Verwurzelt im Jetzt …

… der Verheißung entgegen (33. Sonntag im Jahreskreis – C – 2025)

Bild von Brigitte Werner auf Pixabay

Impuls zu 2 Thess 3, 7-12

Ich möchte Sie mit einer Frage beginnen – antworten Sie ruhig still für sich selbst:
„Was bedeutet für Sie ein unordentliches Leben?“

Vielleicht fallen Ihnen sofort Bilder ein:
Menschen, deren Alltag chaotisch ist.
Termine vergessen, die Wohnung unaufgeräumt.
Menschen, die unzuverlässig sind, ziellos durchs Leben gehen.
Menschen, die sich selbst und ihre Gesundheit vernachlässigen.
Menschen, deren Beziehungen zerbrechen, oder die mit Geld und Pflichten nicht klarkommen.

Ein Leben so kann oft Perspektivlosigkeit zeigen.
Perspektivlosigkeit heißt:

  • Man sieht keinen Weg nach vorn.
  • Alles wirkt sinnlos, ohne Ziel.
  • Hoffnung oder Pläne für die Zukunft fehlen.

Ich erlebe das oft in der Seelsorge, besonders in der psychiatrischen Klinik. Dort versucht man, den Menschen wieder eine Orientierung zu geben: Ein fester Tagesablauf, kleine Aufgaben, klare Strukturen – das kann Schritt für Schritt wieder Perspektiven eröffnen.

Und man sieht schnell den Unterschied:
Wer einen geregelten Alltag hat, übernimmt Verantwortung – für sich selbst, für andere.
Wer Ordnung findet – in Wohnung, Kleidung, Geld, Beziehungen – der gewinnt langsam wieder Sinn und Richtung. Sein Leben bekommt Orientierung und Stabilität.

Aber Paulus spricht hier nicht über solche alltäglichen Ordnungen.
Nein.
Die Menschen, an die er schreibt, hatten bereits ein klares Ziel.
Und doch wirkte ihr Leben auf Außenstehende oft „unordentlich“.

Warum?
Die Christinnen und Christen damals erwarteten die baldige Wiederkunft des Herrn.
Ihr Ziel war klar.
Ihr Blick war ganz darauf gerichtet.

Das hatte Folgen:
Die alltäglichen Dinge, die Arbeit, die Pflichten – alles rückte in den Hintergrund.
Warum noch schuften, Termine einhalten, sich mit weltlichen Sorgen beschäftigen, wenn alles bald endet?
Stattdessen widmeten sie sich der geistlichen Vorbereitung, der Vorbereitung auf das Kommen des Herrn.

Bild von PIRO auf Pixabay

Paulus erkennt die Gefahr:
Wer nur auf das Jenseits schaut, verliert leicht die Gegenwart aus den Augen.
Niemand weiß, wann die Wiederkunft geschieht.
Deshalb warnt er: Seid wachsam – und vergesst nicht das Hier und Jetzt.

So erinnert Paulus an das, was im Matthäus-Evangelium niedergeschrieben ist:
„Deshalb seid wachsam und haltet euch bereit! Denn ihr wisst weder an welchem Tag noch zu welchem Zeitpunkt der Menschensohn kommen wird.“ (vgl. Mt 25,13)

Und in der Apostelgeschichte lesen wir vor der Himmelfahrt Christi:
„ … Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.“ (Apg 1,6-7)

Die Botschaft ist klar: Glaube lebt mitten in der Welt.

Hoffnung auf das Kommende soll uns nicht von der Gegenwart ablenken.
Wir sollen weiter unser Leben gestalten, in christlicher Verantwortung für uns, die anderen Menschen und die ganze Schöpfung.
Die Hoffnung auf unsere gewisse Zukunft entbindet uns nicht von den Pflichten und den Verantwortungen der Gegenwart.
Denn so lange das Reich Gottes mit der Wiederkunft des Herrn nicht vollendet ist, bauen wir im Hier und Jetzt weiter an diesem Reich, mitten in den Irrungen und Wirrungen der hiesigen Welt.

Ein „ordentliches Leben“ bedeutet daher für Paulus mehr als Sauberkeit oder Pünktlichkeit.
Es bedeutet: Verantwortung, Struktur, Zielgerichtetheit – für sich selbst, für andere, im Blick auf Gott.
Es bedeutet, dass wir unsere Hoffnung nicht verlieren, aber unser Leben bewusst gestalten, hier und jetzt.

Paulus zeigt uns einen Weg:
Ein Leben, das nicht nur auf das verheißungsvolle Ende wartet, sondern mitten in dieser Welt gelebt wird, mit Sinn, Richtung und Hoffnung.




Wo ich bin …

… da ist mein Weg

Foto: Gerd A. Wittka, 2024

Kannst du dir vorstellen, durch dieses Dickicht zu laufen?
Also, ich meine damit einen bequemen Spaziergang zu machen?
Wenn ich da durch wollte, müsste ich sicherlich festes Schuhwerk anziehen. Und ich müsste vorsichtig und vorausschauend meine Füße setzen, damit ich nicht umknicke oder in irgendeine unvorhersehbare Senke stolpere.
Durch dieses Dickicht wäre es kein leichtes Fortkommen.

Wir Menschen würden oftmals sicherlich nach einem bequemeren Weg Ausschau halten.
Und das wäre vernünftig, wenn man nicht gerade auf einem Adventure-Trip ist.

Vielleicht ist es die Art des Menschen, oftmals den leichteren und bequemeren Weg zu suchen und zu nehmen.

