Fest der unschuldigen Kinder?

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TRIGGER-GEFAHR! — Thema: sexualisierte Gewalt — TRIGGER-GEFAHR! —

Quelle: www.pixabay.com

Schreckliche Bluttat an Kindern

Schon immer war mir dieser 28. Dezember irgendwie komisch.
Da feiern wir ein „Fest der unschuldigen Kinder“ und die Bibel berichtet uns von einer abscheulichen Bluttat des Herodes.
Auf seiner Suche nach dem neugeborenen König der Juden (-> Jesus Christus), in dem er eine Bedrohung seiner Macht und Herrschaft sieht, lässt er kurzerhand alle Knaben bis zu einem Alter von zwei Jahren ermorden.

Immer wieder wurde mir diese Textstelle so ausgelegt, dass die Kirche dieser „unschuldigen Kinder“ gedenkt, die ihr Leben für Jesus Christus lassen mussten.

Aber: diese Kinder waren keine Märtyer; deren Eltern wussten wahrscheinlich noch nicht einmal von dem „Grund“ des Herodes. Ihnen wurden ihre Knaben grausam entrissen. Sie und ihre Eltern hatten keine Wahl, sich für oder gegen ein solches ‚Martyrium‘ zu entscheiden!
Ich fand das immer wieder verstörend.

Kein historischer Bericht

Dann aber wurde später eingewandt, dass dieses Ereignis ja gar nicht historisch sein wird.
Das machte es aber für mich nicht besser.

Was für ein Gottesbild steckt dahinter? Möchte ich an einem solchen Gott glauben, der grausame Bluttaten an ungezählten Knaben zulässt, nur um seinen Sohn zu retten?

Das Einzige, was ich an dieser Erzählung erkennen kann, ist, dass Gott schon von Anfang an seine rettende Hand über seinen Sohn Jesus Christus hatte.

Aber: um das deutlich zu machen, hätten die Verfasser dieses Evangeliums nicht zu so grausamen Erzählungen greifen müssen! Das ist ziemlich über das Ziel hinausgeschossen!

Ich kann deshalb mit diesem „Fest“ für meine Spiritualität im Hinblick auf Weihnachten nichts anfangen.

Aktualisierung: Macht-Wahnsinn

Aber wenn ich auf Herodes schaue, erkenne ich einen Mann, der mit allen Mitteln um seine Macht kämpft. Er missbraucht seine Macht, um ‚unschuldiges‘ Leben zu töten, zu zerstören.

Symbolbild, Quelle: www.pixabay.com

Machtmissbrauch für sexualisierte Gewalt

Wenn ich diesen Gedanken näher an mich heranlasse, dann kommen mit heute unweigerlich ganz konkrete Menschen in den Sinn: Kinder und Jugendliche, die unter Missbrauch von Macht Opfer sexueller Gewalt wurden. Kinder und Jugendliche, deren Leben durch solche Taten nachhaltig zerstört wurden, weil sie traumatische Geschehen erlebt haben, die sie ihren Lebtag nicht mehr loslassen werden.

Mit kommen Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene in den Sinn, die von Geistlichen meiner Kirche Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind.

Ich fühle dann Beklemmungen, Schmerz, kalte Wut und tiefe Trauer, dass selbst in unserer Kirche Menschen nicht davor gefeit sind, ihre Macht zu missbrauchen, um das Leben anderer Menschen zu zerstören.

… vier Finger auf uns zurück …

Wenn wir also heute das „Fest der unschuldigen Kinder“ feiern und versucht sind, mit unserem Finger auf Herodes zu zeigen, der – aus blindem Machtwahn – auch vor den schrecklichsten Taten nicht zurückschreckte, dann sehe ich vier Finger, die auf meine eigene Kirche zurück zeigen, wo es auch – und sicherlich immer noch – Menschen und Amtsträger gibt, die ihre Macht und ihren Einfluß missbrauchen, um physisch und psychisch über wehrlose – zumeist junge – Menschen Gewalt an Leib und Seele auszuüben.

Das „Fest der unschuldigen Kinder“ sollte eigentlich ein „Gedenktag“ sein und uns darauf verweisen, wie sehr immer noch Machtstreben in der Kirche Unheil und Verbrechen begünstigt und möglich macht.

Und solange die Kirche selber immer auch ein Institution und Organisation ist, wo Macht eine entscheidende Rolle spielt (und das ist bei einer solchen hierarchischen Organisation gar nicht anders möglich), sollte uns alle, dieses Fest Warnung und Mahnung sein.

Quelle: www.pixabay.com

Wer aus diesem heutigen Gedenktag wirklich lernen will, der muss den Mut haben, zu einer Kirche ohne – oder aber nur mit minimaler – Macht zu kommen.

Die gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Kirche(n) immer mehr ent-machten, weil sie faktisch an gesellschaftlicher und politischer Bedeutung verlieren, könnte da ein historische Chance bieten.

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