Sei nicht geknickt…!

image_pdfimage_print

Impuls zum Fest ‚Taufe des Herrn‘ am 7./8. Januar 2023

Quelle: pixabay.com

Seit Jahren begleitet mich dieses heutige Wort des Propheten Jesaja in meinem Dienst: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus. Ja, er bringt wirklich das Recht.“ (Jes. 42,3)

Diese Worte hat später Jesus auf sich bezogen. So lesen wir im Matthäus-Evangelium im 12. Kapitel 15-17.20:
„15 Als Jesus das erfuhr, ging er von dort weg. Viele folgten ihm nach und er heilte sie alle. 16 Er gebot ihnen, dass sie ihn nicht bekannt machen sollten, 17 damit erfüllt werde, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: (…)
20 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen / und den glimmenden Docht nicht auslöschen, / bis er dem Recht zum Sieg verholfen hat. …“

Ich liebe beide Texte sehr.
Sie wurden für mich zu Schlüsseltexten, wenn ich über die Barmherzigkeit Gottes nachsinne.

Und so mögen Sie es mir verzeihen, wenn ich dieses Thema wiederholt anspreche und Sie diesen Gedanken von mir schon kennen.
Ich möchte aber nicht müde werden, diese Worte für unser Leben fruchtbar werden zu lassen.
Mein Schlüsselerlebnis mit diesem Wort war ein Gottesdienst als Gefängnisseelsorger, wo diese Lesung in einem Gottesdienst gelesen wurde.
Inhaftierte lasen diese Lesung vor und währenddessen schaute ich in die Menge der anderen inhaftierten Frauen und Männer.
Über sie alle war Gericht gehalten worden und sie ‚wurden gerichtet‘. Und das Urteil, das über sie gesprochen wurde, hinterließ bei manchen negative Folgen: als geknickte oder sogar gebrochene Menschen fristeten sie ihr Leben. Diese Realitäten müssen wir immer mit berücksichtigen, wenn wir auf der Suche nach ‚gerechter‘ Bestrafung sind! Die alttestamentliche Ansicht: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gilt seit Christus nicht mehr.

Denn ER sagt: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Mt 5,44-45)

Was für eine Botschaft!

Jesus ist als Mensch in unsere Welt gekommen, um genau das Gegenteil zu bewirken: anstatt zu knicken – aufzurichten, anstatt auszulöschen – zu entfachen.

Bild von MURAT KARAKAYA auf Pixabay

Das geknickte Rohr, das aufgerichtet wird, kann weiter wachsen und leben. Die glimmende Flut, die nicht gelöscht sondern entfacht wird, kann weiter Wärme und Licht verbreiten.
Dazu ist Jesus in die Welt gekommen.

Wo wir Brüche in unserem Leben haben, möchte er aufrichten und festigen, damit wir an den Brüchen nicht zugrunde gehen, sondern das Leben in uns spüren und erleben können.

Wo die Lebensglut in uns zu erkalten droht und nur noch zaghaft glimmt, will er mit dem Brausen der Heiligen Geistkraft unsere Lebensflamme wieder zum lodern bringen.

Und auch, wenn wir uns die Frage stellen, wie wir als Geschwister Jesu Christi in seine Fußstapfen treten können, wie wir IHM nachfolgen können, dürfen wir uns an diesen Worten ein Beispiel nehmen:
• Wo wir geknickten Existenzen in unserem Leben begegnen, dürfen wir uns fragen, wie wir diese Menschen in ihrer Situation aufrichten können. Wie können wir sie stärken, damit ihr Leben Sinn behalten kann; damit ihr Leben gelingen kann; damit sie gestärkt werden zu einem Leben mit Zukunft?
• Wo wir Menschen begegnen, die zu erkalten drohen, in ihren Gefühlen aber auch in ihrem Handeln; die hartherzig sind. Wie machen wir uns auf die Suche, mit ihnen und in ihnen die glimmende Glut der Liebe, der Sehnsucht nach Frieden und Hoffnung zu entdecken? Wo können wir, diese Glut, die wir finden, vielleicht gemeinsam und mit dem Wehen des Heiligen Geistes neu entfachen, damit in ihnen Herzlichkeit, Liebe, Respekt und Achtung neu entzündet werden kann?

Denn am Ende steht nicht ein Gericht, das zerbricht und auslöscht, sondern DER, der uns aufrichtet, heilt und die Glut des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in uns lebendig hält.

Related Images: