Die Liebe ist alles …

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… ohne Liebe ist alles nichts!

Die heutige Lesung mündet in dem alles entscheidenden Satz:

„Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“

Röm 13,10

Was für ein Wort! – Das dürfen wir uns auf der Zunge zergehen lassen!

„Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“ – erinnert mich an ein Wort des heiligen Augustinus.

Augustinus war im 4. Jahrhundert Bischof von Hippo Regio, von ihm stammen folgende Worte:

(Augustinus von Hippo)

Die Liebe allein ist es, die den Unterschied macht, ob unsere Gedanken und Werke der Forderung des Evangeliums gerecht werden!

Und das ist beileibe kein Nebenthema.
Die Liebe ist DAS Thema all unserer christlichen Existenz.

Egal wann und wo wir unserem Leben eine kritische Selbstreflexion unterziehen wollen (oder auch müssen, weil wir Kritik von außen erfahren!), wird es um die Frage gehen, ob unser Denken und Handeln allein von der Liebe bestimmt wird.

Das fängt schon so banal an, wie jetzt, da wir zu diesem Gottesdienst gekommen sind.
Wie bin ich heute hier und in welcher Haltung möchte ich heute Gottesdienst feiern und all den anderen hier in der Kapelle begegnen?
Wünsche ich uns allen, dass dieser Gottesdienst für uns alle erbaulich und ein Ort wertschätzender Begegnung wird? Oder bin ich hier, weil ich meine, Erwartungen und Ansprüche befriedigen zu müssen: Erwartungen oder Ansprüche, die irgendwie in mir selber drin sind oder die von außen an mich herangetragen werden, wie z.B. die sogenannte Sonntagspflicht?

Und da sind wir schon bei dem Thema ‚Regeln und Liebe‘.

In unserer Kirche gibt es Regeln.
Manchmal kann man den Eindruck bekommen – auch heute noch -, dass Regeln wichtiger sind als alles andere.

Da ist irgendwo etwas bestimmt worden, sei es im Kirchenrecht oder Verlautbarungen des Papstes, des Bischofs, des Pfarrers, eines Pastoralteams, des Pfarrgemeinderates.
Bisweilen sind diese Regelungen sehr konkret.
Das Liebesgebot, das uns heute noch einmal ausdrücklich in Erinnerung gerufen wird, fordert uns auf, diese Regelungen und Entscheidungen unter das Primat der Liebe zu stellen.

Denn wir wissen, dass Regelwerk und Regelwut nicht immer mit dem Primat der Liebe vereinbar sind.
Manchmal entstehen Regeln aus Ängstlichkeit, manchmal aus dem vermeintlichen Besserwissertum, aus übertriebener und entmündigender Fürsorge oder auch einfach nur aus Machtwillen.

Um überprüfen zu können, ob Entscheidungen oder Regeln dem Primat der Liebe entsprechen, ist es sinnvoll und nötig, nach den Gründen der Entscheidungen oder Regeln zu fragen!

Jene, die Regeln aufstellen oder sie auch nur vertreten, sind stets verpflichtet, diese Regeln zu begründen – und zwar so zu begründen, damit sie für andere verstehbar und plausibel erscheinen.

Wer Entscheidungen trifft oder Regeln aufstellt, hat die kritische Anfrage und das kritische Hinterfragen von Regeln zu akzeptieren und ist der Rechenschaft schuldig.

Wir erleben eine historisch bedeutsame Phase der Kirchengeschichte; unsere Kirche ist – durch innere und äußere Einflüsse – dermaßen im Umbruch, dass bestehende Gewissheiten und Gewohnheiten hinterfragt werden müssen.

In diesem Prozess der Veränderungen gibt es viel Entscheidungs- und Regelungsbedarf.

In Zukunft wird es weiterhin zu Neuregelungen und Absprachen kommen müssen. Unter dem Diktat von fehlenden Finanzen oder fehlendem Personal ist viele im Fluss, was noch vor Jahren eher wie in Stein gemeißelt wirkte.
Das ist eine Zumutung und sicherlich für alle nicht immer leicht. Wenn Vieles im Umbruch ist, kann das verunsichern.
Um so wichtiger ist es, diese nötigen Veränderungen, die zu neuen Regelungen führen, uneingeschränkt ebenfalls dem Liebesgebot zu unterstellen.

Dabei ist das Liebesgebot inhaltlich als auch strukturell zu beachten.

Inhaltlich heißt das, dass alles, was wir in der Kirche tun, begründbar sein muss mit der frohen und befreienden Botschaft des Evangeliums in Einklang stehen muss.
Ich nenne nur ein paar Schlagworte: „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“, „Auferbauung der Gemeinde“ (wie es der hl. Paulus immer wieder fordert, Förderung der Gottesbeziehung, Stärkung des geistlichen Lebens, Befreiung von Angst und Befreiung zur Gott geschenkten Freiheit, …

Strukturell bedeutet das Liebesgebot, dass wir in der Kirche ein Miteinander zu pflegen haben – auch bei der Beratung und Entscheidung über Regelungen -, welches wertschätzend und nicht bevormundend ist.

Es bedarf in unserer Kirche Strukturen, die von der Überzeugung geprägt sind, dass der Heilige Geist in jeder Person wirkt und dieses Verständnis bei der Erörterung von Fragen und bei der Entscheidungsfindung angemessen berücksichtigt wird.

Strukturell bedeutet es: die hierarchischen Strukturen in unserer Kirche haben immer dienende, niemals herrschende Funktion, denn Jesus Christus selber ist kommen als einer der dient (vgl. Lk 22,27).
Insofern ist Kirche und sind Amtsträger:innen in der Kirche immer Dienende.
Der „Pfarrer“ = „Pfarr-Herr“ als feudal verstandenes Amt, hat keine Berechtigung in unserer Kirche, denn niemand ist Herr über uns, außer Gott selber.

Mir persönlich ist es wichtig, gerade in dieser Zeit gewaltiger Umbrüche in unserer Kirche, immer wieder an dieses Grundverständnis unseres christlichen Glaubens zu erinnern.

Das Liebesgebot darf in Zeiten der Umbrüche und Transformation weder relativiert noch ausgesetzt werden, denn es gilt absolut!
Es gibt keine Stelle in Neuen Testament, in dem Christus selber oder auch nur die anderen Schriften das Liebesgebot relativiert hätten.
Der Grund liegt in Gott selber, der nach unserem Verständnis absolut ist und der die Liebe schlechthin ist.

Liebe Geschwister,
exemplarisch habe ich am Leben der Kirche versucht, aufzuzeigen, was die heutige Lesung konkret bedeuten könnte.

Doch all das können wir übertragen auf unser Zusammenleben in Freundschaften, Partnerschaft und Familie, am Arbeitsplatz und in Betrieben, in Vereinen und Verbänden, in nachbarschaftlichen Beziehungen, in Gesellschaft und Staat und innerhalb internationaler Staatengemeinschaften.

Doch zuallererst beginnt das Liebesgebot bei uns selbst.
Denn Gottes- und auch Nächstenliebe ist nicht wirklich realisierbar, wenn die echte Liebe nicht zuerst bei uns selber beginnt, in der Selbstliebe.

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