Reduktion

image_pdfimage_print

Was jetzt not-wendig ist

Vor einigen Tagen erreichte mich ein newsletter einer der Kliniken, in denen ich als Krankenhaus-Seelsorger tätig bin.

Darin wurde alle Mitarbeitenden geraten, die persönlichen Kontakte und Begegnungen auf das wirklich Notwendige zurück zu fahren.
Auch in dienstlichem Kontext wurde deutlich gemacht, dass hier auch die persönlichen Kontakte zu KollegInnen auf das Minimum und Nötigste zurück gefahren werden soll.

Konkret heißt das: telefonische Absprachen oder Videokonferenzen, da wo es nötig ist und keine unnötigen kollegialen physischen Begegnungen innerhalb des Dienstes.

Meine persönliche derzeitige Situation

Als Heuschnupfen-Allergiker nehme ich seit Monaten an einer Hyposensibilisierung teil. Zwei Wochen vor und nach jeder Spritze kann ich mich nicht impfen lassen. Das hat dazu geführt, dass ich mich seit Anfang Oktober nicht gegen die saisonale Grippe impfen lassen konnte, weil entweder der Termin nicht wahrgenommen werden konnte oder dann gegen Ende Oktober der Grippe-Impfstoff nicht verfügbar war.
Ich kann nur hoffen, dass sich ein günstiges Zeitfenster ergibt, wo ich mich gegen die Grippe impfen lassen kann.

Als Krankenhaus-Seelsorger ist es mir wichtig, dass ich mich durch eine Impfung nicht nur selber schütze, sondern auch im Falle einer Infektion einen Grippevirus nicht weiter verbreite.
Dazu kommt, dass ich – sobald ich erste Erkältungssymptome entwickle – nicht mehr ins Krankenhaus gehen darf; ich stehe dann also für meinen Dienst nicht zur Verfügung.

Da Vertretungen – gerade auch in dieser Zeit – sehr schwierig sind (wegen des allgemeinen Besuchsverbots und der Zugangsberechtigung nur für Mitarbeitende im Krankenhaus selber), musste ich also für mich persönlich eine Strategie entwickeln, wie ich möglichst ohne Infektionen durch diese Zeit komme und dann für meinen Dienst zur Verfügung stehe, wenn es nötig wird.

Meine derzeitige Strategie:

Schon vor diesem Newsletter war mir klar, dass ich selber auch in der Frage meiner persönlichen Kontakte umdenken muss.

Also habe ich eine eigene Strategie entwickelt, die aus folgenden Komponenten besteht:

  1. Nutzung der Homeoffice-Möglichkeit
  2. Reduzierung auch privater Kontakte
  3. Umorganisation meines Einkaufsverhaltens

Homeoffice

Als Krankenhaus-Seelsorger ist es mir möglich, einen Teil meiner Aufgaben im Homeoffice zu erledigen.
So habe ich mich entschieden, an zwei Tagen in der Woche (montags und mittwochs) persönlich im Krankenhaus anwesend zu sein. An diesen Tagen schreibe ich entweder Patient*innen-Brief oder feiere mit meinem evangelischen Kollegen einen „Stellvertretungsgottesdienst“ (weil Gemeinschaftsgottesdienst nicht möglich sind).
In der anderen Zeit bin ich über mein dienstliches Mobiltelefon und auch über andere Kanäle (Email, Messenger, Videokonferenzen) erreichbar. So kann ich auch nach Bedarf kurzfristig wieder persönlich im Krankenhaus anwesend sein.

Patient*innen, gerade auch aus der psychiatrischen Klinik, nutzen diese anderen Kontaktmöglichkeiten.

Reduzierung privater Kontakt

Auch in meinem privaten Leben habe ich mich entschieden, private direkte Kontakte zu reduzieren.
Emotional ist das für mich wohl der einschneidenste Schritt. Denn das bedeutet für mich, sowohl zu meiner eigenen Familie als auch zu anderen engen Freund*innen den Kontakt nur noch über (Video-)Telefonie aufrecht zu erhalten.
Dieses erlebe ich aber nicht als eine Art Isolation, denn ich nutze lebhaft die anderen Möglichkeiten, die mir zur Beziehungspflege bleiben.

Auch zu Weihnachten …

werde ich mich nur mit einer Person persönlich treffen, damit ich dieses Fest nicht ganz allein verbringe. Aber schon bereits in besseren Jahren war es für mich weniger ein Problem, Weihnachten nicht mit der ganzen Familie und mit Freunden zusammen zu sein. Irgendwann einmal habe ich für mich erkannte, dass ich an den meisten Tagen und Abenden des Jahres allein bin. Und ich habe für mich erkannt, dass der Heilige Abend bzw. die Weihnachtstage dann nur weitere Tage sind, wo ich so lebe, wie ich es in der meisten Zeit des Jahres gewohnt bin.
Es ist für mich also nur eine reine Kopfsache, wie ich mit dem Heiligen Abend allein umgehen kann. Denn meine regulären Alltagserfahrungen sind nicht wesentlich anders als am Heiligen Abend.

Genügend menschliche Begegnungen

Vielleicht hört sich das sehr radikal an.
Aber man muss auch wissen, dass ich ja nicht gänzlich ohne soziale physische Kontakte bin. Allein durch meinen Dienst geben sich immer wieder – notwendigerweise – physische Kontaktmöglichkeiten, so dass bei mir sicherlich nicht die Gefahr der Selbstisolation besteht.

Momentan komme ich emotional mit dieser Vorgehensweise gut klar.

Umorganisation meines Einkaufsverhaltens

Schon während meines Urlaubs im September konnte ich mich in ein verändertes Einkaufsverhalten einüben:

Durch sorgfältige Planung und Organisation konnte ich meine Einkäufe auf ein bis zwei Einkäufe pro Woche reduzieren. Das reduziert auch die Möglichkeit unerwünschter Kontakte, von denen Infektionen ausgehen könnte.
Man muss sich nur vorher die Mühe eine sorgfältigen Haushaltsführung machen, dann ist auch das überhaupt kein Problem.

Unverständnis

Mit ist bewusst, dass meine Haltung sicherlich nicht auf breites Verständnis führt.
Aber ich bin sicher, dass diese Zeit uns vor die Frage stellt, was uns wichtig ist und wie wir selber am besten durch diese Zeit kommen wollen.

Dafür ist es auch wichtig, dass man sich Prioritäten setzt und die sind für mich ganz klar:

  1. Ich möchte weitgehenst verfügbar bleiben für meinen Dienst; gerade auch deshalb, weil Patient*innen diese Zeit besonders schwer erleben, erst recht, weil es in den Krankenhäusern ein Besuchsverbot gibt. Als Krankenhaus-Seelsorger habe ich aber das Glück, weitgehenst noch den persönlichen Kontakt zu den Patient*innen haben zu können.
  2. Ich reduziere meine persönlichen Begegnungen auf das machbare Minimum, damit ich gerade im privaten Bereich auf persönliche Begegnung nicht gänzlich verzichten muss, um das Infektionsrisiko zu minimieren.

Chancen nutzen

Indem ich mein Verhalten in dieser Zeit ändere, spüre ich aber auch deutlich, dass sich andere, neue Möglichkeiten in meinem Leben ergeben: etwas, was ich immer schon mal wieder machen wollte, kann jetzt zum Zuge kommen.
Ich kann mal wieder ganz in Ruhe ein Buch zu Hand nehmen. Ich kann nötige handwerkliche Aufgaben in meinem Haushalt erledigen, für die ich sonst keine Zeit oder Muße gefunden habe. Ich kann Spaziergänge machen, die sonst viel zu kurz gekommen sind,

Mich in meinen physischen Sozialkontakten zu reduzieren, gibt mir ganz neue Möglichkeiten, die ich buchstäblich ent-decken kann, weil sie in der Geschäftigtkeit und Hektik früher Zeiten verschüttet wurden.

Ich finde, das ist ein guter Einstieg für mich in die nun beginnende Adventszeit, die wir so oft als Zeit der Muße und Besinnung bezeichnen.

Wie gehen Sie mit dieser Zeit um? Welche Akzente setzen Sie in dieser Zeit?
Schreiben Sie gerne Ihren Kommentar zu meinen Gedanken.

Related Images: