Johannes der Täufer

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Ein Mann, der von sich selber absehen kann

„Als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu Johannes sandten mit der Frage: Wer bist du?, bekannte er und leugnete nicht; er bekannte: Ich bin nicht der Messias!“ ( Joh 1, 19b-20)

Heute lese ich diese Textpassage im Tagesevangelium.

Und wieder stocke ich bei diesem Dialog. Irgendwas weckte meine Aufmerksamkeit.

Und dann fiel mir auf: die Gesandten fragen Johannes danach, wer er sei?

Jetzt hätte Johannes die Gelegenheit zur Selbstdarstellung gehabt; er hätte alle seine Leistungen aufzählen können und was er schon erreicht hatte. Er hätte erzählen können, wie wunder- und sonderbar die Umstände seiner Geburt gewesen sind und dass man damals schon voller Erstaunen und Verwunderung gefragt hat, was aus diesem Kind wohl werden würde. (vgl. Lk 1,66)

Aber: anstatt auf Selbstdarstellung bedacht zu sein, erleben wir hier Johannes den Täufer als jemanden, der sehr aufmerksam ist, der zuhört, der sich umschaut und der nach dem Ursprung der Frage fragt, wer er denn sei?

Als aufmerksamer Mensch erkennt Johannes offenbar sehr schnell, dass auch die Priester und Leviten damals hofften, dass der Messias kommen würde, der sie auch von der Fremdherrschaft Roms befreien würde.
Das war damals wohl eine zentrale Sehnsucht aller gläubigen Juden gewesen.

Johannes entdeckt also die Frage hinter der Frage. Er merkt, dass die Menschen ihn nicht fragen, wer er sei, um ihn – Johannes – näher kennen zu lernen, sondern er versteht sofort, dass es nicht um ihn geht sondern um die Suche nach dem Messias.

Selber Jude, weiß Johannes um die Bedeutung dieser Frage.

Aber Johannes ist klug genug, die Frage nicht oberflächlich zu verstehen, sondern den tieferen Kern der Frage zu erfassen.
Und so ist seine Antwort auch nicht oberflächlich und egozentrisch.
Johannes antwortet buchstäblich tiefsinnig und erkennt darin den wahren Sinn ihrer Frage.

Ich wünsche mir, dass wir immer tiefer die Botschaften und Fragen der Menschen verstehen lernen, die vielleicht vordergründig formuliert, aber tiefgründig gemeint sind.

Um diese Fähigkeit zu trainieren, ist es nötig, eine Haltung einzunehmen, die nicht zu vorderst von sich selbst ausgeht, sondern von sich absehen kann.

Die Haltung des Johannes nennt man Bescheidenheit oder Demut. Es ist dieselbe Haltung, von der über den heiligen Papst Johannes XXIII. die Selbstaussage überliefert wird:

„Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!“