Martin ist Protestwähler und stolz darauf, dass er es den etablierten Parteien 2025 so richtig gezeigt hat. Obwohl er schnelle, schwere SUV liebt, ist er heute zu Fuß in seiner Stadt unterwegs. Sein Wagen ist kaputtgegangen. Die Werkstatt versucht seit Wochen, das benötigte Ersatzteil zu bekommen. Er hätte sich lieber ein deutsches Modell kaufen sollen, denkt er. Das mit dem koreanischen Fahrzeug war keine gute Idee gewesen. Er läuft an einem Laden vorbei, dessen Schaufenster vor 3 Jahren zerdeppert worden waren. Jetzt sind Glaser an der Arbeit, die die Schäden von damals reparieren. Früher war hier ein Asia-Imbiss, geführt von einer vietnamesischen Köchin. Das Essen war immer sehr lecker gewesen, aber die ehemalige Eigentümerin und ihre Mitarbeiter wurden nach Nordafrika deportiert. Der Dönerladen nebenan zeigt noch Brandspuren und die Pizzeria findet keinen neuen Pächter. Zum Glück gibt es die Wurstbude. Er kauft sich eine Currywurst, schön fettig, so wie er es mag.
Martin wandert weiter. Früher war hier weniger Leerstand, glaubt er. Na ja, wer braucht schon ein Thai-Nagelstudio mit angeschlossener Massage? Oder das von einer Türkin betriebene Reisebüro? Das von einemchinesischen Paar geführte Bekleidungsgeschäft vermisst er doch. Früher hat er hauptsächlich dort eingekauft. Aber es gibt noch Lichtblicke. Beim ehemaligen Inder ist ein neues Restaurant eingezogen. Deutschnationale Küche verspricht die Leuchtreklame über der Tür. Schweinebraten mit Sauerkraut und Kartoffeln. Das ist doch auch lecker. Obwohl gerade darüber diskutiert wird, Lebensmittel mit Migrationshintergrund zu verbieten. Dann halt ohne Kartoffeln.
Martin beschließt, nach Hause zu laufen, der Busverkehr wurde vor 2 Jahren eingestellt. Dort wo vor dem Politikwechsel Fahrpläne hingen, hängen nun Zettel: »Wir suchen dringend Fahrer und Ersatzteile«. Schon blöd.
Leider sind die Fabriken fast alle pleite, denn ohne Fachkräfte … Na ja, hilft ja nichts. Vor ein paar Jahren haben die da oben Millionen Arbeiter mit Migrationshintergrund nach Nordafrika deportiert. Vielleicht war das doch keine gute Idee gewesen. Was weg ist, ist weg.
Einige Tage später
Martin geht es nicht gut, er muss zum Arzt. Früher war alles besser, denkt er und macht sich auf den Weg. Sein ehemaliger Hausarzt hatte seine Praxis nur ein paar Meter die Straße runter gehabt. Der war Syrer. Oder aus Marokko? Da ist sich Martin nicht sicher. Der freundliche Doktor, der vor einem Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen war, ist ja wieder zu Hause. Fünf Kilometer weiter praktiziert ein deutscher Arzt. Als Martin die lange Schlange vor der Praxis sieht, fällt ihm vor Schreck das Smartphone aus der Hand. Das Glas zersplittert auf dem Asphalt. Mist. Gäbe es doch nur noch diese Reparatur-Shops. Trotz der Bauchkrämpfe, die ihn nun immer stärker heimsuchen, wankt er in die Notaufnahme des etwas weiter entfernt gelegenen Krankenhauses. Dort löst er eine Wartenummer. Er hat die Nummer 2.345. Auf der Anzeige steht 1.898. Vielleicht, so denkt sich Martin, hätte ich doch nicht die AfD wählen sollen.
Meine Geschichte darf gerne geteilt und viral im Netz verbreitet werden! Ich erkläre sie zum gemeinfreien Gedankengut.
Ich danke Uwe Grießmann sehr herzlich für die Erlaubnis, diese Geschichte teilen zu dürfen!
Sing‘
für die Zukunft
Nach Sturm, Donner, Blitze, Regen und apokalyptisch anmutenden Zuständen
sitzt eine Amsel früh morgens im leichten Morgenregen hoch oben auf einem Baum und
singt, singt, singt …
Was für eine Energie! Was für ein Vertrauen in die Zukunft!
Das wirkt ansteckend und anregend auf mich!
Danke, liebe Schwarzdrossel für deinen Beitrag gegen meinen ‚morning blues‘!
Lasst die Hoffnung nicht fahren …!
„Eine Hülle verhüllt alle Völker und eine Decke bedeckt alle Nationen!“ (vgl. Jes 25, 6-10a)
Erinnern Sie sich an die Worte aus der heutigen Lesung? Jesaja benutzt dieses Bild.
Heute, fast 3.000 Jahre nachdem dieser Text geschrieben wurde, kann ich dieses Bildwort des Jesaja – leider – auch noch nutzen! • Es liegt eine Hülle von Hass und Gewalt über den Völkern dieser Erde. • Eine Decke aus Naturkatastrophen, aus Hunger, Leid und Tod bedeckt die Nationen! Es scheint heute nicht anders zu sein, als zu den Zeiten des Jesaja.
„Ja, wird das denn niemals enden?!“ so sagte mir am vergangen Dienstag jemand im Krankenhaus: „Ich kann es nicht mehr ertragen,diese Nachrichten und Bilder aus der ganzen Welt; dem Krieg in der Ukraine, die terroristischen Massaker der Hamas in Israel, Bürgerkriege in anderen Ländern, noch dazu die ganzen Katastrophen und Klimakrisen und dann auch das Leid hier der Menschen, der Patient:innen! Und dann noch die menschenfeindliche Ideologie der rechtsnationalen Menschen und Parteien! – Ich kann es nicht mehr ertragen!“
Sie spricht sicherlich vielen von uns aus der Seele. Unerträglich scheint es zu sein, die Zeit, in der wir leben. Unerträglich schien auch damals die Zeit gewesen zu sein, in der Jesaja seinen heutigen Text hineingeschrieben hat. Darin liegt der Grund für diesen Text! Der vermeintlichen Unerträglichkeit unseres Seins will Jesaja ganz bewusst etwas entgegen setzen.
Das ist so, wie diese Woche beim Morgenmagazin: man hat ganz bewusst gute Nachrichten mit ins Programm genommen. Gute Nachrichten in scheinbar unerträglichen Zeiten sind keine Vertröstungen oder Übertünchen irgendwelcher Realitäten. Sie sind das notwendige Korrektiv, um unsere Psychohygiene in Balance zu halten.
Wer mag in solchen Zeiten schon ans Feiern denken?
Doch genau das nimmt Jesaja in den Blick: „An jenem Tag wird der Herr der Heerscharen für alle Völker ein Festmahl geben. „ (Denn) ER hat den Tod für immer verschlungen und Gott, der Herr, wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen. … An jenem Tag wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, auf ihn haben wir gehofft, dass er uns rettet. Das ist der HERR, auf ihn haben wir gehofft!“
Wir Menschen brauchen Perspektiven und Visionen, aber nicht, um uns von der Realität abzulenken, sondern um die Hoffnung nicht zu verlieren. Denn die Hoffnung ist die Kraft, die uns motivieren kann, trotz aller Herausforderungen und Widerlichkeiten des Lebens nicht die Hände in den Schoß zu legen. Menschen mit hoffnungsvollen Zukunftsperspektiven braucht es gerade in diesen Zeiten, jedoch keine billige Vertröstung auf die Zukunft, erst recht nicht aufs Jenseits!
Jesaja ist von der Hoffnung erfüllt, dass es bessere Zeiten geben wird und dass diese Zeiten von Gott heraufgeführt werden. Aber er sagt auch deutlich, dass die jetzigen Zeiten völlig andere sind. Der Dienst und die Botschaft des Jesaja sind so lebensnotwendig. Sie nimmt die Gegenwart realistisch in den Blick; sie sagt ‚noch‘ ist es nicht so weit.
Wir leben noch in der Zeit vorher, das ist unübersehbar, mit vielen Grenzen, Unklarheiten und Todesmächten. Wir hoffen noch. Und darin will er ermutigen: die Hoffnung nicht fahren zu lassen.
Die Sendung von uns Christ:innen in dieser Zeit könnte sein, dass wir Jesaja nacheifern und wir uns gegenseitig und auch anderen Hoffnung zusprechen. Hoffnung zu machen, bedeutet dann: in unserem Leben bewusst Kontrapunkte zu setzen! Solche Kontrapunkte müssen nicht immer großartig sein.
Ich erinnere mich da z.B. an eine Begegnung mit einem psychiatrischen Patienten in dieser vergangenen Woche. Das Leben dieses Menschen war geprägt von Resignation, von Schwarzseherei und Verzweiflung, dass die Gesundung nicht voranschreitet. Dann sein fatale Gedanke – die Angst – dieses Leben vielleicht mal leid sein zu würden; die Angst vor Suizidgedanken! Vor meinem Urlaub ging es diesem Menschen besser und ich dachte, dass es jetzt nur noch bergauf gehen würde. Doch das Gegenteil war eingetreten. Auch ich war da sprachlos. Bei dieser Begegnung konnte ich nur da sein, diesem Menschen Raum geben, von seinem Leid zu reden. Und nach gut dreiviertel Stunden erlebte ich eine Veränderung: die Tränen versiegten, die Atmung wurde entspannter, Ruhe kehrte ein. Die Herausforderungen waren aber geblieben. Sie waren immer noch da, nicht weggeredet oder übertüncht. Sie standen – vielleicht klarer als vorher – im Raum.
Und dennoch ist für den Augenblick so etwas zurück gekommen, wie Ruhe und Frieden.
Ich bat diesen Patienten, nur in diesem Augenblick des inneren Friedens zu bleiben, ihn auszukosten. Denn nur dieser Augenblick zählte gerade. Für einen Augenblick war die Angst gewichen.
Solche Augenblicke können auch die Hoffnung stärken. Einen Augenblick lang zu erfahren, dass man das Leid tragen kann, kann die Hoffnung stärken, dass es in Zukunft immer wieder solche stärkenden Augenblicke gibt. Solche noch so unscheinbare Augenblick sind heilvolle Augenblicke.
Einen Augenblick mal nicht sagen zu müssen: „Ich kann es nicht mehr ertragen…!“, das könnte manchmal der heilsamste Augenblick in momentaner Lebenssituation sein. Vielleicht ist es nicht viel, aber in solchen Augenblicken ist es alles!
Alle Bilder: www.pixabay.com
Kassenloses Einkaufen …
… und die Zukunft der Kirche
Heute sah ich einen TV-Bericht, wie in einem deutschen Bahnhof ein Pilotprojekt läuft. Es geht um ein kleines Geschäft, in dem die Kund:innen kassenlos einkaufen können. Wer sich zuvor über eine Smartphone-App registriert hat, bekommt den Zugang zum Laden und kann sich seine Ware einfach so in die eigene mitgebrachte Tasche stecken. Wenn dann alles ‚gekauft‘ wurde, verlässt die Kundin/der Kunde einfach den Laden, ohne sichtbar zu bezahlen. Die Erfassung der gekauften Ware erfolgt über Kameras und die Bezahlung online und bargeldlos.
Dieser Bericht endete dann jedoch mit einem gegenteiligen Beispiel:
In einer Kleinstadt gibt es einen Supermarkt, in dem es eine ‚Plauder-Kasse‘ gibt. Hier können sich Kund:innen nach alter Tante-Emma-Laden-Sitte einen Plausch mit der Kassiererin gönnen, ohne dass gleich andere Kund:innen dahinter stehen und nervös werden. Denn: wer sich an diese Kasse stellt, darf (und muss) sich zwangsläufig etwas mehr Zeit lassen (wollen). Hier wird der persönliche Kund:innen-Kontakt groß geschrieben.
Vorbild für heutige Kirche?
Und was haben diese Shopping-Beispiele nun mit der Kirche zu tun? – Soll die Kirche der Zukunft etwa so eine Art ‚Selbstbedienungsladen‘ sein? (Manche haben schon seit vielen Jahren die ‚Sorge‘, dass das passieren könnte. Ob die Sorge aber berechtigt ist, ist noch nicht beantwortet.)
Ich erkenne an diesen Shopping-Beispielen etwas, was durchaus auf die Kirche übertragen werden kann.
Denn: die Menschen in der Kirche sind keine homogene Gruppe. Die Menschen kommen mit unterschiedlichen Biographien und Glaubenserfahrungen in unser kirchliches Leben (wenn sie denn noch kommen!). Und sie haben auch unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse, gerade was die spirituelle Dimension ihres Lebens angeht.
Manche sind wie die Kund:innen in diesem kassenlosen Laden. Sie sind registrierte Mitglieder und in bestimmten Phasen ihres Lebensweges kommen sie an diesem kassenlosen Geschäft vorbei und denken sich: „Ach, da kann ich ja noch etwas Proviant für meine Reise mitnehmen. Aber ich will das buchstäblich im Vorbeigehen und auch ohne großen Aufhebens erledigen!“ Für solche Menschen ist dieses kassenlose Geschäft sicherlich situativ die richtige Lösung, um ihre Anliegen und Bedürfnisse zu ihrem Recht kommen zu lassen. Ähnliche Ansprüche und Bedürfnisse finden wir auch bei vielen Menschen, die die Angebote unserer Kirche nutzen wollen.
Und dann gibt es jene, die verbinden mit dem Shopping (um im obigen Beispiel zu bleiben) viel persönliche Begegnung und auch den Austausch mit anderen. Sie wollen nicht anonymisiert durch den Laden ‚cruisen‘. Sie möchten wahrgenommen werden; vielleicht schon von Anfang an am Eingang persönlich begrüßt werden. Und sie möchten Ansprechpartner:innen haben, wenn sie ein bestimmtes Produkt suchen, es aber nicht finden. Am Ende möchten sie auch nicht so stickum den Laden verlassen. Sie möchten sich bis zum Ende begleitet wissen durch menschlichen Kontakt, der sich nicht auf das rein Formale beschränkt, sondern zu einem Ort der persönlichen Begegnung und Beziehung wird.
Es ist ein Leichtes, dieses letzte Beispiel auf die Bedürfnisse vieler Menschen zu übertragen, die die Dienste der Kirche nicht nur gelegentlich in Anspruch nehmen wollen. Wir persönlich kennen viele von denen, die ihr Glaubensleben in und mit der Kirche als ein ganzheitliches Geschehen verstehen, dass auch sehr persönlich ist. Sie verbinden das kirchliche Leben mit einer sehr persönlichen Beziehungserfahrung, wo ihnen buchstäblich „An-sehen verschafft“ wird durch Menschen und nicht durch seelenlose Scan- und Überwachungskameras!
Kirche als Dienstleisterin
Bei diesem Schlagwort werden sicherlich einige Katholik:innen zusammen zucken! Kirche ist doch keine Dienstleisterin, sagen sie. Kirche sie eine Gemeinschaft von Menschen, die an Jesus Christus glauben! Theoretisch und theologisch haben sie Recht!
Doch was nützt eine solche formale Gemeinschaft, wenn Menschen sie nicht als Gemeinschaft erleben und erfahren, sondern eigentlich nur als eine Institution oder Organisation, noch dazu, die Aussagen macht, die ihr persönliches Leben ziemlich direkt betrifft?!
Ich habe zunehmend die Sorge, dass unsere Kirche mehr und mehr gefährdet ist, menschlich apathisch zu sein!
Dabei brauchen wir gar nicht auf die Spitze der Kirche in Rom oder auch auf Bistumsleitungen zu zeigen. Bereits bei uns in den Pfarreien liegt das Problem. Ich könnte hier sehr konkrete Beispiele aus der Nähe nennen. Ein wichtiges Thema ist z.B. das Thema ‚Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit in der Pfarrei‘, weitere Themenkomplexe wären die Behandlung von Themen, die eine Alltagsrelevanz für die Menschen betreffen, wie:
‚Sexualität und Glaube‘,
medizin-ethische Fragen bei existentiellen Behinderungen, Erkrankungen oder am Lebensende,
geistliche Begleitung von Einzelpersonen,
Förderung geistlicher oder gemeinschaftsstiftender Initiativen,
moralische Verantwortungsübernahme zur Gestaltung von Gesellschaft und Staat
Integrationsförderung von Menschen unterschiedlicher Ethnien, Religionszugehörigkeiten oder Weltanschauungen in das lokale Lebensumfeld,
sozial-caritatives Engagement im Stadtteil …
Stattdessen:
Wir machen und tun, organisieren und veranstalten: doch all das wirkt ritualisiert und vielleicht sogar hohl, wenn etwas nicht mehr im Zentrum unseres kirchlichen Lebens steht:
Der Mensch als Individuum mit seinen eigenen und sehr persönlichen Ansprüchen, Erwartungen und auch existentiellen geistlichen Sehnsüchten, die einher gehen mit ganz elementaren menschlichen Bedürfnissen.
Erinnern wir uns noch an die Worte Jesu, wenn Menschen zu ihm kamen und ihn um Hilfe und Heilung baten?
„Was willst DU, das ich DIR tue?“ (vgl. Lk 18,41)
Diese Frage muss auch zur Leitfrage all unseres kirchlichen Lebens und Handelns werden. Sonst kann kirchliches Leben in einer zunehmenden säkularen Gesellschaft weder Sauerteig noch Salz der Erde sein.
Bilder – wenn nicht näher angegeben: www.pixabay.com
Nachtrag:
Aus gegebenem Anlass und angesichts der erschreckenden Meldung über die noch nie dagewesene Austrittswelle in unserer katholischen Kirche möchte ich hier meine Einleitung zum sonntäglichen Gottesdienst widergeben.
Warum sind wir heute eigentlich hier? Die Nachrichten der letzten Tage über die nie da gewesene Austrittswelle aus der katholischen Kirche lässt diese Frage berechtigt erscheinen!
Warum bin ich heute hier? Was suche ich, im Gottesdienst und in der Gemeinschaft hier?
Benedikt beschreibt als wichtigste Voraussetzung zur Aufnahme in den Orden, dass der Bewerber „Gottsuchender“ sein muss, nicht mehr aber auch nicht weniger.
Gott zu suchen, sich von ihm für unseren Alltag inspirieren zu lassen, kann eine Grund sein, warum wir trotzdem hier und nicht „eigentlich noch hier“ sind.
Gerd Wittka, Einleitung zur Eucharistiefeier am 13. Sonntag im Jahreskreis – A – 2023
Jesus Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!
Das ist die Botschaft der heutigen Nacht – unzählige Male von uns gehört und gefeiert.
Wenn ich nun reihum fragen würde, was wir in Erinnerung haben von den Auferstehungsberichten, dann würden wir eine Fülle verschiedener Variationen hören – und die meisten davon wären wahrscheinlich auch biblisch begründet.
Und doch fällt bei näherer Betrachtung auf, dass die Evangelisten sehr unterschiedlich von der Auferstehung berichten.
[Anmerk.: Wieder ein Anlass, der uns darauf aufmerksam macht, dass wir die Bibel nicht wortwörtlich nehmen dürfen, denn sonst würden sich Widersprüche ergeben; Widersprüche, die – nähmen wir die Bibel wortwörtlich – ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen würde.]
Vielleicht erinnern Sie sich an die Auferstehungserzählung bei Johannes. Da kommen die Frauen zum Grab und fragen sich, wie sie wohl den Stein vor dem Grab wegbekommen, damit sie Jesus salben können. Doch als sie ankommen, ist der Stein schon weggewälzt und sie haben die Begegnung mit dem Engel, den sie aber zuerst als solchen nicht erkennen.
Heute möchte ich das Zeugnis der Auferstehung, wie es bei Matthäus steht, etwas genauer in den Blick nehmen.
Hier bei Matthäus ist es anders.
Maria aus Magdala und die andere Maria kamen zum Grab. Das Grab war immer noch das Grab, verschlossen …! Die Wächter stehen immer noch davor.
Erst dann kommt es zu einem „gewaltigen Erdbeben“, weil ein Engel des Herrn vom Himmel herabkam. Dieser Engel tritt an das Grab und wälzt dann erst den Stein weg. Die Wächter „waren (auf einmal) wie tot“.
Der Engel verkündet die Auferstehung und offenbar sehen es die Frauen auch, dass Jesus nicht mehr ‚im Grab‘ ist. Dann eilen sie zu den Jüngern zurück, um zu berichten und auf dem Weg dorthin begegnen sie zum ersten Mal dem Auferstandenen.
Mir fallen einige Aspekte auf, die ich gerne erwähnen will:
Das Grab Jesu ist so, wie es verschlossen wurde, als Jesus dort beigesetzt wurde. Die Wächter machen ihren Dienst und offenbar ist nichts Bemerkenswertes passiert, bevor die Frauen kamen. Und doch wissen wir in der Rückschau der Erzählung, dass Jesus bereits von den Toten auferstanden sein musste, als sie zum verschlossenen Grab kamen. Hier verlässt also Jesus nicht das Grab, indem er den Stein wegwälzt. Das erinnert mich an das Osterlied, in dem es heißt: „ihm kann kein Siegel, Grab noch Stein, kein Felsen widersteh’n …“. Auch der Stein vor dem Grab ist für seine Auferstehung kein Hindernis. Seine Auferstehung ignoriert die Sperren, die für uns Menschen als unüberbrückbares Hindernis gelten.
