichte ist ein solches Gebet bezeugt, als nämlich der Apostelnachfolger für Judas Iskariot gewählt werden musste. So heißt es dort in Kapitel 1,24: „…Dann beteten sie: Du, Herr, kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast,…“

Ein Wort eines früheren Benediktinerpaters hat in einem kurzen Satz eigentlich ziemlich signifikant zusammen gefasst, wie wir das Wirken des Heiligen Geistes erkennen können:

„Das Wirken des Heiligen Geistes in den Seelen ist Eingießen, Fördern und Vollenden der Liebe.“

(P. Alois Mager OSB)

Wie bei anderen zentralen christlichen Themen dreht sich auch bei der Frage nach dem Heiligen Geist und seinem Wirken in dieser Welt alles um die Liebe!

Kein Wunder! Denn die Liebe ist der Dreh- und Angelpunkt unseres christlichen Glaubens.

Wirken des Heiligen Geistes ist das Eingießen der Liebe

Wenn wir also in Situationen kommen, wo wir uns fragen, ob hier das Wirken des Heiligen Geistes am Werk ist, brauchen wir nur zu fragen, ob in allem Denken, Glauben und Handeln Liebe mit eingeflossen ist.
An anderer Stelle habe ich schon deutlich gemacht, dass dies keine ganz einfach Frage ist. Denn nicht alles, was aus vermeintlicher Liebe geschieht, ist wirkliche Liebe. Da bedürfen wir einer sorgfältigen Prüfung, ob Liebe am Werk ist.
Wo aber Liebe am Werk ist, da wird das Wirken des Heiligen Geistes offenbar.

Wirken des Heiligen Geistes ist das Fördern der Liebe

Wenn wir uns selber oder andere ermutigen können, manche Dinge oder Widerfahrnisse unter dem Vorzeichen der Liebe zu setzen, wo wir gestärkt werden oder andere stärken, der Liebe Raum im Denken und Handeln zu geben, da ist das Wirken des Heiligen Geistes sichtbar.
Ich erlebe aktuell dies in der innerkirchlichen Diskussion um die Haltung gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen.
Es ist wichtig und notwendig, unsere Haltung dazu unter dem Primat der Liebe zu stellen.
Und dies ganz besonders unter dem Aspekt der Liebe Gottes, der alle Menschen liebt, die er geschaffen hat und nichts geschaffen hätte, wenn er es gehasst hätte, wie es im Buch der Weisheit heißt. (vgl. Weisheit 11,24 f.: „Du liebst alles, was ist, / und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; / denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen.
Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben / oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre?…“)

Zugleich dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass es sich bei unzähligen Beziehungen zwischen Menschen um liebende Beziehungen handelt. Es ist deshalb nach meiner theologischen Erkenntnis ein Irrglaube, dort Sünde zu unterstellen, wo Liebe ist!
Wenn wir also in Beziehungen, gleich welcher Art, das Primat der Liebe fördern, können wir daran schon das Wirken des Heiligen Geistes erkennen.

Wo Liebe vollendet wird, spüren wir das Wirken des Heiligen Geistes

Auch hier hilft uns eine bessere Aufmerksamkeit auf das Leben, nah und fern.

Wenn wir genau hinsehen oder -hören, können wir Menschen entdecken, die sich für andere einsetzen, sei es in der häuslichen Pflege, in der Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Aber auch in der großen Weltpolitik. Da denke ich an Initiativen und Vereine, die sich ehrenamtlich für den Schutz von Flüchtenden einsetzen und dabei selber Probleme auch mit staatlichen Stellen und Gesetzen in Kauf nehmen.
Wir könnten viele weitere Beispiel finden…

Ja, ich bin überzeugt davon, dass wir das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit erkennen können, Gott sei Dank!

Sehnsucht nach Einsamkeit als Zeichen des Heiligen Geistes

Einen Aspekt möchte ich aber noch zum Schluss erwähnen: Die Apostelgeschichte berichtet uns von der Geistsendung mit großem Getöse: Sturmesbraus und Zungen wie von Feuer.
Doch sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass dies auch in unserer Zeit immer so markant in Erscheinung tritt.
Denn auch in gegensätzlicher Weise kann Gottes Geist in unserer Welt in Erscheinung treten, nämlich in dem ganz Unscheinbaren und Stillen.

