Dem Zerstörerischen Einhalt gebieten

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Bild von Ralf Kunze auf Pixabay

Ich habe bei meiner Wohnung einen netten Balkon, recht groß und sehr sonnig.
Im Frühjahr überlege ich immer wieder, wie ich ihn nun gestalten und bepflanzen könnte.
Und wenn ich dann die Solitärbienen sehe, die heimelig surrend meine Insektenhotels umschwirren, denke ich mir:
“ … Du musst auch an sie denken. Gestalte es also möglichst insekten- und bienenfreundlich…“
Denn bei uns am Haus ist es fast gar nicht bienenfreundlich: immergrüne Pflanzen, Lorbeer-Hecken, Rasen, aber nichts, was wirklich blüht und für Insekten auch nur halbwegs interessant wäre – eine ‚grüne Wüste‘, wie ich es immer bezeichne.

Da möchte ich einen Kontrapunkt zu setzen.
Also säe ich Blumensamen aus, am besten viele verschiedene Kräuter, die zu unterschiedlichen Zeiten wachsen und blühen, und in vielen verschiedenen Farben.

Wenn die Sämlinge dann austreiben und heranwachsen, sehe ich zwischendurch auch einige Grasbüschel, die sich da breit machen wollen.

Soll ich die einfach herausreißen?
Sie wissen vielleicht, dass manche Gräser eine blöde Eigenschaft besitzen: sie treiben unterirdisch ziemlich breites Wurzelwerk aus.
Wenn ich jetzt daran ziehe, rupfe ich mit einem Mal auch die Pflanzen aus, die ich eigentlich wachsen lassen wollte.
Nun ist guter Rat gefragt.
Also halte ich diese Gräser im Blick und schneide sie immer wieder und beharrlich ab, damit sie den anderen Blühpflanzen keine Nahrung weg nehmen, diese weiter wachsen können und ich sie nicht zusammen mit dem Gras herausreiße.

Ich weiß nicht, ob das gerade gärtnerisch ‚richtig‘ ist, aber ich mache es so.
Das erinnerte mich an das heutige Evangelium.

Da ist unter die ‚gute Saat‘ etwas gekommen, was sich in verschiedener Weise destruktiv auf diese gute Saat auswirkt.

Im Evangelium heißt es „Unkraut“. Und dieses Unkraut wurde immer wieder mit dem Bösen gleich gesetzt.

Ich bezeichne es – um im Bild des heutigen Evangeliums zu bleiben – als das Destruktive.
Das ist offener und zugleich klarer.
Denn das Destruktive sind Einflüsse und Umstände, die das, was Erstrebenswert ist, hindern, zu wachsen und zu reifen.

Und dieses Erstrebenswerte kann Vieles sein; zuallererst natürlich die Liebe. Ist sie destruktiven Kräften ausgesetzt, wird sie klein gehalten oder verkümmern.
Deshalb bezeichne ich auch den Gegensatz von Liebe nicht als das Böse, sondern als ‚Mangel an Liebe‘.

Immer wieder dort, wo die Liebe zurückgedrängt, begrenzt und eingeengt wird und nicht zur Entfaltung kommen kann, haben wir es mit der Macht des Destruktiven zu tun.

Das heutige Gleichnis sagt mir:
Ich möchte die gute Saat aussäen, ich möchte, dass die gute, die gewollte und beabsichtigte Saat aufgeht und wachsen kann.
Wenn ich dann sehe, dass dazwischen auch destruktive Saaten anfangen zu gedeihen und zu wachsen, dann mag ich sie – oberflächlich betrachtet – einfach herausreißen wollen.
Aber bei näherer Betrachtung kann ich sehen, dass die Wurzeln des Destruktiven auch schon ihr Werk getan haben; sie sind viel tiefer ins Erdreich hinein gewachsen, oberflächlich kaum zu erkennen und sie nähern sich dem Wurzelwerk der guten Saat gefährlich, so dass ich die gute Saat zusammen mit der destruktiven Saat ausreißen würde, wenn ich das Destruktive jetzt gewaltsam am Schopf packen würde.

Das Ergebnis wäre das, was wir mit dem Sprichwort umschreiben:
„Das Kind mit dem Bade ausschütten.“

Damit wäre das Ergebnis noch verheerender, als wenn wir das Destruktive weiter im Auge behalten und ‚beschneiden‘, damit es selber nicht noch aufblühen und eigene Saaten bilden kann.

So kann ich nämlich die guten Pflanzen hegen und pflegen, sie blühen und gedeihen lassen. Dadurch werden sie – trotz der destruktiven Bedrohung – zur Nektarquelle für Insekten und Bienen und dann später, wenn sie ihre Bestimmung erfüllt haben, zusammen mit den unnützen Gras herausgerissen.

Das anschauliche Evangelium lehrt mich eine gewisse gelassene Haltung, die das Destruktive in unserem Leben nicht ignoriert oder relativiert. Sie erkennt die Gefahr, die vom Destruktiven ausgeht und nimmt sie ernst.
Sie übersieht nicht ihre schädlichen Wurzelwerke, sondern versucht, mit intelligentem Vorgehen, es in Schach zu halten.

Der Umgang mit dem Destruktiven, erfordert Klugheit, Achtsamkeit, vorausschauendes Handeln und Besonnenheit.

Radikales Vorgehen – übrigens ein Vorgehen von Extremisten – bedroht im wahrsten Sinne des Wortes, letztendlich auch das gute Wurzelwerk und damit das Wachstum und die Stärkung der guten Saat.

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