Jesu Auferstehung geschieht geradezu unspektakulär und unauffällig.
Jesu Auferstehung geschieht nach Matthäus unscheinbar, unauffällig, unspektakulär. Er beschreibt die Auferstehung Jesu, indem er sie nicht beschreibt. Er spricht von der Auferstehung als von einem Ereignis, dass nicht wahrgenommen wird. Und deshalb wird es auch heute noch von Vielen für nicht wahr angenommen. Denn für viele gilt das heute noch als wahr, was wahrgenommen wird.
Für die Frauen indes kommt es ganz anders.
Die Frauen kommen zum verschlossenen Grab. Die Wächter sind davor. Doch auf einmal geschieht etwas, das sie wie ein „gewaltiges Erdbeben“ wahrnehmen. Jesus ist bereits auferstanden, aber die Erkenntnis darüber trifft die Frauen mit voller Wucht, wie ein Erdbeben. In den letzten Wochen haben wir erfahren, wie gewaltig die Wucht von Erdbeben sein kann. Erdbeben können verheerend wirken, kein Stein bleibt mehr auf dem anderen, die alte Welt wird zerstört und dem Erdboden gleich gemacht. Erdbeben besitzen eine zerstörerische, auch leidstiftende Macht, wie wir immer wieder auch erfahren müssen. Erdbeben können alles ins Wanken bringen oder einstürzen lassen, nicht nur Gebäude aus Stein, sondern auch ganze Lebensentwürfe und Zukunftsperspektiven. Von einem Augenblick auf den anderen ist nichts mehr, wie es war.
Die gläubige Erkenntnis, dass Jesus nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden ist, wirkt auf die Frauen wir ein gewaltiges Erdbeben. Ihr bisheriges Leben wird in den Grundfesten erschüttert oder sogar zum Einsturz gebracht. Ihre Trauer um den Tod des geliebten Herrn und Meisters ist wie verflogen, denn „voll großer Freude“ verließen sie das Grab und eilten zu den Jüngern.
Wer vom Glauben an die Auferstehung ergriffen ist, für den stellt sich das eigene Leben ganz neu dar. Altes und Bisheriges wird umgekrempelt, verliert buchstäblich seine Daseinsberechtigung, liegt in Schutt und Asche. Und der Blick wird auch buchstäblich frei auf das Neue, auf die Zukunft, auf die Möglichkeiten, die das neue Leben bereit hält.
Nicht Trauer, Traurigkeit und Mutlosigkeit haben das letzte Wort, sondern die Verheißung, sich die Auferstehung immer wieder zu vergegenwärtigen, in dem wir Jesus mitten in unserem Leben als den Auferstandenen erkennen und glauben.
Es macht mich immer noch kleinlaut und in gewisser Weise sprachlos, wenn ich über die Auferstehung nachdenke.
Das heutige Evangelium macht mich darauf aufmerksam, dass Auferstehung durchaus auch ganz unauffällig und unscheinbar mitten in unserem Alltag geschieht und dann bereits angebrochen ist, selbst wenn wir nur das Grab, das Symbol für Tod, Leid und Trauer vor Augen haben.
Doch wenn die Botschaft Gottes über die Auferstehung uns erreicht – sei es durch ‚Engel‘ oder das Wirken des Heiligen Geistes -, dann kann diese Botschaft unser ganzes Leben aus den Angeln heben und zu einer fundamentalen Veränderung in unserem Leben führen.
dann wird aus Furcht: Hoffnung aus Leid: Mitleid aus Trauer: Freude aus Lethargie: Handeln aus Schweigen: Anklage aus Egoismus: Solidarität aus Krieg: Frieden!
Wir sehr wünsche ich uns und der ganzen Welt, dass uns eine solche Erkenntnis der Auferstehung trifft, die die Kraft hat, die Welt zu verwandeln: unsere kleine Welt aber auch die ganz große!