Ihn dort wahrzunehmen, erfordert eine andere geistliche Haltung, die in unserer Zeit Vielen schwer fällt: das Aufsuchen der Einsamkeit.
Sie wird für viele beängstigend oder gar bedrohlich wahrgenommen.
Denn in der Einsamkeit können wir mit Macht auf Themen in unserem Leben aufmerksam gemacht werden, die zu einer Bedrohung für unsere eingerichtetes Leben werden können.
Darin aber kann sich die Dynamik des Heiligen Geistes ausdrücken, der wir Sturmesbraus unsere bisherige Welt durchpflügen kann.
Wenn wir Menschen aber – zumindest hin und wieder – das Bedürfnis nach Einsamkeit haben, dann kann sich darin auch das Wirken des Heiligen Geistes ausdrücken, der in dieser Stille und Einsamkeit zu uns sprechen möchte.

Nur so kann ich das Wort des dänischen Philosophen Søren Kierkegaards verstehen, der formuliert hat:

„Überhaupt ist Bedürfnis nach Einsamkeit ein Zeichen dafür, dass in einem Menschen Geist ist und der Maßstab dafür, was an Geist da ist.“

(Søren Kierkegaard)


Ich wünsche uns allen, dass wir das Wehen und Wirken des Heiligen Geistes immer wieder in unserem Alltag und ihn als Hilfe in den Herausforderungen unseres Lebens erfahren.




„Lehre mich, Herr, deinen Weg …

… dass ich ihn gehe in Treue zu dir, richte mein Herz auf das Eine: deinen Namen zu fürchten!“ (Psalm 86,11)

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An dieses Wort, das ich mir als Primizspruch zu meiner Priesterweihe am 20.05.1994 ausgesucht habe, geht mir in diesen Tagen viel durch den Kopf.



Ich bin nicht der Meinung, dass mit der Vollendung des 60. Lebensjahres eine neue, eigene Etappe in meinem Leben angefangen hat.
Doch ich spüre gleichzeitig auch: der Zenit ist überschritten.
Fragen nach der eigenen Gesundheit zum Beispiel bekommen auf einmal einen anderen Stellenwert. Bislang ging vieles einfach irgendwie glatt.
Als ich aber vor einigen Tagen bei meinem Hausarzt war und ein großes Blutbild anstand, bat ich ihn, auch bestimmte Parameter mit in den Blick zu nehmen, die auf altersbedingte Veränderungen hinweisen konnten.
Auch gibt es familiäre Veranlagungen, die ich in diesem Zusammenhang checken wollte, weil daraus im Alter meiner Familienangehörigen Erkrankungen entstanden, bei denen ich das Gefühl habe, dass auch ich nicht davor gefeit bin.

Und meine Gedanken wurden bestätigt und ich erhielt die klare Ansage, dass auch ich entsprechende Dispositionen habe und es Veränderungen gibt, die bei mir ähnliche Krankheitsverläufe im Alter möglich machen.

Kopf und Bauch

Der Kopf hat mir gesagt, dass es gut ist, diese Themen frühzeitig anzugehen und ich habe es ja auch selber initiiert, weil ich Vor- und Fürsorge für mich leisten möchte.
Aber wenn ich dann erfahre, dass ich halt auch in dieser Vererbungslinie stehe, dann lässt mich das auch nicht kalt.

Und so schwirren mir die Gedanken durch den Kopf und ich fühle im Bauch eine Unruhe und Nervosität, mit denen ich lernen muss, umzugehen.
Der Kopf sagt mir: „Schlage ein neues Kapitel in deinem Leben auf!“ – und der Bauch ist noch nicht so weit. Dennoch spürt auch er, dass es Zeit für Veränderung und Anpassung ist. Denn ich kann nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als würde ich nicht älter und als könnte ich das Rad der Zeit still stehen lassen.

Ich habe noch Erwartungen und Wünsche an mein Leben. Und sie lassen sich nur verfolgen, wenn ich mich mobilisieren kann, neue Akzente zu setzen und neue Wege zu wagen.

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„Lehre mich, Herr, deinen Weg …“

Deshalb kam mir also in diesen Tagen wieder mein Primizspruch in den Sinn.
Und er ist so richtig in dieser Phase meines Lebens.

Denn wenn ich meine Lebenszeit als Aufgabe verstehe, die mir von Gott gegeben wurde, dann möchte ich auch, dass er mir dabei hilft, im Lichte seiner Weisheit mein Leben zu leben.




„… damit sie … alle Mühe mit mir teile…“

Canticum zum Tag aus dem Buch der Weisheit

In der heutigen Laudes vom 10.12.2021 bete ich als Canticum diesen Text aus dem Buch der Weisheit.
Für mich ist dieses Buch ein ‚gutes‘ Buch im Alten Testament.
Was dort über die ‚Weisheit‘ gesagt wird, übertrage ich gerne auf den Heiligen Geist.
Anstelle des Wortes „Weisheit“ füge ich oft „Heiliger Geist“ ein.

Und dann bekommt dieser Text für mich eine ganz neue Prägung.



Ich bin ja – nach wie vor – der Meinung, dass der Heilige Geist und seine Verehrung in unserem christlichen Glauben viel zu kurz kommt.

Dabei ist schon im Schöpfungsbericht von ihm die Rede:

Genesis (1 Mose) 1,1-2:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war noch leer und öde, Dunkel bedeckte sie und wogendes Wasser, und über den Fluten schwebte Gottes Geist.

Belastendes und Demotivierendes

Für mich sind, gerade auch in der heutigen Zeit, solche biblischen Texte entlastend und motivierend.
Gestern noch sprach ich im Rahmen einer Fachkonferenz mit Kolleg:innen in einem Jahresrückblick darüber, was alles in diesem Jahr 2021 gelaufen war. Dabei fiel mir auf, dass eigentlich alle – durch die Bank – erwähnten, wie besonders diese gegenwärtige Zeit, die letzten zwei Jahre, durch die Corona-Pandemie geprägt sind.
Vieles, was wir angegangen und geplant haben, war zumindest ‚vorläufig‘ oder provisorisch, manches vermeintlich auch ‚für die Katz‘, weil Geplantes kurzfristig abgesagt oder zumindest verschoben werden musste. Bilder oder Begrifflichkeiten, die die Instabilität der Lebens- und Arbeitsumstände ins Wort brachten, wurden genannt.

Ich denke, dass es anderen Menschen in ihrem eigenen Leben (ob beruflich oder privat) nicht viel anders ergangen ist – vielleicht manchen sogar noch schlechter, weil Lebensfundamente weggebrochen sind. Besonders hart traf und trifft es die Opfer der Flutkatastrophe im Sommer dieses Jahres.

Angesichts solcher Situationen stellt sich zumindest bei mir immer wieder die Frage:
„Wie schaffe ich das alles?“ – „Woher nehme ich noch die Motivation?“ – „Was kann ich gegen Entmutigungs- oder Ermüdungserscheinungen tun?“

Dazu kommt auch, dass dieser Stress mental und emotional auch Folgen hat – ich spüre es zumindest bei mir: ich werde dünnhäutiger und leichter reizbar. Wenn ich etwas als ungerecht oder falsch empfinde, bringt mich das persönlich mehr auf die Palme als sonst.

Mir und anderen gerecht werden – aber wie?

Wenn ich dann wieder herunter komme und zur Ruhe kommen kann, geht es mir damit nicht unbedingt viel besser. (Es ist ja schon mal gut, dass es in solchen Zeiten überhaupt noch Gelegenheiten gibt, selber zur Ruhe zu kommen, um Zeiten des Gebetes, der Meditation und der Reflexion zu finden.)

Denn: wer kann schon damit zufrieden sein, wenn es nicht so läuft, wie man es geplant oder sich gedacht hat? Ich bin es zumindest nicht. Das liegt vielleicht auch darin, dass ich eher Perfektionist bin.
Gelassenheit und Langmut sind nicht meine eingeborenen Stärken.

Ein gutes Wort zur richtigen Zeit

Da sind solche Worte, wie heute in der Laudes für mich persönlich das ‚gute Wort zur rechten Zeit‘!
Da ist von der Weisheit die Rede, die Gottes ständige BegleiterIN ist und die Gott auch den Menschen zur Seite stellen will.
Der Mensch, hier der Protagonist des Betenden, weiß um seine Aufgabe und seine göttliche Sendung. Zugleich weiß er aber auch um seine Begrenztheiten, seine Schwächen und seine Unvollkommenheit.

Allein das einzugestehen – ist das nicht schon Werk der Weisheit? – Ich denke schon!

Für den Betenden aus diesem Canticum ist die Weisheit von Anfang an und mit einem klaren ‚Auftrag‘, nämlich einsichtig zu machen, was Gott gefällt und recht ist nach seinen Geboten.

Die Weisheit ist also die Begleiterin Gottes, die alles in ein anderes Licht und in größere Zusammenhänge setzen kann.

Um diese Begleitung betet unser Protagonist im heutigen Text, in dem Wissen, dass auch sie ihm Einsicht schenken kann und sogar „alle Mühe mit“ ihm „teilen“ kann.

In dem Wissen, dass geteilte Mühe halbe Mühe ist, so wie geteiltes Leid halbes Leid ist (Volksmund), so vertraut der Betende darauf, dass die Weisheit und ihr Wirken entlastend sein kann, damit man wieder den „Kopf frei bekommt“.

Die Weisheit, die „alles weiß und alles versteht“ hat auch die Kraft, „mich in meinem Tun besonnen zu leiten und mich in ihrem Lichterglanz (zu) schützen…“.

Die Weisheit Gottes hat also etwas Erhellendes, gerade dort, wo wir Dunkelheit spüren, wo unsere Wege nicht klar erkennbar sind.


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Gottes Weisheit,
Du heilige Geistkraft,
die du von Anfang an warst und
auch heute noch bist.

Die du geschaffen hast
und Einsicht schenkst;
die du Mühen teilst
und mich besonnen leiten möchtest,

öffne mich auf dich hin,
damit ich dich,
die
Schöpferin, Geistbewegerin und
Schützerin
sehnsuchtsvoll erwarte,
dass du ankommen darfst in mir
und mich führst
und entlastest
und ermutigst
für meine nächsten Schritte.

Amen.

(Gerd Wittka, 10.12.2021)




„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz…“

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Gedanken zur Lesung am 17. Sonntag im Jahreskreis

Bezug: 1 Könige 3,5.7-12

Einen Teil dieser Lesung möchte ich vornean stellen:

“ In jenen Tagen erschien der HERR dem Sálomo nachts in einem Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll! Und Sálomo sprach: (…) Verleih (.) deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht! (…)
Es gefiel dem Herrn, dass Sálomo diese Bitte aussprach.
Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erhören. Siehe, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.“


Dieser Text ist ein Schlüsseltext, der uns erklärt, warum die ‚Weisheit Sálomos‚ so legendär ist!

Sálomo hätte auch – wie viele andere Herrscher vor und nach ihm – um langes Leben, Reichtum oder den Tod seiner Feinde bitten können.
Aber das hat er gerade nicht getan.

Warum?

Weil er vielleicht gemerkt hat, dass das für sein Amt als König unbedeutend ist?

Ein langes Leben – das ist schnell bedroht und beendet.
Ich denke da gerade an einen tragischen Autounfall, bei dem ein Oberhausener vor wenigen Tagen auf seiner Reise in den Urlaub ums Leben kam. Heute noch stehen wir in Saft und Kraft … und morgen sind wir bereits tot. Ein langes Leben ist relativ.

Reichtum – der ist nicht für die Ewigkeit.
‚Das letzte Hemd hat keine Taschen!‘ – so sagt der Volksmund. Damit greift dieses Wort die Binsenweisheit auf, dass wir an materiellen Gütern nichts mitnehmen können. Irgendwann einmal wird auch der größte Reichtum ein NICHTS sein. Durch Krisen, Schicksalsschläge oder spätestens durch den eigenen Tod verlieren wir jeden materiellen Reichtum.

Seinen Feinden den Tod wünschen
Unabhängig davon, ob diese Bitte aus christlicher Sicht moralisch gut ist (was ich bezweifele), ist dieser Wunsch auch oberflächlich.
Wenn ich ‚meinem Feind‘ den Tod wünsche, weil er sich vielleicht gegen mich oder andere, die in meiner Obhut stehen, vergangen hat oder wenn er für Gewalt und Leid verantwortlich ist, was würde dann nach dessen Tod kommen?
Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass dann ein anderer Mensch kommt, der ähnlich gewalttätig und niederträchtig ist.
Durch den Tod eines Feindes ist das Grundübel nicht beseitigt, den die Erfahrung lehrt, dass immer ein neues Grundübel nachkommen kann und auch sehr wahrscheinlich wird.
Mit dem ‚Tod meines Feindes‘ wird die Welt also nicht automatisch besser.