Doch bei Tieren ist das anders.
Wege zu benutzen, würde sie eher gefährden, weil sie dann sichtbarer und leichtere Beute wären.

Vor einigen Tagen fand ich in diesem Dickicht einen Fasan, der dort nach Körnern pickte.
Und einen Tag später schritt durch dieses Dickicht gemächlich ein Rehbock. Er ging recht langsam, wirkte nicht, wie auf der Flucht zu sein.
Aber von hier aus hätte er auch unverzüglich die Flucht ergreifen können und hätte sich dabei nicht unsicher in diesem Gelände gefühlt.

Als ich diese Beobachtungen meditierte, fiel mir das Wort am Anfang dieses Blogbeitrags ein:

„Wo ich bin, da ist mein Weg!“

Was wäre, wenn wir nicht immer zuerst nach den bequemeren und leichteren Wegen in unserem Leben Ausschau halten würden?
Was wäre, wenn wir dort unseren Weg vermuten und annehmen würden, wo wir gerade sind, egal wie das Gelände beschaffen ist?
Was wäre, wenn wir nicht alle Aufmerksamkeit unseres Lebens darauf verwenden würden, es möglichst sicher, bequem und behaglich zu haben und dann frustriert werden, wenn es anders kommt?
Was wäre, wenn wir unser Leben so annehmen würden, wie es ist und es als den Weg verstehen würden, wo wir hingestellt sind?
Was wäre, wenn wir dort unseren Weg sähen, wo wir gerade sind und wo uns das Leben hingestellt hat?



Beim Propheten Jesaja lesen wir das Wort:

(Jesaja 48,17)

Dann ist unser ‚Weg‘ vielleicht kein bequemer und kein gut ausgebauter Weg; keine Schnellstraße des Lebens, über die man komfortabel cruisen könnte.
Dann könnte ‚mein Weg‘ eine Strecke durch unwegsames Gelände sein.

Um solche Wege gehen zu können, ist eine gewisse Erfahrung und Übung erforderlich.
Dann vermag ich mitunter solche Wege festen Schrittes – wie ein junger Rehbock – beschreiten zu können, der lieber querfeldein seine Wege sucht, als auf festen Pfaden.

Feste Pfade könnten uns zu ‚falschen‘ Orten führen.

Festgelegte Pfade führen uns nur an Orte und zu Punkten einer (Lebens-)Landschaft, die andere vor uns für uns angelegt und somit ‚ausgesucht‘ haben.
Aber diese könnten nicht die Orte sein, zu denen wir hin unterwegs sind.
Sie könnten nicht unsere Lebens-Ziele sein!
Sie können manchmal so etwas wie die Transitstraßen zur Zeiten der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nach Berlin sein: sie führen nur in eine ganz bestimmte Richtung. Abweichen von dieser vorher festgelegten Strecke ist strengstens und unter Strafe verboten.

‚Unsere Orte‘, die wir in unserem Leben erreichen sollen, könnten vielmehr abseits von ausgetretene oder vordefinierten ‚Transitstrecken‘ liegen.

Wenn unsere Lebens-Wege uns in unbekanntes, unwegsames und schwieriges Gelände führen, könnte es dann nicht sein, dass diese Nicht-Wege uns an Orte unseres Lebens führen, die nicht in den Vorstellungen anderer Menschen zu finden sind?

Indem ich diese Zeilen schreibe, muss ich natürlich auch den Blick darauf werfen, was solche unbequemen, unkomfortablen oder sogar gefährlichen Wegstrecken sein können.
Es können die großen Herausforderungen des Lebens sein, die gekennzeichnet sind von großen Prüfungen und Strapazen, von Schmerz und Enttäuschung, von Leid und Widersinn, … letztendlich von Sterben und Tod.
Es können diese Art Wege sein, auf die man eigentlich nicht freiwillig gehen wollte, wenn man wüsste, was einen erwartet.

Doch das Leben lehrt uns, dass wir nur in wenigen Fällen es selber und allein zu entscheiden haben, welche Wege wir einschlagen.

Welche Wege uns das Leben weist, nennen die einen Schicksal oder Zufall; andere – zum Beispiel gläubige Menschen – sehen darin das Mitwirken Gottes.

Denn – auch davon bin ich überzeugt – alle unsere Wege werden nicht allein von Gott festgelegt.
Es liegt immer auch etwas an uns, welche Wege wir gehen werden. Oder, wie es Johannes Bours mal formuliert hat:

Gleichnamiger Titel des Buches von Johannes Bours, Leipzig. St. Benno,1986.

Und wenn dieser Glaube noch dazu von der Überzeugung gelebt wird, dass Gott im Letzten nur unser Heil und unseren Segen möchte, dann sind solche – vielleicht unverständlichen – Wege, die guten Wege, die Gott uns weist, oder wie es der Beter im 86. Psalm ausdrückt:

Psalm 86, 11




Labyrinth

Foto: www.pixabay.com

Labyrinth

Ein Labyrinth ist

kein Irrweg

es gibt keine ‚falschen‘ Wege
man wird sich nicht verlaufen
es gibt keine Sackgassen.

Vieles an einem Labyrinth ist

scheinbar

scheinbar führt der Weg manchmal direkt zum Ziel
scheinbar bewege ich mich kein Stückchen weiter auf das Ziel zu
scheinbar entferne ich mich sogar manchmal vom Ziel

scheinbar

Labyrinth von Chartres, Quelle: www.pixabay.com

sicher ist

der Weg eines Labyrinths
führt
immer
zum

Ziel!

( © Gerd Wittka, 16.08.2021)