Stille und Wille
oder: warum Josef Gottes Botschaft ‚hören‘ konnte (Impuls zum 4. Advent 2022)
Sieben Monate nahm Henri Nouwen am Leben der Mönche im Trappistenkloster Genesee Abbey im Staat New York teil. Er unterstellte sich den Lebensregeln der Mönche, dem Schweigen, der Handarbeit, dem Gebet und der Führung des Abtes. Daraus ist ein Buch entstanden, einer der Klassiker der Spiritualität: „Ich hörte auf die Stille!“ Ebenfalls stammt aus seiner Feder das Buch: „Gebete aus der Stille. Den Weg der Hoffnung gehen.“
Allein die Titel beider Bücher nehmen ein Thema in den Blick, das in wenigen Tagen – zumindest in Literatur und Liedern – einen hohen Stellenwert einnehmen wird.
Bald werden wir wieder die Lieder singen wie: „Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See….“ oder „Still, still, still, weil’s Kindlein schlafen will…“ oder der Klassiker: „Stille Nacht, heilige Nacht….“
Ob die Bücher von Henri Nouwen oder die weihnachtlichen Lieder: sie handeln von der Stille. Und das erscheint paradox, wo doch die Vorweihnachtszeit und auch die Weihnachtstage eher für viele von uns lebhaft und weniger still sein werden – manchen Familienkrach mit eingeschlossen!
Was ist das für eine Sehnsucht, der wir dann doch eher vergeblich hinterher eilen?
Ich denke, es ist eine Sehnsucht, die die Stille als Ort oder Zeitpunkt benennt, wo wir mit der Wahrheit unseres Lebens konfrontiert werden und zugleich zu Erkenntnissen kommen können, die unser weiteres Leben prägen werden.
Auch ‚Exerzitien‘, die geistlichen Auszeiten, zumal die „Schweige-Exerzitien“, sind aus diesem Bewusstsein heraus entstanden.
Ins Schweigen zu gehen, die Stille aufzusuchen, kann zu einer Quelle wichtiger Erkenntnis werden.
Aber zugleich wird manchen von uns angst und bange, weil das Schweigen und die Stille immer auch Konfrontation bedeuten kann, mit dem, was wir lieber vergessen wollen, was uns unangenehm ist oder sogar schmerzlich für uns ist.
Das Schweigen und die Stille wirft uns auf uns selber zurück und auf unsere Lebens-wirklichkeit, also auf das, was in unserem Leben Wirkung zeigen kann, wenn wir dem Raum geben.
Auch von Jesus wissen wir, dass ER die Stille aufgesucht hat, um sich Klarheit zu verschaffen. Und da kommt er aus ‚gutem Hause‘. Denn das heutige Evangelium berichtet uns, dass auch sein Ziehvater Josef um den Wert und die Bedeutung der Stille wusste.
In der Stille und im Schweigen können wir unser Herz und unser ‚inneres Gehör‘ öffnen für Gottes Wort. In der Stille können wir zu Erkenntnissen kommen, die unser ganzes Leben verändern können. In der Stille können wir zur echten Gottesbegegnung kommen.
Nach damaligen menschlichen und gesellschaftlichen Regeln war die Nachricht, die Josef empfangen hat, ein Fiasko: Seine Verlobte ist schwanger. Kann ja mal passieren, könnten wir einwenden. Aber nicht vom Bräutigam selber und nicht durch einen anderen Mann. Auch das könnte passieren. Nein, sie wurde schwanger durch die Kraft des Höchsten!
Das, in der Tat passiert nun wirklich nicht so häufig!
Doch Josef rastet nicht aus, verliert nicht den Kopf, aber gesteht sich aus Liebe zu Maria zu, sich eine Auszeit zu nehmen, nicht nur eine geistige sondern auch eine geistliche Auszeit zu nehmen. Er nimmt sich eine Auszeit, in der er auch ganz bewusst Abstand nimmt von Regeln und Konventionen. Er macht seinen Kopf frei, er macht seinen Bauch frei von allen negativen Gefühlen und somit macht er sich frei für Gott.
Josef geht in die Stille und beginnt nachzudenken. Er hört auf die Stille und begegnet in der Stille, in einem Traum, dem Anruf Gottes in seinem Leben. Er wird offen für das, nicht was die Menschen wollen, sondern was Gott will. Und so kann er die Konventionen brechen und bricht nicht mit seiner Braut, sondern nimmt sie und ihr Kind – welches nicht seines ist – an und nimmt damit Gottes Willen an.
Das zeigt mir: Das Schweigen und die Stille vermag uns mit DEM in Verbindung bringen, DER wirklich eine wichtige zukunftsfähige Botschaft für uns hat.