Das Bessere erwählen

Ein ‚hörendes Herz‘, dass Sálomo befähigt, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, das ist die einzige Bitte Sálomos.

Welche Bedeutung hat das ‚Herz‘ im Alten Testament (AT)?

Dazu möchte ich aus einem Aufsatz zitieren:

“ …Salomo bittet als König um ein „hörendes Herz“ und damit ist Verstand und Einsicht in die Ordnung der Schöpfung ebenso gemeint wie die Fähigkeit zur Pflege kultureller Leistungen.
Salomo gilt deswegen als biblischer Inbegriff der Weisheit, weil er durch sein hörendes Herz das Volk einen und verbinden konnte, nämlich v.a. durch gerechte Gerichtsurteile (vgl. das salomonische Urteil 1 Kön 3,16ff.) (…)
Es ist deutlich geworden, dass im alten Israel das Herz nicht primär Sitz der Gefühle oder der Liebe ist. „In der Bibel ist das Herz vor allem der Sitz der Vernunft und des Verstandes, des geheimen Planens und Überlegens und der Entschlüsse.“
Die meisten Belege des hebräischen Wortes für Herz stehen im Zusammenhang von intellektuellen und rationalen Tätigkeiten….“

Quelle: Br. Karl M. Schnepps ofm, Das Herz im Alten Testament

Wenn wir diese Bedeutung des Herzens im Alten Testament zugrunde legen, dann erkennen wir, dass Sálomo (obwohl sehr jung an Jahren) intuitiv ‚verstanden‘ hat, worauf eine gute Regentschaft wirklich gründen sollte: auf Vernunft und Verstand, auf intellekturelle und rationale Tätigkeiten.


Wenn ich mir über diese Textstelle Gedanken mache, dann merke ich, dass sie auch heute große Bedeutung hat.

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Ob in Staat und Gesellschaft, ob in Religionen und Kirche: Weisheit und Vernunft sind wesentlich, damit wir in der heutigen Welt gut leben können.

Dabei müssen wir wahrscheinlich uns immer wieder neu orientieren und fragen, woran wir uns in unserem Leben fest machen wollen: an den vergänglichen Gütern, an oberflächlichen Wünschen oder an buchstäblich fundamentalen Eigenschaften, die die Grundlage für (soziale) Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Wohlstand bilden?

Wir dürfen uns als ChristInnen auch fragen, was diese Textstelle heute für uns als ChristInnen bedeutet?
Was macht das Wesen des Christentums aus?
Worauf kommt es an, wenn ich als ChristIn leben will? Was ist meine Berufung als ChristIn in der Welt?

Ich denke, von der Beantwortung dieser Fragen wird viel auch für eine Kirche der Zukunft abhängen.
Nicht ‚tote Steine‘ werden wesentlich sein, sondern ‚lebendige Steine‘!

„Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen,
zu einer Priesterschaft, die Gott geweiht ist und die ihm,
vermittelt durch Jesus Christus, Opfer darbringt,
Opfer geistiger Art, an denen er Gefallen hat,
nämlich den Opferdienst des ganzen Lebens…“

vgl. 1 Petrus 2,5

Nicht Kirchen und Gemeindezentren werden also wichtig sein, sondern unser gelebtes Christentum für die Welt.

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir uns auch gerade bei der Frage der strukturellen Veränderungen in der Kirche auf diese Aspekte christlicher Exitenz besinnen müssen.

Ist es nicht jetzt an der Zeit, dass auch wir Gott stärker den je um ein „hörendes Herz“ bitten?

Sie ahnen es! Ich meine: ja!


Herr, die Weisheit, die unsere Welt zum Guten verändern kann, ist nicht oberflächlich, sie neigt sich nicht dem Materiellen zu und sucht nach unvergänglichen Gütern und Gaben.
Schenke uns – wie Sálomo – ein hörendes Herz, damit wir das Gute vom Bösen zu unterscheiden lernen. Motiviere uns, als ChristInnen Sauerteig in der Welt und für die Welt zu sein, und
schenke uns Mitgefühl für die Menschen in unserer Zeit und die Fähigkeiten, die in dieser Welt heute so not-wendig sind.
(c) Gerd Wittka, 21.07.2020